Faulfleisch. Vincent Voss
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Название: Faulfleisch

Автор: Vincent Voss

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783966291040

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СКАЧАТЬ besseren Halt zu gewinnen. Schlammigmodrige Pfoten tasteten auf seiner hellblauen Skijacke umher. Liam verbat sich, aus Wut ungestüm zu reagieren. Den Hundehalter würde er am liebsten wie den falsch parkenden Geländewagenfahrer beißen. Hinter dem Hund sah er am Flussbett eine Bewegung, ein Pfiff erschallte und Hübi trat hinter ihm unter der Brücke hervor auf die Straße. »Komm her, Teufel!«, schrie er dem Hund zu und Teufel ließ ängstlich von Liam ab und schlich zu Hübi. Hübi erwartete Teufel mit einer Leine in der Hand. Er packte den Hund am Halsband, hielt ihn mit der linken Hand fest und drosch mit dem Lederriemen auf Teufel ein. Teufel winselte und wollte sich auf den Rücken drehen.

      »Was willst du hier? Verfolgst du mich, oder wie?« Mit Teufel an der Leine kam Hübi drohend auf Liam zu. Liam war sprachlos. ›Ich sollte ihn beißen‹, schoss es Liam durch den Kopf. Aber er stand mit halboffenem Mund da und fühlte sich wie ein Passagier in sich.

      »Nein, ich, also ich … hatte nur den Kopf voll und …«

      Hübi stand vor ihm und wollte Liam den Schmutz von der Jacke klopfen. Stattdessen rieb er sie durch seine groben Bemühungen stärker ins Textil ein.

      »Scheiß Köter, tut mir irgendwie Leid«, gab er umständlich von sich. »Musst du kalt waschen.« Er deutete mit einem Zeigefinger auf Liams Schultern.

      Liam war pessimistisch. Die Jacke konnte er wegwerfen. Hübi klopfte ihm ein weiteres Mal auf die Schulter.

      »Ist gut jetzt!«, ließ Liam seinem Frust freien Lauf und wich Hübis klopfender Hand zur Seite aus.

      »Hey, ganz locker«, brummte Hübi. Liam begriff, dass Hübi auf Konfrontation immer einen Gegenangriff startete. Wahrscheinlich hatte er angesichts seiner Körpergröße und seiner Ausstrahlung damit auch Erfolg. Hübi pumpte sich auf und stand latent drohend vor Liam.

      »Schon O.K., wusste gar nicht, dass das euer Hund ist«, beschwichtigte Liam und deutete auf Teufel, der eingeschüchtert hinter Hübi kauerte. Hübi nickte und entspannte sich.

      »Na wie auch, gab Ärger im Kindergarten, weil Teufel die Lütten immer umgerannt ist und die Schiss hatten. Macht aber nix, der will nur spielen.«

      Liam konnte sich die Ängste der Kinder vorstellen, wenn ein riesiger Hund, sich Urviech gleich mit heraushängender Zunge auf sie stürzte. Teufel traute sich hervor und hechelte.

      »Sag mal, was hast du denn da hinten eigentlich letztens gemacht?«, wollte Liam wissen und beobachte Hübi genau, um seine Reaktion abschätzen zu können.

      »Ich kauf’ da immer für die Schröters ein, weissu. Die wohnen da ganz allein, und der Alte traut sich nicht mehr, mit dem Auto zu fahren. Manchmal kommen die beiden mit, aber häufig nur sie. Manchmal mach’ ich da auch was im Haus, aber eigentlich wollen die immer alles alleine machen, weissu. Im Sommer hab ich mal ’nen Anruf von ihr bekommen, ob ich mal vorbeikommen kann, sie hat Kuchen gebacken. Und dann bin ich da hin und frag’, wo er denn ist und sie meinte so, im Garten, sie ham Probleme mit dem Brunnen. Und dann hab’ ich mir das mal angeguckt und da ist der Alte sechs Meter mit seinem kaputten Knie in den Brunnenschacht gekrochen und wollte die alte Brunnenpumpe auswechseln. Alter, der ist über Achtzig! Und da kam er nicht hoch. Aber zu stolz für, um Hilfe zu holen, echt!«, berichtete Hübi und nickte dabei dem Alten bewundernd zu.

      »Na ja, ich hab’ die dann ausgewechselt und sie hat noch schnell ’nen Kuchen hingekriegt, weissu, die hatte gar keinen, hatte aber Schiss um den Alten, verstehste?«, Hübi erklärte ihm die Sachlage gestikulierend.

      »Ja, schon heftig«, bestätigte Liam. »Bist du denn irgendwie verwandt mit denen?«, wollte er wissen.

      »Ja, umso paar Ecken, aber ich bin der einzige, der sich um die beiden kümmert, Mann. Und das mach’ ich nur so, verstehst du? Scheiß auf das Haus und das Grundstück, das will eh keiner mehr haben.«

      Liam nickte, bezweifelte aber Hübis Uneigennutz. »So, ich will mal wieder, ne«, verabschiedete sich Hübi.

      Liam schätzte, dass Hübi nach eigener Einschätzung schon viel zu viel von sich erzählt hatte, aber er wollte in Erfahrung bringen, was es mit dem Gerichtsvollzieher auf sich hatte.

      »Und was ist das für ein Typ, der Gerichtsvollzieher? Mann, du warst echt sauer auf den.«

      Hübi verharrte und sammelte sich. Er guckte links an Liam vorbei und überlegte, ob und was er sagen sollte.

      »Keine Ahnung, weissu. Kommt wohl aus Hamburg, ne. Hat einfach den Hof gekauft und kommt immer erst sehr spät zurück. Kommt fast nie raus und hat immer die Vorhänge zu, weissu. Manchmal kommen da Männer zu Besuch, oder so, aber der hat ja auch keine Frau und keine Kinder da, weissu.«

      Emotional fühlte sich Liam sonderbar mit dem Herrn Gerichtsmediziner verbündet, denn verdeckte Ressentiments waren ihm gerade von der alt eingesessenen Dorfbevölkerung auch entgegengeschlagen. Sobald im Kindergarten bekannt war, dass Sandra und er sich in einer schwierigen Phase befanden und sogar in Trennung lebten, verhielten sich einige Mütter abweisend, fast arrogant. Meistens die, die einen Landwirtschaftsbetrieb hatten. Auf der anderen Seite war der Gerichtsmediziner sonderbar. Und ja, die verdammte Hand hatte er gesehen. Wenn es denn nicht irgendein Tier gewesen war. Liam überlegte und Hübi wartete auf eine Reaktion.

      »Weissu, wie ich mein, ne?«

      »Ja, ja.« Liam nickte abwesend. »Ja, klar, versteh’ ich voll.« Beide schwiegen.

      »Stubenhocker, ne. Schwuler Stubenhocker!« Hübi erwartete eine anerkennende Reaktion von Liam, doch Liam schwieg beharrlich.

      »Na ja, ich muss weiter, doh.« Hübi verabschiedete sich freundlicher als vorher. Liam blieb mit verschmutzter Skijacke auf der Brücke stehen und schaute sich nachdenklich den Sonnenuntergang in der Oberalsterniederung an. Er wusste nicht einzuordnen, was er von einem Gerichtsmediziner mit solchen Neigungen halten sollte. Er wusste nicht, was ein Gerichtsmediziner genau arbeitete. Er vermutete, dass er sich um die ungeklärten Todesfälle kümmerte und die Leichen obduzierte. Auf der einen Seite hatte Liam dann für solche, in seinen Augen kranken, Neigungen, wie Sado-Maso-Spiele, Verständnis, andererseits wurde ihm der Mann dadurch unheimlicher. Er beschloss, sich das Moor genauer anzuschauen und stieß sich von dem Geländer der Brücke ab. Er schätzte es jetzt auf ein Uhr, hatte aber keine Lust, sich mit einem Blick auf sein Handy zu vergewissern.

      Bis auf Hübi, der mit Teufel gleich um die Kurve am Waldrand gehen würde, war er hier allein. Wahrscheinlich war die Mittagszeit hier auf dem Dorf noch eine heilige Zeit. Dann hatte das Mittagessen dampfend auf dem Tisch zu stehen, und die Familie speiste gemeinsam. Sie sprachen ein Tischgebet. Liam spürte, wie der Zynismus in ihm hochkroch. Eigentlich wünschte er es sich nichts anderes. Abgesehen von dem Tischgebet.

      Die Straße vor ihm führte ins Wakendorfer Moor. Links und rechts säumten Waldstücke den Weg. Selten zuvor hatte Liam so viele verkrüppelte Bäume beieinander stehen sehen. Einzig zahlreiche halbhohe Birken verliehen dem Anblick etwas Ordnendes. Die Asphaltierung wich einem Schotterweg mit respektablen Schlaglöchern. Dahinter führten links und rechts des Weges kleinere Wege ins Unterholz. Linkerhand sah Liam, dass der Weg einige Meter weit befahrbar war, danach wurde er zu einem Wildpfad. Liam spürte das Kribbeln des Entdeckers. Die Anfänge des Moores auf der rechten Seite des Weges, mit brackigen Wasserlöchern und einzelnen, auf kleinen Inseln stehenden, verkrüppelten Bäumen, umgekippten und moosbehangenen Baumstümpfen, waren von seiner Warte zu erkennen und faszinierten ihn. Zur linken Hand sah es aus, als wäre vor langer Zeit Erde abgetragen worden. Das Gelände sah von Menschenhand bearbeitet aus. In dem eingestanzten Rechteck stand hellbraunes Gras kniehoch, ab und an eine Birke. Um das Rechteck führte ein Weg СКАЧАТЬ