.
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу - страница 8

Название:

Автор:

Издательство:

Жанр:

Серия:

isbn:

isbn:

СКАЧАТЬ ihrer Entfremdung gegenüber Jesus, ihrer inneren Verwandtschaft mit Judas. Das Johannesevangelium berichtet anschaulich, dass die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren (Joh 20,19). Damit schützen sie sich vor den Juden, liefern sich aber all den Empfindungen und Gefühlen aus, die die Ereignisse der letzten Stunden, Tage, Wochen in ihr Bewusstsein spülen. In deren Untergrund brodelt die Schlüsselfrage: Wer ist Jesus aus Nazareth in Bezug auf Gott wirklich und wie ist Gottes Reich zu verstehen?

      Halten wir ein wenig inne, um das Geschehene nachwirken zu lassen. Wer meint, Nachfolge Christi sei nur ein leichtes und unbeschwertes Dahingleiten, wird angesichts des Weges der Jünger mit Jesus eines anderen belehrt: Ambivalenz von Glauben und Unglauben, Spannungen von Verstehen und Nichtverstehen, von Zeiten des Trostes und Durststrecken, von Verlust, Leid und Tod, von Vertrauen einerseits und Enttäuschung, Vorwürfen und Zweifeln andererseits. Ambivalenzen und Polaritäten gehören zu einem Glauben, der auf Wachstum angelegt ist: Man denke an Jesu Gleichnisse vom Senfkorn, das das kleinste von allen Samenkörnern [ist]; sobald es aber hochgewachsen ist, ist es größer als die anderen Gewächse und wird zu einem Baum (Mk 13,32), oder vom Sauerteig, den eine Frau nahm und unter drei Sea Mehl8 verbarg, bis das Ganze durchsäuert war (Mt 13,33). Wachstum geht aber vonstatten nur in Spannungen und durch Krisen hindurch: Was bislang Sinn stiftete, plausibel erschien, Fundament des eigenen Lebens war, beginnt zu verblassen oder gar durch ein Ereignis auf einen Schlag zusammenzubrechen.

      Die Hinrichtung Jesu war für die Jünger ein solches Ereignis. Unglück, Verlust und Leid bleiben ihnen nicht erspart. Ein Teil der dadurch ausgelösten Krise besteht darin, dass selbstverständliche Grundannahmen über das Leben, da sie nun nicht mehr funktionieren, zu Bewusstsein kommen können – wie z. B. die Vorstellungen der Jünger vom politischen Messias, vom Reich Gottes als einem Wohlfahrtsstaat, von einem Gott, der in die Geschichte eingreift wie eine innerweltliche Ursache. Es gilt, sich die Wahrheit einzugestehen und seine gewohnten, aber falschen Vorstellungen loszulassen und zu kapitulieren.

      Der Kern dessen, was eine Krise aufdeckt, ist die Wahrheit der Sünde. Das zeigt uns das Beispiel des „verlorenen Sohnes“ (Lk 15) im Gleichnis vom barmherzigen Vater, durch das wir versuchen wollen, diesen für die Schrift wichtigen, aber schwierigen und unmodernen Begriff „Sünde“ zu verstehen. Der jüngere Sohn hat sein Vermögen durchgebracht und beneidet hungernd die Schweine um ihr Futter. Ähnlich wie die Jünger ist auch er eingeschlossen in einer ausweglosen Situation. Und so wird der Weg frei für das Entscheidende: Da ging er in sich … (Lk 15,17). Er wird seiner unbewussten Vorstellungen vom Leben und seines diesen entsprechenden Strebens inne. Er erkennt sie als Verfehlung, als Sünde: Ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich, Vater, versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein (Lk 15,18f). Das Wort „Sünde“ ist weitgehend aus unserem Sprachgebrauch verschwunden, keineswegs aber das damit Gemeinte aus der Realität, wie wir gleich sehen werden, wenn wir den „verlorenen Sohn“ weiter begleiten. Worin mag er seine Sünde sehen? Sein Erbteil zu fordern, wie er es tat, war rechtlich möglich, entsprach jedoch nicht den Gepflogenheiten in Israel und bürdete zudem der Familie einen finanziellen Aderlass auf. Vielleicht erkennt er Schuld darin, möglicherweise auch in dem zügellosen Leben, das er dann führte und bei dem er sein Vermögen verschleuderte (Lk 15,13). Sünde führt zu schuldhaften Taten, für die der Täter verantwortlich ist – aber Schuld macht das Phänomen Sünde nicht aus. Das Wesentliche der Sünde liegt verborgen hinter der Schuld. Sünde ist zuerst eine existenzielle Kategorie, nicht eine moralische.

      Dem jüngeren Sohn muss es so erschienen sein, dass er sein Glück nur finden kann, wenn er restlos alles, was ihm zusteht, fordert – nicht etwa nur einen Teil, um so seiner Familie entgegenzukommen. Er begibt sich in die Fremde und schneidet damit alle bestehenden Beziehungen zu seiner Familie, seinen Freunden und zu seiner Heimat ab. Sein zügelloses Leben mag ihm Kumpane und Gespielinnen schaffen, es verhindert jedoch echte Begegnungen und personale Beziehungen. Der drohende finanzielle Ruin kann ihn nicht davon abhalten, sein Vermögen restlos durchzubringen. Wir können in diesem Verhalten des jüngeren Sohnes eine Fixiertheit auf die eigenen Vorstellungen und Bestrebungen sehen, die sich gegenüber berechtigten Anliegen anderer ebenso verschließt wie überhaupt gegenüber Beziehungen: Der jüngere Sohn will sich nicht stören und nicht in Frage stellen lassen. Er wirkt wie gefangen in einer Eigenwelt, die blind für die Wirklichkeit ist: Wie kann er glücklich sein, wenn ihm das Geld, das er für sein Glück braucht, zwischen den Fingern zerrinnt? Diese Eigenwelt hat zerstörerische Wirkungen auf andere, z. B. die Familie, und auch auf ihn selbst: Am Ende steht er völlig verarmt und von allen verlassen da. Diese Zerstörung bewirkt allerdings auch, dass seine Eigenwelt aufgedeckt und als Sünde erkannt werden kann, wie der Fortgang der Geschichte zeigt: Sünde ist die geistige Macht, die den Menschen verschließt und in eine starre, beziehungsfeindliche, eigentümliche Welt einsperrt, deren Boden Angst ist – denn Angst ist es, die Verschlossenheit und Starre bewirkt. Erfüllung, die im Menschen angelegt ist und sich durch Beziehungen entfaltet, wie an den lebendig machenden Begegnungen mit Jesus zu sehen ist, wird durch die Sünde verhindert. Durch die Sünde wird das Leben verfehlt, der Schöpfer dieses Lebens und auch der Mitmensch.

      Dem „verlorenen Sohn“ geht all das nun an diesem Karfreitag seines Lebens auf, als er die Schweine um ihr Fressen beneiden muss. Er kann in sich gehen und seine Sünde erkennen. Die Weise, wie er als Mensch bisher unterwegs war, stirbt dadurch. Er kann nicht mehr derselbe Sohn sein, der er war: Mach mich zu einem deiner Tagelöhner! (Lk 15,19). Das ist die Kapitulation: das Loslassen-Können des bisherigen naiv gewissen Lebensfundamentes, des bisher Plausiblen und Sinnstiftenden, um die Wirklichkeit, an der nicht mehr vorbeizusehen ist, annehmen zu können. Auch die Jünger werden sich ihre Sünde eingestehen müssen, die durch das Abblocken eines klärenden Gesprächs sie die Begegnung mit Jesus verfehlen, sich ihm entfremden und ihn verlassen ließ, so dass er ohne seine Freunde leiden und sterben musste. Die Sünde und ihre Macht sind jedoch nicht das Ende: Der „verlorene Sohn“ gewinnt sich selbst als Person. Der barmherzige Vater nimmt den Sünder an. Er verleiht ihm eine neue Sohnschaft und Herrschaft. Das werden auch die Jünger erleben.

      Die entscheidende Voraussetzung dabei ist Vertrauen. Der „verlorene Sohn“ vertraut darauf, dass sein Vater ihn als Tagelöhner aufnehmen wird. Auch die Jünger können sich einen Rest an Offenheit bewahren durch ihre Erfahrungen mit Jesus und ihre Liebe zu ihm. In dem Maß allerdings, wie wir nicht vertrauen können, dass das Sterben in einer solchen kreuzigenden Lebenssituation in Auferstehung gewandelt wird, bleibt uns nur die Devise „lasst uns essen und trinken; denn morgen sind wir tot“ (1 Kor 15,32; Jes 22,13).

      5 Zur Weisheitsliteratur zählen die Bücher Ijob, Sprichwörter, Kohelet, Jesus Sirach und Weisheit; für sie ist wahrer Humanismus ohne Gottesfurcht undenkbar.

      6 Nach Joh 12,4 ist es Judas allein.

      7 Außer im Johannesevangelium der Lieblingsjünger Jesu, bei dem es sich um Johannes selbst handelt.

      8 Das sind ungefähr 24 kg: Geduld ist also nötig, bis der Sauerteig diese Menge Mehl durchsäuert hat.

      3. Auferstehung

      Auferstehung ist das Herzstück des christlichen Glaubens. Das hat schon Paulus klar erkannt: Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos (1 Kor 15,14). Auferstehung durchzieht der Sache nach das gesamte Neue Testament, in 18 von 27 Schriften kommt sogar das Wort selbst vor. Versuchen wir zu verstehen, was die Schrift damit sagen will, damit dadurch auch uns diese Wirklichkeit erschlossen wird.

      Das älteste schriftliche Zeugnis der Auferstehung Jesu, etwa 50 n. Chr., findet sich in 1 Thess 1,10: … Jesus, den er [Gott] von den Toten auferweckt hat … Solche eingliedrigen Auferweckungsformeln9 müssen bereits vorher als mündliche Bekenntnisformeln in Gebrauch gewesen und damit deutlich älter sein. Sie СКАЧАТЬ