In der Fremde glauben. Torsten W. Müller
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Название: In der Fremde glauben

Автор: Torsten W. Müller

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Erfurter Theologische Studien

isbn: 9783429061883

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СКАЧАТЬ dazu bei, daß wir selbst in diesem Haus noch menschenwürdig und als Christen leben können, aber wir können kein neues Stockwerk draufsetzen, da wir das Fundament für fehlerhaft halten. Das Menschenbild des Marxismus und seine Gesellschafts- und Wirtschaftsauffassung stimmt mit dem Bild, das wir haben, nicht überein. Dieses Haus bleibt uns ein fremdes Haus. Wir leben nicht nur kirchlich in der Diaspora, sondern auch staatlich.“ G. Lange u.a. (Hg.), Katholische Kirche - Sozialistischer Staat DDR. Dokumente und öffentliche Äußerungen 1945-1990, Leipzig 21993, 101-103. – Spülbeck ging von der Tatsache einer katholischen Kirche in einem totalitären Staat aus: „Gott hat die Kirche hier gewollt. […] Hier ist der Ort unserer Bewährung.“ Zitiert nach M. Höllen, Loyale Distanz? Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR. Ein historischer Überblick in Dokumenten. Bd. 2 (1956-1965), Berlin 1997, 252.

      88Vgl. J. Pilvousek, „Innenansichten“, 1140f. Zuletzt J. Pilvousek, Von der "Flüchtlingskirche" zur katholischen Kirche in der DDR. Historische Anmerkungen zur Entstehung eines mitteldeutschen Katholizismus, in: J. Manemann / W. Schreer (Hg.), Religion und Migration heute. Perspektiven-Positionen-Projekte (Quellen und Studien zur Geschichte und Kunst im Bistum Hildesheim 6), Regensburg 2012, 170-186, hier 179-181.

      89Vgl. W. Trilling, Der Weg der katholischen Kirche in der DDR, in: Theologisches Jahrbuch 1991, Leipzig 1992, 249-258, hier 251-253.

      90Vgl. Ebd.

      91Der Trilling’schen Periodisierung schließen sich an: K. Richter, Katholische Kirche in der DDR. Wandel kirchlicher Strukturen unter den Bedingungen sozialistischer Gesellschaft, in: Jahrbuch für christliche Sozialwissenschaften 13 (1972) 215-245. "Provisorium". Materialsammlung zu 40 Jahre Wandel in der römisch-katholischen Kirche in der DDR, in: Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim 41 (1990) 22-24.

      92A. Kossert, Kalte Heimat, 229.

      93M. Hirschfeld, Vertriebene Katholiken in Niedersachsen. Konfessionelle Identität in einem mehrheitlich evangelischen Umfeld, in: U. Rieske (Hg.), Migration und Konfession. Konfessionelle Identitäten in der Flüchtlingsbewegung nach 1945 (Die Lutherische Kirche - Geschichte und Gestalten 27), Gütersloh 2010, 325-342, hier 327.

      94So M. Schwartz, Vertriebene, 1127.

      95Vgl. R. Bendel, Aufbruch aus dem Glauben? Katholische Heimatvertriebene in den gesellschaftlichen Transformationsprozessen der Nachkriegsjahre 1945-1965 (Forschungen und Quellen zur Kirchen- und Kulturgeschichte Ostdeutschlands 34), Köln-Weimar-Wien 2003, 590.

      96Dr. theol. Josef Frings: geb. 1887 in Neuss, 1910 Priesterweihe in Köln, 1937 Regens des Priesterseminars, 1942-1969 Erzbischof von Köln, 1945-1965 Vorsitzender der Fuldaer Bischofskonferenz, 1946 Ernennung zum Kardinal, 1948 Protektor für die Flüchtlingsfragen, 1969 Resignation, gest. 1978 in Köln. Vgl. E. Hegel, Frings, Josef, in: Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2001. Ein biographisches Lexikon, Berlin 2002, 287-290.

      A) HISTORISCHE UND PASTORALE VORAUSSETZUNGEN

      Im Nachkriegsdeutschland – einer Zeit des totalen Zusammenbruchs, eines allgemeinen Verwaltungschaos’ und einer über allem lastenden Ungewissheit – erlangte die katholische Kirche außerordentliche Bedeutung.1 Sie war neben der Besatzungsmacht ein wichtiger Ordnungsfaktor der Nachkriegszeit und hatte den nationalsozialistischen Totalitätsansprüchen weitgehend widerstanden.2

      Die katholische Kirche verfügte über ein nahezu intaktes Organisationsgefüge und eine personelle Kontinuität von hauptamtlichen Mitarbeitern. In der „Zusammenbruchsgesellschaft“3 erreichte der Klerus als Träger von Tradition, Sinndeutung und Kontinuität eine große öffentliche Resonanz.4 Für Thüringen muss an erster Stelle der Erfurter Dompropst und spätere Weihbischof Dr. Joseph Freusberg5 genannt werden, der seit 1916 in Erfurt lebte und weithin geschätzt war.6 Weiterhin existierte im Obereichsfeld und in der Rhön eine gut ausgebaute, dichte Personaldecke von Priestern und Ordensleuten. Dem Heiligenstädter Bischöflichen Kommissarius Propst Josef Streb7, dem höchsten katholischen Würdenträger des Eichsfeldes unterhalb der Bischofsebene, waren in der Nachkriegszeit sogar einige Kompetenzen zugewachsen, die seine Bedeutung bei der Bevölkerung derart steigerten, dass das Eichsfeld-Kommissariat nach außen als quasiautonomer Kirchenbezirk erschien.8 In der Diaspora gab es in einigen wenigen größeren Orten katholische Priester. Insgesamt bestandenen bei Kriegsausbruch im Ostteil der Diözese Fulda 127 Pfarreien und 19 Gottesdienststationen9, in denen die Gläubigen betreut wurden.10

      2 Von der „Abgewanderten-Seelsorge“ zur „Flüchtlings- oder Umsiedlerseelsorge“

      Während des Zweiten Weltkrieges rückten Migranten und Vertriebene stärker als bisher in den Fokus der seelsorglichen Betreuung der katholischen Kirche Thüringens. Es wurden in dieser Kriegszeit bereits Voraussetzungen und Grundlagen für den Aufbau einer Vertriebenenseelsorge im Ostteil der Diözese Fulda geschaffen. Wie sahen die Anfänge einer kirchlichen Verwaltung in Erfurt aus? Welche Personaldecke von hauptamtlichen Mitarbeitern wurde aufgebaut?

       2.1 Thüringen als Aufnahmegebiet von Evakuierten11

       Saarländer

      Bereits seit Kriegsbeginn „1939/40 wurde Thüringen aufgrund seiner geografischen Lage zum Evakuierungsgau für die Saarbevölkerung erklärt, da die NS-Führung dort den Einmarsch französischer Truppen infolge des Beistandspaktes mit Polen erwartete.“12 Bis 1941 wurden etwa 85.900 Saarländer in Thüringen untergebracht und auf Stadt- und Landkreise in diesem Gau verteilt. Aufgrund der kriegsbedingten Lage rechnete man im Gau Thüringen mit insgesamt 157.000 Saarländern und 57.000 Hamburgern.13

      Der größte Teil dieser Evakuierten war katholisch und bedurfte der seelsorglichen Betreuung. In den meisten Fällen kamen saarländische Priester mit ihren Gemeinden im Aufnahmegebiet an. In Erfurt richteten Dompropst Dr. Joseph Freusberg und ein Geistlicher aus dem Saargebiet eine „Suchhilfe für Grenzabwanderer“ ein, die über Zugezogene und deren Heimatgemeinden informierte.14 Caritative Hilfsmaßnahmen und die Koordinierung von Geistlichen lagen ebenfalls in den Händen Freusbergs.15

      Thüringen war damals in vier kirchliche Verwaltungsgebiete unterteilt: das Dekanat Weimar, das Geistliche Gericht Erfurt, das Bischöfliche Kommissariat Heiligenstadt und das Dekanat Geisa.16 Die meisten Katholiken lebten im Eichsfeld, dem Bereich des Kommissariates Heiligenstadt unter dem amtierenden Kommissarius Adolf Bolte17. Die Landeshauptstadt war damals noch Weimar, in der Dechant Wilhelm Breitung18 lebte und wirkte und als einer der herausragenden Geistlichen im Ostteil des Bistums galt. Dennoch scheint es, als habe sich der Fuldaer Bischof Johann Baptist Dietz19 1939 bewusst dafür entschieden, Erfurt sowie den Erfurter Propst und Direktor des Geistlichen Gerichts, Joseph Freusberg, in das Zentrum der Seelsorge an evakuierten Katholiken zu stellen. Die zentrale topografische Lage Erfurts sowie die zahlreichen kirchlichen Gebäude und geistlichen Einrichtungen dürften dieser Entscheidung zu Grunde gelegen haben. Ein weiteres Motiv könnte eine Rolle gespielt haben: Freusberg war durch sein Kirchenrechtsstudium in Rom sowie als Kaplan am Priesterkolleg S. Maria dell’Anima in ein bistumsübergreifendes Beziehungs-Netzwerk eingebunden, das angesichts der komplizierten Situation weitreichende Kontakte ermöglichte.20

      Die evakuierten Saarländer kehrten ab Sommer 1941 in СКАЧАТЬ