Der Aktionskreis Halle. Sebastian Holzbrecher
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СКАЧАТЬ Friedensdiskussion in den 1970er und 1980er Jahren sowie schließlich die ökumenische Situation in der DDR (1974-1989). Als gesellschaftsrelevante Problemfelder fokussierte der Aktionskreis Halle vor allem auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Kommunismus und Sozialismus sowie auf die Frage nach dem gesellschaftlichen Engagement der Kirche (1973), was ihn nicht zufällig in Opposition zum bischöflichen Kurs der „politischen Abstinenz“ unter Kardinal Bengsch brachte. In den 1980er Jahren konzentrierte er sich offensiv auf die Problematik der zunehmenden Abwanderung aus der DDR (1984) und auf die sich ausbreitende Frage nach der Ökologie und den ethischen Implikationen. Als explizit theologische Fragestellungen widmete sich die Hallenser Gruppe vor allem und wiederkehrend der Gemeindetheologie (1971/74/76) und dem Verhältnis von Amt und Gemeinde (1977/78). Als eher randständig ist die Beschäftigung mit der Feministischen und Schwarzen Theologie (1982) zu bezeichnen, wohingegen eine Auseinandersetzung mit dem gesellschaftlichen Engagement der Kirche in der DDR 1973 mit einem deutlichen Interessenzuwachs an der von Lateinamerika ausgehenden Befreiungstheologie korrespondierte. Während sich spirituelle Anleihen in den Rundbriefen kaum finden, sind liturgische Überlegungen hinsichtlich der kirchlichen Bußfeiern wesentlich stärker ausgeprägt.

      Grundsätzlich betrachtet lässt sich eine Dominanz innerkirchlicher Inhalte konstatieren, wenngleich es durchaus zu temporär unterschiedlichen Akzentsetzungen und zur Vermischung kirchlicher und gesellschaftlicher Themen kam. Im Vergleich zu den Fragen und Themen bundesdeutscher Gruppen wird zumindest in den 1970er Jahren eine teilweise Parallelität der Auseinandersetzungen deutlich, sodass es durchaus gerechtfertigt erscheint, von einem Ost-West-Thementransfer zu sprechen.670 Wichtig ist allerdings darauf hinzuweisen, dass es der AKH nicht bei der bloßen Informierung durch die Rundbriefe beließ. In eigenen Stellungnahmen, die auf den AKH-Vollversammlungen erarbeitet und demokratisch autorisiert wurden, bezog der Aktionskreis selbst Position und erhob Forderungen gegenüber den Bischöfen und der Kirche. Hier sind die Positionspapiere zur Bischofswahl und zur Mischehenregelung zu nennen. Innerhalb des Themenspektrums des Aktionskreises Halle stechen drei Themen sowohl quantitativ als auch qualitativ besonders hervor: die Dresdner Pastoralsynode, die ostdeutsche Friedensdiskussion und nicht zuletzt das Themenfeld Ökumene. Das Entscheidende dieser drei Themen ist die Verbindung von innerkirchlichen Reformanliegen und gesellschaftsorientierter Ausrichtung der katholischen Kirche in der DDR und wird daher eigens erörert.

      3.4Ablehnung, Ignoranz, Sympathie

      Der Aktionskreis Halle forderte durch seine zahlreichen Stellungnahmen und Kommentare ganz bewusst zur kritischen Auseinandersetzung heraus. Er provozierte planvoll, um einen innerkirchlichen Dialog- und Reformprozess zu initiieren. Für den ostdeutschen Katholizismus war die Schärfe und Offenheit mancher Positionen ungewohnt. Sie evozierten daher nicht nur Interesse und Aufmerksamkeit, sondern auch Kritik und zum Teil schroffe Ablehnung. Die innerkirchliche Beurteilung des AKH weist dementsprechend ein breites Spektrum auf und lässt sich in verschiedene Phasen, Ebenen und Richtungen unterscheiden. Sowohl Priester und Laien aus der DDR und der Bundesrepublik als auch ost- und westdeutsche Bischöfe und nicht zuletzt Professoren des Philosophisch-Theologischen Studiums in Erfurt haben das Wirken des Aktionskreises teils kritisch, teils wohlwollend begleitet und kommentiert. Der Aktionskreis Halle wurde besonders aufgrund der Ereignisse und Entwicklungen um die Nachfolgeregelung von Weihbischof Rintelen in den Jahren 1969/70 betrachtet und von hier aus überwiegend kritisch bewertet. Erst in den 1980er Jahren orientierte sich die Einordnung des Kreises mehr am Inhalt seiner Erklärungen und an den Motiven der hier versammelten Christen.671

      Hatte es die Protestbewegung im Juli 1969 noch vermocht, weite Teile des Magdeburger Klerus und zahlreiche Gemeinden für eine Solidarisierung mit Friedrich Maria Rintelen zu mobilisieren, entfaltete sich bereits kurze Zeit später erhebliche Kritik, die die ersten Jahre anhalten und prägen sollte. Besonders nach dem Brief von Willi Verstege vom 3. Dezember 1969 wuchs die innerkirchliche Ablehnung.672 Bis dahin schien sich die Protestaktion noch weitgehend im Rahmen üblicher Parteibildungen abgespielt zu haben.673 Doch in jenem Dezemberbrief hatte die Gruppe zu einer erneuten Versammlung eingeladen und sich zu der apodiktischen und höchst missverständlichen Feststellung hinreißen lassen: „Gespräch oder Spaltung, das ist die Alternative.“674 Der Brief provozierte eine Flut von Protestschreiben von Priestern und von Laien, deren Inhalt an Schärfe kaum zu überbieten war. Sie spiegelten auch die Tiefe der Auseinandersetzung wider: „Auf das schärfste (sic!) protestiere ich gegen Inhalt, Geist und Intention des oben genannten Schreibens, das geeignet ist, die Autorität unseres H.H. Weihbischofs zu untergraben, die Atmosphäre im Klerus zu vergiften, unter unseren Gläubigen schwere Verwirrung zu stiften und großes Ärgernis zu erregen sowie dem Ruf und Ansehen unseres Kommissariates Magdeburg beträchtlichen Schaden zuzufügen....“675 In weiteren Briefen wurde am „priesterlichen Geist“676 sowie am grundsätzlichen Sinn und Erfolg derartiger Protest- und Dialogaktionen677 und schließlich an den hehren Zielen der Protagonisten gezweifelt, denen man „Revolte“678 gegen den Bischof vorwarf. Moderatere Stimmen bemühten sich vergeblich um eine Beruhigung der Fronten.679 Schnell kristallisierte sich in verschiedenen Repliken die Meinung heraus, es handle sich nur um die Position einer nichtrepräsentativen Minderheit.680 Eine Antwort auf Willi Versteges Brief argumentierte sogar mit Zitaten des II. Vatikanums, um die Illegitimität des Verhaltens der Priester aufzuzeigen.681 Die dabei angeführten Verweise auf das Verhältnis von Priestern und Bischöfen rekurrierten zwar vorwiegend auf tradierte Gehorsamsvorstellungen, zeigen aber zugleich, dass man mit jeweils unterschiedlichen Intentionen an die Texte des Konzils heranging und sie für legitimierende Interessen einzusetzen versuchte. Der „offene Brief an Prälat Braun“ vom 1. März 1970 und die Veröffentlichung des sogenannten „Jägerbriefes“ durch Willi Verstege verschärften die ohnehin angeheizte Situation noch zusätzlich. Die sich daraus ergebenden Reaktionen waren von unterschiedlicher Art: Empörung und tiefe Trauer“682, Unverständnis683 und Ablehnung684, bis hin zur existentiellen Kritik685.

      Nach zwei Jahren Arbeit schien der Aktionskreis ein gutes Stück des noch verbliebenen Vertrauensvorschusses eingebüßt und manche in ihn gesetzten Hoffnungen enttäuscht zu haben.686 Das Ergebnis war ein veritabler Mitgliederverlust im Jahr 1971. Der entscheidende Grund schien die teils heftig umstrittene Solidarisierung des AKH mit dem von Bischof Braun suspendierten Pfarrer Adolf Brockhoff gewesen zu sein. Der Hallenser Pfarrer Wolfgang Simon und ehemalige Vorsitzende des Magdeburger Priesterrates schrieb 1971 einen Brief an den AKH, der für bestimmte kirchliche Kreise im Kommissariat Magdeburg paradigmatisch für die Bewertung und Einschätzung dieser Reformgruppe ist. „Obgleich ich den AKH seit seinem Bestehen für eine Art Reservelazarett halte und der Meinung bin, mit Schwerverwundeten könne man keinen Krieg führen, auch wenn noch so tüchtige und fanatisch für den Endsieg der guten Sache glaubende BDM-Führerinnen aufopferungsvolle Schwesterndienste versehen, bin ich von der gerade für das Kommissariat Magdeburg lebenswichtigen Funktion einer solchen Gruppe überzeugt. Mit ‚Verfassung’ und Zielsetzung des AKH muss ich mich vorbehaltlos identifizieren.“ Obwohl Simon den Zielen des AKH zustimmen konnte und selbst eine feste Mitarbeit erwog687, erwuchsen für ihn erhebliche Konflikte aus der Art und Weise, wie sich eine von ihm als „Regierungspartei“688 bezeichnete Gruppe innerhalb des AKH für die uneingeschränkte Solidarisierung mit Adolf Brockhoff eingesetzt hatte: „Aber nun kommt das Problem mit der ‚Regierungspartei‘, die der Idee die Realisierung ermöglicht…Wie Claus Herold weiß, fürchtete ich, dass die Brockhoffaffäre zu einer gefährlichen Krise des AKH führen müsse, da eine Solidarisierung programmgemäß erfolgen musste, aber nicht möglich war, solange Adolf die entscheidende Information verweigert. Ich fürchtete, es könnte zur Spaltung, wenn nicht zur Auflösung kommen…Der Verlauf der Versammlung zeigte mir jedoch bald, dass ich die Situation völlig falsch eingeschätzt hatte, d.h. trotz der Übereinstimmung mit der Grundsatzerklärung von einem sentire cum AKH überhaupt keine Rede sein kann.“689 Daher sah sich Pfarrer Simon gezwungen seine „Beziehungen zum AKH abzubrechen und auch in Zukunft auf deren Rundbriefe zu verzichten.“690 Die von außen als uneingeschränkte Solidarisierung СКАЧАТЬ