Faulfleisch. Vincent Voss
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Читать онлайн книгу Faulfleisch - Vincent Voss страница 12

Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ musste er mit Jack hin. Er würde sich eine spannende Geschichte zu ihrem Ausflug ausdenken, ein abgestürztes Flugzeug und die Besatzung hatte hier noch, bevor sie von der Polizei geschnappt wurde, einen Schatz vergraben. Liam nickte und sah sich mit Jack trittsicher das moorige Unterholz erkunden. Bei den Wasserlöchern, wo es schon sumpfig wurde, musste er natürlich aufpassen. Ihm selbst waren sie auch unheimlich. Er stellte sich vor, aus einem dieser Löcher würde eine Hand herausragen und bei diesem Gedanken genoss er eine wohlige Gänsehaut, die ihm den Rücken hinaufkroch.

      Rechts führte ein Damm durch das sumpfige Gebiet. Offenbar lag auch diese Seite damals höher, nur die Urtümlichkeit ließ es nicht mehr erahnen. Er überlegte. Welchen Weg würde Jack an seiner Stelle wählen? Liam wählte den Dammweg tiefer in das Moor.

      Er ging an einem Wildfutterhäuschen vorbei und konnte sich die Arbeit eines Jägers gut vorstellen. Die Vegetation wurde uriger und auch feindseliger. Er verfing sich mehrmals an Brombeersträuchern und stieß sich schmerzhaft an einem überwucherten Baumstumpf den Fuß. Wie ein Vorhang lichtete sich links und rechts das Unterholz. Direkt an das Moorgebiet grenzend lagen Wiesen und Koppeln, auf der linken Seite sah er in der Ferne ein altes Holzgatter und einen Feldweg. Die Sonne am Horizont schimmerte rötlich und tauchte die Landschaft in ein Licht, in dem Liam sich angenehme Traumsequenzen vorstellten konnte. Er war beeindruckt und blieb stehen. Er ließ den Blick über den Horizont gleiten und atmete tief ein. Zum ersten Mal an diesem Tag war er eins mit sich und er genoss den Augenblick, ehe er erschrak.

      Am Horizont, hinter einem Laubwaldstück, stand ein altes Bauernhaus. Liam brachte seine letzten Überlegungen, die er auf der Steinbrücke hatte, ehe Teufel ihn mit seinem Pansenatem beglückte, in Übereinstimmung mit seiner weiteren Wanderung. Es konnte sein, dass das der alte Königshof war. Vorhin hatte er nur die alte Holzbrücke sehen können, da war er auf der anderen Seite der Alster gewesen.

      Das würde er prüfen.

      Der vor ihm liegende Feldweg bog später nach rechts ab, also zurück zur Alster, und von dort konnte er einen freien Blick in Richtung Laubwald und Gehöft bekommen. Aufgeregt beschleunigte er seinen Schritt und blieb nach der Biegung stehen. Hinter einem Baumstumpf (er schätzte, es war eine Weide, weil nur Weiden seiner Ansicht nach solche Triebe hatten), aus dem mehrere kleine Stämme austraten, stand eine Gestalt. Verharrte regungslos und beobachtete mit einem beeindruckenden Fernglas den Horizont. Gedungene Statur, durch die Kälte in sich zusammen gekauert, passable Tarnkleidung. Sie verschmolz mit dem dunkelgrünschwarzen Baumstumpf. Liams Herzschlag beschleunigte sich. Er brachte die Gestalt augenblicklich mit den Geschehnissen auf dem Königshof zusammen. Der Gerichtsmediziner wurde schon beobachtet. Trotzdem wollte er sich zurückhaltend und vorsichtig verhalten. Er entspannte sich, atmete durch und versuchte dann, so normal wie möglich, seinen Weg fortzusetzen.

      Das Fernglas war nicht auf den Königshof gerichtet, analysierte Liam. Gut. Was gab es hier sonst zu beobachten? Vielleicht ein Naturfreund. Oder ein Spanner. Vielleicht wimmelte es in diesem Moor ja nur so von Perversen. Liam unterdrückte ein Lachen bei diesem Gedanken. Entweder war es eine Frau oder ein kleinerer Mann. Sie trug einen Rucksack von Zermatt in Tarnfarben, eine dunkle Outdoorjacke und die Haare blieben durch eine Kapuze verborgen. Liam stand wenige Schritte hinter ihr und wartete darauf, dass sich die Person rührte. Nichts. Liam räusperte sich. Erschrocken drehte sich eine ältere Frau um. Eine graumelierte Strähne fiel ihr in die Stirn. Hinter Tränensäcken blickten neugierige Augen, umrahmt von durch Kälte geröteten Wangen. Liam fand die Frau auf Anhieb sympathisch.

      »Was beobachten Sie denn dort, wenn ich fragen darf?« Er reckte den Kopf gen Horizont.

      »Schäfer«, stellte sie sich vor und reichte ihm die rechte Hand hin. Mit der linken zog sie etwas aus der Jackentasche, zeigte ihm einen Ausweis mit einem Foto von ihr aus tränensackärmeren Tagen.

      »DOG, Deutsche Ornithologen-Gesellschaft. Ich bin Lehrerin«, erklärte sie ihm das Akronym und nannte ihren Beruf. Liam war von ihrem Auftreten überrascht und suchte nach einer adäquaten Antwort. Es fiel ihm nichts ein also fragte er. »Und was beobachten Sie?«

      Sie nickte, als würde sie jetzt seine Frage mit ihrem Tiefgang erkennen können. Sie steckte den Ausweis wieder ein und nahm den Feldstecher, der an ihrem Hals hing, ab. »Sumpfohreulen. Letztes Jahr habe ich an mehreren Stellen in den Schlehenbüschen auf der anderen Seite des Weges Gewölle gefunden. Jetzt hier. Aber noch kein Nest.« Aus einem Reflex heraus schaute sich Liam die kahlen Äste der knöchernen Bäume an.

      »Es sind Bodenbrüter«, belehrte sie ihn und Liam wusste, dass er sich zumindest nicht als Vogelexperte ausgeben konnte, wollte er mit ihr im Gespräch bleiben.

      »Ja, das wusste ich gar nicht«, gab er zu. »Ich kenne die Gegend erst seit kurzem, vielmehr lerne ich sie eigentlich gerade erst kennen. Aber mir ist schon aufgefallen, wie viele verschiedene Vogelarten es hier gibt. Erstaunlich.« Liam zeigte sich ernsthaft interessiert. In diesem Moment war er es auch. Wahrscheinlich führte dieser Umstand zu einem Brechen des Eises, wie man sagt, denn Frau Schäfer entspannte sich und lächelte.

      »Hundertdreiundsechzig«, sagte sie und nickte stolz und anerkennend zugleich. Liam verstand nicht. »Es gibt hier in diesem Moor«, sie deutete um sich herum, »… hundertdreiundsechzig Vogelarten. Und seit vier Jahren lassen sich hier Kraniche nieder.« Ihre Augen strahlten euphorisch unter der Kapuze und Liam hätte sie niemals für eine Lehrerin gehalten, die sich über den ständigen Stress in der Schule beklagte und vor allem über unmotivierte Schüler. Aber Ornithologie war ihr Hobby und kein Unterrichtsfach und wahrscheinlich unterrichtete sie in ihren Fächern, weniger begeisternd. Liam ließ sich von ihrer Begeisterung anstecken.

      »Hundertdreiundsechzig!«, er pfiff als Zeichen des Respekts. »Ich hätte Schwierigkeiten, sie alle auseinander zu halten. Na ja, ich hätte wahrscheinlich schon Schwierigkeiten überhaupt ein paar zu erkennen«, gestand er. »Kann man denn jetzt welche beobachten?«

      »Klar.« Sie drehte sich zum Horizont. »Dort hinten im Schilf«, sie deutete auf einen entfernten Schilfgürtel, »sind mehrere große Brachvögel.« Umgehend fixierte sie die erwähnte Stelle mit ihrem Fernglas und justierte mit dem rechten Mittelfinger ein kleines Rädchen.

      »Ja …«, murmelte sie, »ja, da ward ihr doch eben.« Sie schwenkte nach links, dann wieder nach rechts. »Ah ja. Da sind sie. Wenn der Frühling kommt, kann man sie hier sehr gut hören«, erklärte sie ihm und konzentrierte sich dabei.

      »Nehmen Sie mal«, sagte sie, drehte ihr Gesicht zu ihm und hielt das Fernglas unverändert in die Richtung.

      »Na los, schauen Sie mal.« Liam zuckte kurz mit der Schulter und nahm die Einladung an. Behutsam nahm er ihr das Fernglas ab und brachte es auf seine Augenhöhe. Er sah unscharf, doch bevor er etwas sagen konnte, forderte sie ihn auf, die Einstellung zu verstellen. Das Bild wurde schärfer und er konnte drei beigebraune Vogelköpfe mit langen gekrümmten Schnäbeln zwischen den dichten Halmen ausmachen. Sehr groß, sehr nah. Die Vögel guckten dümmlich, so, als wäre ihnen gewahr geworden, dass sie beim Kacken beobachtet wurden und Liam kam sich voyeuristisch vor. Andererseits belustigte ihn die Vorstellung.

      »Ich hab’ sie. Sie sehen irgendwie lustig aus. Großer Brachvogel, ja?«

      »Mmh«, bestätigte sie neben ihm. »Im Frühling ruft er immer ›kuri–wi‹.«

      »Ah, das hab ich schon mal gehört«, erinnerte sich Liam an diese Melodie. Er fragte sich, wo das gewesen sein könnte, aber die kackenden, großen Brachvögel interessierten ihn mehr. Sie huschten hysterisch und aufgeregt durch das hohe Gras.

      »Toll, wirklich. Vor allem, wie nah man sie damit ran bekommt.« Er drehte sich zu ihr und bemerkte, dass sie die letzte Äußerung verstimmt hatte.

      »Ja, СКАЧАТЬ