Название: Der Aktionskreis Halle
Автор: Sebastian Holzbrecher
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Erfurter Theologische Studien
isbn: 9783429061265
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Der Merseburger Pfarrer Helmut Langos geriet 1968 in Konflikt mit Weihbischof Rintelen, da er in einem katholischen Eheseminar in Eisleben „die verschiedensten empfängnisverhütenden Methoden bei entsprechend vorliegenden Gründen für eine Geburtenregelung für sittlich erlaubt erklärt“580 hatte. Der Weihbischof verbot, noch bevor die Enzyklika Humanae vitae am 25. Juli veröffentlicht wurde eine solche Aussage in einem katholischen Eheseminar.581 Eng mit Pfarrer Langos verbunden war Wilhelm Verstege.582 Auch er ging nach der Priesterweihe 1952 freiwillig in den Ost-Teil des Erzbistums Paderborn und wurde 1960 Pfarrvikar in der Nienburger Gemeinde St. Nikolaus.583 Weihbischof Rintelen äußerte sich 1965 gegenüber Erzbischof Jaeger zu seinem Pfarrvikar: „Ganz besonders schön war die Firmungsfeier in der herrlichen Schlosskirche zu Nienburg. Herr Pfarrvikar Verstege hat zudem ein großartiges Pfarrhaus gebaut, und zwar natürlich zur Straße hin. Hinter dem Hof ist ein ganz moderner, großer Gemeindesaal entstanden, und in dem Seiten-Grundstück hat er Räume für Kleinkinder und größere Kinder, in denen es immer von Jugend wimmelt. Die größere Gemeinde Nienburg (ringsum sind große industrielle Werke entstanden) könnte ohne weiteres Pfarrei werden, aber Verstege hat noch kein Pfarrexamen gemacht. Er ist ein Seelsorger, wie man ihn nicht besser wünschen kann, verklüngelt aber leider Etat und Kirchenrechnung und hat ebenso eine rechtzeitige Ablegung des Pfarrexamens verklüngelt.“584 53 Jahre lange wirkte Willi Verstege als Priester in Nienburg und setzte sich für die katholische Gemeinde und besonders die Jugend, seine Familie, die evangelische Gemeinde und Schlosskirche sowie den AKH ein. Hier wurden die Rundbriefe des Aktionskreises kopiert und mit der Post versendet. Unter seiner Ägide wurden zudem jene vom Konzil her formulierten Ansprüche im Hinblick auf Ökumene, Glaubwürdigkeit der Verkündigung und geschwisterliches Miteinander des priesterlichen Volkes Gottes eingeübt und über Jahrzehnte praktiziert. Nach dem Tod der anderen Gründungsväter wurde Willi Verstege zu einem spirituellen und geistlichen Mittelpunkt des AKH. Seine persönliche Integrität und die Glaubwürdigkeit seiner Verkündigung sind weit über die Nienburger Gemeinden und den Aktionskreis Halle hinaus geschätzt worden.
Claus Herold war ein sehr stark von Hugo Aufderbeck und dessen pastoralem Ansatz geprägter Seelsorger, der von Friedrich Maria Rintelen 1929 getauft und 1955 zum Priester geweiht, ein gutes Verhältnis zu den Erfurter und Magdeburger Weihbischöfen sowie zum Paderborner Kardinal Jaeger pflegte.585 Nach den Kaplansjahren wirkte er von 1961 bis 1968 zusammen mit Joachim Garstecki, der ab der zweiten Hälfte der 70er Jahre zu einem entscheidenden Vordenker des AKH werden sollte, als Diözesanjugendseelsorger in Magdeburg sowie als Leiter der AG Jugendseelsorge der BOK.586 Ein Konflikt auf höchster Ebene bahnte sich bereits 1966 an und brach vollends in den beiden darauffolgenden Jahren zwischen Claus Herold und Kardinal Bengsch aus.587 Herold hatte 1967 in seiner Eigenschaft als Leiter der bischöflichen Arbeitsgemeinschaft Jugendseelsorge einen kritischen Jahresbericht über die Situation der Kirche in der DDR für die Hauptversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) gegeben und darin massiv Kritik am „Berliner Zentralismus“, dem „Dirigismus von oben“ und an einem „Einheitsdenken der Kirche“ geübt, das totalitäre Züge aufweise.588 Es waren letztlich nicht nur persönliche Zerwürfnisse589 zwischen Claus Herold und Alfred Bengsch, die den Vorsitzenden der Berliner Ordinarienkonferenz 1968 dazu veranlassten, Herolds Wirken als Sprecher der AG Diözesanjugendseelsorger zu sistieren.590 Vor allem die Sorge um den Verlust der kirchlichen Einheit als Garant des Schutzes vor staatlichen Infiltrations- und Destruktionsversuchen dürfte hierbei ausschlaggebend gewesen sein.591 Im Dezember 1969 hatte Weihbischof Rintelen, mitten in den Wirren um seine Nachfolge, Pfarrer Herold vorübergehend die „pfarrlichen Amtsbefugnisse“ für die Pfarrei Heilig Kreuz in Halle entzogen, weil er einer ökumenischen Trauung assistiert, mit dem evangelischen Pfarrer Günter Loske konzelebriert und dem evangelischen Bräutigam die Kommunion gereicht hatte.592 Trotz dieser Entwicklungen nahm Claus Herold, der 1978 in evangelischer Theologie mit einer kirchengeschichtlichen Arbeit über die Entstehung der Hallenser katholischen Kirchgemeinde promoviert593 und zum Dechanten des Dekanates Halle-Merseburg ernannt wurde, im Aktionskreis eher die Rolle eines Vermittlers und Strategen ein, der den Kontakt zu höheren kirchlichen Stellen nie abreißen ließ.
Adolf Brockhoff war wohl eine der schillerndsten und umstrittensten Figuren der DDR-Kirche sowie des frühen Aktionskreises Halle. Für viele Studenten der Hallenser KSG und des Sprachenkurses war er eine Vaterfigur mit „Knochen im Schnurrbart“594. Durch seine charismatische Art begeisterte er ebenso stark, wie sein zuweilen apodiktisches Vorgehen polarisierte. Im AKH übernahm er die Rolle des progressiven Vordenkers. Nicht wenigen galt er als umstrittener Prophet. Adolf Brokchoff dürfte zu den wenigen ostdeutschen Theologen gehört haben, die Alfred Kardinal Bengsch auf intellektueller und rhetorischer Augenhöhe begegneten. Eine sich in den Quellen andeutende geistige Verwandtschaft beider endete wohl mit Bengschs Ernennung zum Berliner Weihbischof. Brockhoff hatte als kaum Zwanzigjähriger den Zweiten Weltkrieg als Soldat der Wehrmacht erlebt und war 1945 aus russischer Kriegsgefangenschaft geflohen.595 Nach dem Studium der Theologie in München und Paderborn wurde er am 25. März 1950 in Paderborn zum Priester geweiht und trat bereits am 18. April 1950 eine Vikariatsstelle in Merseburg an.596 Damit reihte er sich in die Gruppe jener Priester ein, die von Lorenz Kardinal Jaeger in die DDR geschickt worden waren. Er nahm diese Sendung als Berufung wahr und blieb wie einige andere auch im SED-Staat auch über die Vikariatszeit hinaus.597 Nach einer kurzen Tätigkeit in Dölau wurde er am 12. Oktober 1953 zum „Studentenseelsorger mit dem Titel ‘Studentenpfarrer‘ in Halle/Saale berufen.“598 Bis 1967 leitete er daraufhin sowohl die Thomas-Morus-Studentengemeinde als auch den Hallenser Sprachenkurs im von ihm errichteten Haus im Mühlweg 18.599 Diese Verbindung von Studentengemeinde und Sprachenkurs, von Hugo Aufderbeck und Adolf Brockhoff zusammen erdacht, wurde als „Hallenser Experiment“600 bezeichnet, weil der vielfach gelungene Versuch, zukünftige Priesteramtskandidaten nicht von der Welt abgeschottet zu erziehen, ein Novum darstellte.601 Die ostdeutschen Bischöfe hatten 1965, ohne Pfarrer Brockhoff davon vorher in Kenntnis zu setzen, dem Sprachenkurs einen Präfekten gegeben und damit das Ende der Leitungstätigkeit von Adolf Brockhoff eingeleitet. Über die tatsächlichen Hintergründe dieser Personalpolitik ist bislang noch wenig bekannt. Den mit der Entfernung aus diesem Amt verbundenen Vertrauensbruch zwischen Brockhoff und den ostdeutschen Ordinarien hat er zeitlebens nicht überwunden.602 Ob eine von Kardinal Jaeger im September 1966 erwogene Ernennung Brockhoffs zum Geistlichen Rat mit seiner bevorstehenden Entlassung in Zusammenhang steht, ist unklar.603 Weihbischof Rintelen kommentierte die Pläne des Kardinals kritisch. 1967 hatte sich Adolf Brockhoff für ein Jahr bei vollem Gehalt beurlauben lassen, um sich wissenschaftlich weiterbilden zu können, da „seine Fähigkeiten nur noch zum Journalismus reichten“ und er „durch ein Jahr Ruhe auch menschlich wieder zu sich finden müsse.“604 Über weitere Hintergründe dieser Auszeit machte er keine Angaben.605 Für Rintelen stand nicht nur deshalb fest, dass Brockhoff „ein Nonkonformist ist und bleibt.“606 Gegenüber Kardinal Jaeger erklärte Rintelen:„Ich bin überzeugt, dass Brockhoff, wenn Du ihn etwa zum Geistlichen Rat ernennen würdest, in ein homerisches Gelächter ausbrechen würde. Es geht aber auch sonst nicht, dass Du Brockhoff eine besondere Ehrung zukommen lässt. Zwei Geistliche haben bei mir schon ihre Empörung geäußert, dass ich Brockhoff bei vollem Gehalt für ein Jahr beurlaubt hätte. Man brauche in der Kirche nur entsprechend frech zu sein und sich querzustellen, dann erhalte man alles. Sie würden auch demnächst kommen und ein Jahr Urlaub СКАЧАТЬ