Der Aktionskreis Halle. Sebastian Holzbrecher
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СКАЧАТЬ Ende der AG. Freiwillige Spenden der Mitglieder und Informationsempfänger finanzierten die Arbeit des AKH.533 Hatte der Aktionskreis bereits bei seiner Grundsatzerklärung deutliche Anleihen bei den bundesdeutschen Formulierungen der AGP gemacht, so lässt sich dieser Adaptionsprozess auch bei der Ausdifferenzierung seiner Struktur und Organisation beobachten. Sowohl die Aufnahmekriterien als auch die Strukturen und Organe bezog der AKH in teils nur marginal abgewandelter Form von der Satzung der Arbeitsgemeinschaft bundesdeutscher Priestergruppen.534 Als bedeutender Unterschied ist jedoch auf die ausgeprägte Gleichberechtigung von Priestern und Laien zu verweisen. Die Priestergruppen in Westdeutschland und ihr Dachverband öffneten sich erst sukzessive für eine Laienbeteiligung.535 Demgegenüber kann es als ein Alleinstellungsmerkmal des Hallenser Aktionskreises gelten, dass er von Anfang an aus Priestern und Laien bestand, die gleichberechtigt im Sprecherkreis als seinem Exekutivgremium vertreten waren.

      Für den AKH sind drei grundlegende Personengruppen zu unterscheiden: eingeschriebene Mitarbeiter des AKH; Sympathisanten, die überwiegend als Gäste der Vollversammlungen in Erscheinung traten; Empfänger der Rundbriefe.536 Mitarbeiter konnte werden, wer durch seine Unterschrift verbindlich die Bereitschaft erklärte, die Ziele der Grundsatzerklärung mitzuverfolgen.537 Zunächst beschränkte die Geschäftsordnung die Teilnahme nur auf Katholiken mit ständigem Wohnsitz in der DDR.538 Diese Limitierungen wurden jedoch in den darauffolgenden Jahren zugunsten einer ökumenischen Öffnung weitgehend fallen gelassen. Gäste waren von Beginn an ausdrücklich erwünscht, verstand man sich doch als Kommunikationsplattform für einen möglichst breiten innerkirchlichen Dialog.539 Diese explizite Offenheit gehörte zwar zum Selbstverständnis der Gruppe, hatte aber angesichts des totalitären Überwachungsstaates der DDR durchaus ambivalente Implikationen.540 Der Vorwurf einer Zweiklassengesellschaft im AKH lässt sich aus den Quellen nicht bestätigen. Zwar entwickelte sich nach einiger Zeit der Modus, dass sich am Vorabend von Vollversammlungen die eingeschriebenen Miglieder des Aktionskreises trafen, um Interna zu besprechen. Dass allerdings auf der anschließenden Vollversammlung nur noch abgestimmt wurde, was ohnehin schon intern entschieden worden war, lässt sich nicht nachvollziehen. Zudem unterschieden sich die Rechte von Mitarbeitern und Sympathisanten nur hinsichtlich eines qualifizierten Stimmrechts, der Wahrnehmung eines Mandats im Sprecherkreis und der Teilnahme an internen Sitzungen.541 Die Rundbriefe konnte beziehen, wer dies schriftlich oder mündlich beim AKH anmeldete, wobei die ostdeutschen Bischöfe passive Empfänger der Rundbriefe waren, die ihnen unaufgefordert zur Verfügung gestellt wurden.

      Eine quantitative Betrachtung des AKH ergibt, dass die Gruppe keine fest umschriebene oder starre Institution war. Vielmehr lassen sich vor allem 1969/70 erhebliche personelle Fluktuationen beobachten. Während die erste Protestkundgebung vom 19. Juli 1969 zunächst 130542 und später gar 155543 Unterzeichner der Note an den Papst und die Kardinäle aufwies, nahmen am Nienburger Treffen am 27. September 1969 lediglich 29, an der Versammlung am 14. März 1970 immerhin 75 und an der konstituierenden Gründungsvollversammlung des AKH 53544 Personen teil.545 Offensichtlich hatten die Arbeitsweise und das Vorgehen des sich formierenden AKH nicht wenige Sympathisanten der ersten Stunde Distanz suchen lassen.546 In diesem Zusammenhang gewinnen die Zahl und der Kreis der Empfänger der AKH-Rundbriefe an Bedeutung. Waren es im Gründungsjahr 1970 noch 109547 Informationsempfänger, so stieg ihre Zahl bereits 1974 auf 309548, 1975 auf 338549 und sank im Jahr 1977 auf 270550. Ob sich diese Zahlen in den 80er Jahren wesentlich verändert haben, ist nicht überliefert. Da in den Quellen des AKH vereinzelt äußerst detaillierte Adresslisten erhalten geblieben sind, kann eruiert werden, wie sich der Empfängerkreis der Briefsendungen zusammensetzte.551 Vermutlich hatte es ein 1982 vom MfS geplanter Einbruch in das Nienburger Pfarrhaus auf genau diese Listen abgesehen.552 Eine exemplarische Aufschlüsselung der 309 Briefempfänger für das Jahr 1974 zeigt, dass 66 Mitglieder des Aktionskreises, 122 Empfänger im Bischöflichen Amt Magdeburg (BAM), 109 innerhalb der DDR und 12 Personen in der Bundesrepublik die Briefe erhalten haben.553 Eine noch detailliertere Empfängerliste aus dem Jahr 1977 lässt weitere Schlüsse zu. Zunächst kann für den Zeitraum, in dem diese Liste verbindlich war, und dieser dürfte sich wohl über das Jahr 1977 hinaus erstreckt haben, festgehalten werden, dass die AKH-Rundbriefe in alle ostdeutschen Bistümer und Jurisdiktionsgebiete verschickt wurden.554 Im Bischöflichen Amt Magdeburg erhielten nicht nur die 69 Mitglieder des AKH, sondern noch weitere 45 Laien und 43 Priester sowie die beiden Bischöfe den Rundbrief.555 DDR-weit erhielten weitere 37 Priester556, 41 Laien557 sowie Bischof Aufderbeck558 die Rundbriefe. In der Bundesrepublik gingen die AKH-Rundbriefe unter anderem an Hubertus Halbfas559 und Klemens Richter560 sowie an Empfänger in München, Dortmund, Münster, Essen, Bochum, Karlsruhe.561 Zwar wird man aus der Anzahl der Briefempfänger nicht leichthin weitere Sympathisanten extrapolieren können. Eher dürfte die in der DDR dauerhaft unbefriedigende Informationsversorgung für die Bestellung der AKH-Informationen mit ausschlaggebend gewesen sein. Dennoch ist festzuhalten, dass nicht nur verschiedene Professoren des Erfurter Theologisch-Philosophischen Studiums die Rundbriefe von Anfang an erhielten (H. Schürmann, W. Ernst, B. Löwenberg, L. Ullrich, G. Hentschel, K. Feiereis)562, sondern auch ein Kreis von Personen an innerkirchlichen Schlüsselpositionen (u.a. Dieter Grande, Dr. Werner Becker, Dr. Wolfgang Trilling, Gerhard Lange563). Der Grad der Verbreitung dieser für die ostdeutsche Kirche offensichtlich nicht unbedeutenden theologischen Informationsquelle ist daher wesentlich größer einzuschätzen, als es die regionale Verortung anhand des Namens und die innerkirchliche Stigmatisierung als „Nestbeschmutzer“ vermuten lässt.

      Ausgehend von den durch den Aktionskreis selbst überlieferten Anwesenheitslisten der Vollversammlungen ergibt sich eine durchschnittliche Teilnehmerzahl von ca. 45 Personen.564 Die 5. Vollversammlung 1971 wies mit 76 Teilnehmern die größte, die 16. Vollversammlung 1974 mit nur 21 Personen die geringste Beteiligung auf.565 Die akademische Herkunft der meisten Mitglieder und Sympathisanten wurde nur vereinzelt aufgebrochen.566 Detaillierte Informationen über die tatsächliche Mitgliederstärke des Aktionskreises sind nicht für den gesamten Zeitraum überliefert. Vermutlich ist hierfür die staatliche Observation durch das Ministerium für Staatssicherheit mitverantwortlich, konnten derartige Informationen doch leicht zu einem veritablen Sicherheitsrisiko avancieren. Anfang 1971 hatte der Aktionskreis insgesamt 72 eingeschriebene Mitarbeiter.567 In den darauffolgenden Jahren schwankte die Mitgliederzahl, sodass sie sich im Dezember 1974 auf 66568, im April 1975 auf 73569, im November 1975 auf 68570 und im Juli 1977 auf 69 Mitarbeiter571 belief. Ein exemplarischer Vergleich der Mitgliederzahlen und ihrer Verteilung auf Priester und Laien für die Jahre 1971, 1975 und 1978 zeigt, dass das Verhältnis zwischen Priestern und Laien zumindest in den 70er Jahren etwa 1 zu 2 betrug.572 Ab 1975 nahm zudem die Zahl der laisierten Priester deutlich zu. Aufgrund der vorhandenen Quellen lässt sich feststellen, dass die Mehrzahl der AKH-Mitarbeiter auf das Territorium zwischen Magdeburg, Halle und Leipzig verteilt war.573 Für Christen aus anderen Gebieten der DDR war der AKH nicht selten ein geistiger und geistlicher Rückzugsort.574 Die Anzahl der verbindlich eingeschriebenen Mitarbeiter des AKH dürfte ausgehend von den vereinzelten Werten durchschnittlich bei über 50 gelegen haben. Allerdings ergibt sich im Vergleich zu den durchschnittlich 45 Teilnehmern der Vollversammlungen, diese setzten sich allerdings sowohl aus Mitarbeitern als auch aus Sympathisanten zusammen575, dass es eher ein kleinerer Kreis von eingeschriebenen Mitarbeitern war, der zusammen mit dem Sprecherkreis zum engeren Zirkel der Gruppe gehörte, regelmäßig an Veranstaltungen des Kreises teilnahm und die Arbeit des Aktionskreises entscheidend mit- und vorantrug.

      Dieser Gruppe angehörig waren vor allem die vom AKH selbst als „Gründungsväter“576 bezeichneten fünf Priester Heribert Kamper577, Helmut Langos578, Adolf Brockhoff, Dr. Claus Herold und Willi Verstege.579 Die Bezeichnung als „Väter“ ist für das Verständnis der Gruppendynamik relevant, bedenkt man, dass diese Generation kriegsbedingt häufig ohne leibliche Väter aufwuchs. Diese fünf Männer, freundschaftlich untereinander verbunden, waren ursprünglich Paderborner Priester, СКАЧАТЬ