Название: In der Fremde glauben
Автор: Torsten W. Müller
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Erfurter Theologische Studien
isbn: 9783429061883
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Das Kölner Generalvikariat war über diese sich als eigenständig, zumeist der Verwaltung und Organisation widmenden Tätigkeit des Obmanns wenig erfreut. Am 28. Februar 1945 schrieb der Kölner Generalvikar an den Erfurter Dompropst Freusberg:
„Das Amt eines Obmannes war von uns gedacht nur als Zwischenstelle zwischen Ordinariat und Abgewanderten-Seelsorgern, soweit von ersterem allgemeine Anweisungen für letztere notwendig würden, so dass das Vorhandensein einer Zwischenstelle eine Erleichterung für das Ordinariat bedeuten würde. Wir sehen nicht gern, dass darüber hinaus das Amt des Obmannes sich zu einer Zentralstelle der Abgewanderten-Seelsorge auswächst und verselbständigt wird. Wir haben von Anfang an Wert darauf gelegt, dass die Abgewanderten-Seelsorge sich in die seelsorglichen Gegebenheiten der Aufnahme-Diözesen sorgfältig einfüge und nicht schließlich als eine Art Diözese innerhalb der Aufnahme-Diözesen in Erscheinung trete. In allen Aufnahmediözesen, in die wir Geistliche beurlaubt haben, mit Ausnahme von Fulda, wird nach Möglichkeit von einer Zentralisierung der Abgewanderten-Seelsorge neben der Diözesen-Organisation abgesehen. Auch für das Bistum Fulda wäre es uns erwünscht, wenn dem Obmann keine Aufgaben zugewiesen würden, die z.B. von den örtlich zuständigen Pfarrern geregelt werden könnten. Wir würden es begrüßen, wenn Herr Pfarrkurat Plettenberg in den Stand gesetzt würde, wenigstens einen kleinen Bezirk in der Abgewanderten-Seelsorge persönlich zu übernehmen.“112
Plettenberg hatte vor allem durch Aufgabe seiner Seelsorgetätigkeit, die alle seine Vorgänger als Obleute beibehalten hatten, und durch eine gewisse „Überorganisation“ der Obmannstätigkeit zum quasi eigenständigen Amt den Groll des Kölner Generalvikariats provoziert. Das Chaos der letzten Kriegstage hat vermutlich ernstere Konsequenzen verhindert. Plettenbergs pastoraler Stil jedenfalls, sich unkonventionell und teilweise im Gegensatz zu Weisungen kirchlicher Oberer in der Notsituation zu verhalten, sollte sich im Folgenden kaum ändern und hatte auch da Erfolg.
Die Kampfhandlungen zwischen der Wehrmacht und der 3. US-Armee um Thüringen wurden am 16. April 1945 eingestellt.113 Mit dem Stillstand der Bombardierung deutscher Städte und dem Kriegsende begann auch die Rückkehr der rheinischen Katholiken und ihrer Seelsorger. Angesichts der schwierigen pastoralen Lage und der Bitte an das Erzbistum Köln, vorerst die Priester in Mitteldeutschland zu belassen114, verfügte die Kölner Diözesanbehörde, dass keiner der Abgewanderten-Seelsorger seinen Posten ohne die Genehmigung des Generalvikariates Fulda verlassen solle.115
Ein Einsatz der Kölner Priester in Thüringen war – trotz der Heimkehr der rheinischen Katholiken und dem Wunsch der Geistlichen, diesen nachzufolgen – dringend erforderlich, da die Heimatvertriebenen nur wenige Seelsorger mit in die SBZ brachten. Die Mehrzahl der Priester zog es vor, sich in den Westzonen niederzulassen. Plettenberg berichtete im Dezember 1945:
„Tatsache ist, daß die meisten Westevakuierten die Bezirke verlassen haben. Andererseits sind viele Katholiken aus Schlesien und dem Sudetenland ohne Priester hier eingetroffen. Trotz meiner vielen Bemühungen sind kaum 20 Priester aus ostdeutschen Diözesen hier in Thüringen […] Ich darf wohl behaupten, daß alle Kölner Geistlichen zugleich heimkehren würden, wenn durch den Weggang nicht Tausende Gläubige ohne Hirten wären.“116
Am 1. Januar 1946 bildeten die 17 noch in Thüringen tätigen Kölner Priester die größte Gruppe der 51 Abgewandertenseelsorger dieses Gebietes, für die Plettenberg zuständig war. Weiterhin lebten in Thüringen Geistliche aus den Diözesen Aachen (1 Priester), Trier (4), Leitmeritz (11), Olmütz (1), Prag (2), Breslau (9), Königgrätz (3), Linz (1), Ermland (1) und Paderborn (1).117 Die Bezahlung der Geistlichen erfolgte durch das Ordinariat Fulda gemeinsam mit dem Erzbischöflichen Generalvikariat Köln.118
Der massenhafte Zuzug der Heimatvertriebenen bereitete der kirchlichen Behörde und der Pastoral ernstliche Schwierigkeiten, die sich durch die fortschreitende Teilung Deutschlands nach Kriegsende noch vermehrten. Die westliche Diözesanleitung und -verwaltung in Fulda war von ihrem östlichen Diözesananteil getrennt. Deshalb erteilte Bischof Dietz den vier Hauptgeistlichen der vier thüringischen Regionen bereits 1945 Sondervollmachten.119 Im Schreiben des Fuldaer Generalvikars Robert Günther120 an Dompropst Freusberg wird Plettenberg eigens erwähnt:
„Uns ist es leider unmöglich, zu deren [der Ostflüchtlinge] Pastorisierung Geistliche zu entsenden. Deshalb bitten und beauftragen wir Sie, mit Hilfe des Herrn Plettenberg durch mitgekommene Ostgeistliche die notwendigste Seelsorge zu organisieren und zu diesem Zweck auch, wenn es nötig sein sollte, Diözesangeistliche in Anspruch zu nehmen.“121
Joseph Plettenberg war bis zum Mai 1946 in Erfurt (SBZ) in der Abgewandertenseelsorge tätig. Er übersiedelte dann nach Paderborn (britische Besatzungszone), um dort als Generalsekretär des Bonifatiusvereins und als „Bischöflicher Kommissar für die Umsiedlerseelsorge im Bistum Fulda (russischer Anteil)“ die Seelsorge in Thüringen weiter zu unterstützen und um als weithin bekannter „Verbindungsmann“ zu agieren.122 Eine Einreisegenehmigung in die SBZ wurde ihm generöser als anderen Geistlichen gewährt.123 Sein Einsatz für Thüringen war beispiellos: So predigte er im Fuldaer Dom und in der dortigen Stadtpfarrkirche im Juni 1946 über die Flüchtlingsseelsorge und hielt in Fulda und Salmünster vor Fuldaer Diözesanpriestern – darunter auch Bischof Dietz und Generalvikar Günther – ein flammendes Referat über die Seelsorgsnot und den Priestermangel in Thüringen, was die Verantwortlichen dankbar annahmen und Hilfen für den Ostteil der Diözese anberaumten.124
Freusberg resümierte über die Arbeit Plettenbergs anerkennend:
„Als Bischöflicher Kommissar hat er seine Aufgabe mit großem Geschick gelöst. Das Zusammenarbeiten mit ihm war reibungslos und angenehm. Namentlich hat er es verstanden, sich in warmer confraterneller Art der evakuierten Priester anzunehmen, die seelisch oft selbst gedrückt waren und denen es teilweise sehr schwer wurde, sich in die veränderten Verhältnisse zu finden. […] Er war der rechte Mann für den schweren Posten.“125
Eine Rückversetzung Plettenbergs nach Erfurt wurde bereits 1947 erwogen, als der nach Flucht und Vertreibung in Erfurt untergekommene Breslauer Weihbischof Joseph Ferche126 im selben Jahr das Angebot des Kölner Erzbischofs annahm und zweiter Weihbischof des Erzbistums wurde.127 Somit war der einzige Weihbischof der SBZ neben den Bischöfen Konrad Kardinal von Preysing128, Heinrich Wienken129 und Petrus Legge130 nicht mehr in der mitteldeutschen Diaspora einsetzbar. Der Fuldaer Generalvikar Günther bat darum den Generalvorstand des Bonifatiusvereins um Zustimmung, dass Plettenberg in seinem ehemaligen Arbeitsfeld Erfurt wieder eingesetzt werde, „um dort nach Verleihung einer kirchlichen Auszeichnung – zur Erhöhung seines Ansehens bei den Andersgläubigen – an der Betreuung der zugewanderten Gläubigen und Geistlichen an führender Stelle zu arbeiten.“ Plettenberg genieße, so Günther, „in seltenem Masse“ das Vertrauen der Thüringer Geistlichen, und er habe Erfolge bei Verhandlungen mit staatlichen und kirchlichen Stellen erzielt. Außerdem befinde sich das kirchlich-religiöse Leben in Thüringen in einer folgeschweren Krise, weshalb man Plettenberg unbedingt benötige.131
Dennoch kam es nicht zu einer Übersiedlung Plettenbergs. Nach einem Besuch in Erfurt im Mai 1947 schrieb er an seinen Heimat-Erzbischof Kardinal Frings: „Nach eingehender Besprechung mit dem Hochwürdigsten Herrn Generalvikar von Thüringen, Dompropst Dr. Freusberg, kamen wir zu dem Ergebnis, dass im Augenblick aus inneren und äußeren Gründen, die ich brieflich kaum festlegen kann, eine Übersiedlung unklug wäre.“132 Vermutlich erschien ein Wirken Plettenbergs СКАЧАТЬ