Der Aktionskreis Halle. Sebastian Holzbrecher
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СКАЧАТЬ werden. Zwar kannten sich die zentralen Protagonisten eines „kritischen Katholizismus“ in der DDR.629 Der AKH hatte Verbindungen zu Karl Herbst630, dem Maximilian-Kolbe-Kreis631 und zu den Leipziger Oratorianern. Dr. Wolfgang Trilling, der dem Kurs der Berliner Ordinarien- und Bischofskonferenz ebenfalls distanziert gegenüberstand, hat eine Kooperation mit dem AKH allerdings nie favorisiert. Der AKH veröffentlichte zwar gelegentlich seine Aufsätze oder Stellungnahmen.632 Auch trat Trilling in den 80er Jahren als Referent auf einer AKH-Vollversammlung zum Thema „Überlegungen zum gegenwärtigen Stand der Ökumene“633 auf. Doch letztlich unterschieden sich die Oratorianer durch ihre enge Bindung an die Ortsgemeinden von dem stärker akademisch geprägten, jenseits von Gemeindestrukturen agierenden AKH. Bemerkenswert ist dennoch, dass beide auf das Bild von Jona im Bauch des Fisches rekurrierten, wenn sie die kirchliche Situation in der DDR beschrieben.634 Damit setzten sich der AKH und Trilling von der Metapher des Berliner Kardinals ab, der seinerseits auf Daniel in der Löwengrube rekurrierte, um Christsein in der DDR zu beschreiben.635 Zu Hans Donat in Erfurt bestanden eher informelle Kontakte.636 Zum Herausgeberkreis der sog. progressiven katholischen Zeitschrift „Begegnung“ gab es nur phasenweise Kontakte einzelner637; Gleiches gilt für Verbindungen des AKH zur Ost-CDU. Eine Kooperation mit staatsgelenkten Gruppen in der DDR hat es nach Ausweis der Quellen nie gegeben.

      3.3Themen, Stellungnahmen, Positionen

      Ein Großteil der historisch verifizierbaren Arbeit des AKH hat sich in den Vollversammlungen und Rundbriefen vollzogen. Ausgehend von der Struktur und Organisation des Kreises ist jedoch darauf zu verweisen, dass die thematische Orientierung vorwiegend von Impulsen des AKH-Sprecherkreises getragen war.

      Die anfangs vierteljährlich abgehaltenen Vollversammlungen des Aktionskreises fanden in den Räumen der KSG Halle, den Pfarreien Heilig Kreuz und St. Marien in Halle Silberhöhe638 sowie vereinzelt in Häusern der evangelischen Kirchen639 statt. Nach der „Denkpause“ 1978 fand sich der Aktionskreis nur noch zweimal jährlich zu einer Frühjahrs- und einer Herbstvollversammlung zusammen. Als regelmäßiger Treffpunkt Gleichgesinnter, offenes Diskussionsforum, Anlaufstelle für Interessierte und Kirchenkritiker, Bezugspunkt der Arbeitsgruppen und beschlussfassendes Organ stellten die Vollversammlungen nicht nur ein strukturelles und inhaltliches Kernelement des AKH dar. Sie waren zugleich Refugien einer erlebten Freiheit, die man in Staat und Kirche einforderte. Die mehr als 50 Vollversammlungen bis 1989 dienten im ostdeutschen Diasporakatholizismus daher nicht zuletzt der persönlichen Kommunikation und Vernetzung von Mitarbeitern und Sympathisanten. Die Veranstaltungen fanden stets an Wochenenden statt und dauerten zumeist von Freitagabend bis Samstagnachmittag. Eingeleitet durch einen Gottesdienst am Samstagmorgen, wechselten sich Vortragseinheiten von AKH-internen oder externen Referenten mit Sitzungen von Arbeitsgruppen und Diskussionsgruppen ab. Die Vollversammlungen wurden entweder mit dem Beschluss von Erklärungen oder konkreten Arbeitsanweisungen für den Sprecherkreis beendet. Seit 1975 wurde der Freitagabend gelegentlich für eine interne Mitgliederversammlung ohne Gäste genutzt, um die Ausrichtung und weitere Arbeit des Kreises zu besprechen.640

      Eine zweite Säule der Tätigkeit des AK Halle stellte der regelmäßige Versand der eigenen Rundbriefe dar.641 In der bundesdeutschen Kirche existierte durch die Vielzahl der Solidaritäts- und Priestergruppen ein breites Spektrum derartiger Publikationsorgane.642 Der Rundbrief des AKH war, nachdem der Evangelisch-Katholische Briefkreis von Karl Herbst und Günter Loske 1971 die Arbeit auf bischöfliches Drängen hin einstellen musste643, die einzige aus privater Initiative hervorgehende und überregional versandte katholische Publikation in der DDR. Neben dem von der BOK/ BBK im Auftrag herausgegebenen „Theologischen Bulletin“ (1968-1990)644 und dem „Theologischen Jahrbuch“ stellte er eine nicht unbedeutende Möglichkeit dar, auch an kirchenkritische Beiträge und Informationen zu gelangen. Vor allem die Veröffentlichung von Aufsätzen und Positionen bundesdeutscher Autoren und Gruppierungen, u.a. von Heinrich Böll645, Walter Dirks646, Erich Fromm647, Helmut Gollwitzer648, Norbert Greinacher649, Hubertus Halbfas650, Wolfgang Huber651, Hans Küng652, Johann Baptist Metz653, Jürgen Moltmann654, Karl Rahner655, Dorothee Sölle656, Luise Schottroff657 sowie von den Zeitschriften Imprimatur658 und Publik Forum659, ließen den AKH-Rundbrief zu einem weit verbreiteten und zugleich kritischen Informationsträger für den seit 1961 eingemauerten ostdeutschen Katholizismus avancieren. Die Informationssendungen hatten es sich auch zur Aufgabe gemacht, Themen und Berichte aufzunehmen, die auf anderem Weg nicht in der DDR publiziert wurden, so zum Beispiel die Kölner Erklärung von 1989.660 Die überwiegend aus bundesdeutschen Zeitschriften („Concilium“, „Diakonia“ und der „Herder-Korrespondenz“) übernommenen Artikel und Berichte waren dem kirchenkritischen Grundtenor des AK Halle verpflichtet und unterschieden sich daher von der offiziellen Kirchenpresse in der DDR.661 Unter Nutzung einer rechtlichen Grauzone - lediglich der Druck und Versand sogenannter interner Unterlagen war in der DDR von der strikten und eng limitierten Druckverordnung ausgenommen - verschickte der Aktionskreis seine Rundbriefe mit dem Vermerk „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“. Über das allgemeine Informationsinteresse hinaus verfolgte der Sprecherkreis mit dem Versand der Briefe noch weitere Motive. Die Sendungen waren mitunter als „Ferienlektüre“662 angelegt oder sollten eine „bescheidene Weihnachtsgabe auf dem Postweg zustellen“663. Als entscheidenden Beweggrund betonte der Sprecherkreis mehrfach, dass er mit den Briefen die Absicht verfolge, „eine Plattform zu legen für die Beiträge und Gespräche auf“664 den Vollversammlungen. Er bat deshalb die Empfänger: „Lesen Sie diese Texte zur Vorbereitung auf diese Zusammenkunft, diskutieren Sie sie mit anderen Christen in Ihrer Gemeinde und in Gesprächskreisen. Und: Bringen Sie bitte Erfahrungen, Erlebnisse und Ergebnisse eigener Bemühungen nach Halle mit, damit wir sie dort untereinander austauschen können.“665 Als ostdeutsches Spezifikum gilt zu beachten, dass die ständige Papierknappheit und die äußerst geringe Versorgung mit Kopiergeräten die Erstellung dieser Publikationsorgane in nicht unerheblichem Maß beeinflusste. Dem Sprecherkreis oblag es daher nicht nur die für die Erstellung der Rundbriefe notwendigen Kopiermaterialien aus Westdeutschland zu organisieren.666 Auch die aufwendige mechanische Herstellung der Informationssendungen fiel in seinen Aufgabenbereich. Die zu veröffentlichenden Artikel und Informationen mussten recherchiert und aus den überwiegend bundesdeutschen Quellen auf einer Schreibmaschine abgetippt werden, um anschließend im Nienburger Pfarrhaus mittels einer „Ormig-Vervielfältigung“667 aufwendig per Hand kopiert zu werden. Zum Schutz der Kopier-Maschine vor geheimpolizeilichen Konfiszierungen wurde der Apparat unter dem Altar, versteckt durch das Altartuch, aufbewahrt. Bei einem Umfang von durchschnittlich circa 15 Seiten pro Rundbrief, einer Auflage von 350 bis 500 Exemplaren und einer Frequenz von durchschnittlich fünf Sendungen pro Jahr stellte die freiwillige und unentgeltliche Bereitstellung dieser Informationsquelle eine enorme Leistung dar.668

      Die Themenvielfalt der bis 1989 insgesamt mehr als 110 AKH-Rundbriefe ist für das vergleichsweise kleine Redaktionsgremium beachtenswert. Der Sprecherkreis und das Redaktionsgremium rezipierten nationale und internationale kirchliche, theologische, gesellschaftliche und politische Entwicklungen und setzten sich mit den sich daraus ergebenden Sachfragen und Streitfällen kritisch und konstruktiv im Sinne der Grundsatzerklärung auseinander. Ihre vollständige Darstellung würde bei Weitem den Rahmen dieser Analyse sprengen. Systematisiert man die über 200 Artikel und Beiträge der Rundbriefe nach inhaltlichen Kategorien, lassen sich vier Hauptgruppen unterscheiden: gesamtkirchliche Themen, kirchliche Fragen und Konflikte in Ostdeutschland, gesellschaftliche Problemfelder und theologische Auseinandersetzungen.669 Als Themen mit gesamtkirchlichem Horizont widmete man sich der „Mischehenregelung“ (1970), der Frage nach einem „Grundgesetz der Kirche“ (1971) sowie der römischen Auseinandersetzung mit dem Fall Hans Küng (1980). Kirchliche Fragen und Konflikte, die konkret auf die ostdeutsche Situation Bezug nahmen, waren neben der Bischofsernennung (1970) die postkonziliare Etablierung der Rätestrukturen (1974), СКАЧАТЬ