Vom Lieben und vom Sterben. Bertram Dickerhof
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Название: Vom Lieben und vom Sterben

Автор: Bertram Dickerhof

Издательство: Bookwire

Жанр: Религия: прочее

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isbn: 9783429065263

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СКАЧАТЬ Messias gemacht [hat], diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt (Apg 2,36). Diese Botschaft wird mit erstaunlichem Einsatz und Mut verbreitet. Ihre Verkündiger scheuen weder vor Mühsal und Gefahren noch vor Haft und Strafen zurück. Sie finden Zulauf, zunächst in Israel, dann auch bei Nichtjuden im ganzen Römischen Reich. Der Kern ihrer Botschaft ist, dass Jesus in noch nie da gewesener und unüberbietbarer Weise Gott vermittelt. Da keiner von uns Gott schauen kann, das verborgene und unverfügbare Geheimnis aller Wirklichkeit, sind wir auf eine Vermittlung angewiesen, in der es sich authentisch mitteilt. Genau dies ist in Jesus geschehen: Und das Wort, durch das alles geworden ist, ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt (Joh 1,3.14). Das ist der Kern des Osterglaubens und der Verkündigung der Jünger. Deswegen nennen sie Jesus auch „Sohn Gottes“.

      4 Diese drei heißen deswegen so, weil man sie „zusammenschauen“ kann, da sie, grob gesprochen, folgendermaßen aufgebaut sind:

       Mt ≈ Mk + Q + mt. Sondergut

       Lk ≈ Mk + Q + lk. Sondergut

       Dabei haben Mt und Lk ihre Quellen Mk und Q, die sogenannte Logienquelle, die vor allem Redetexte beinhaltet, jeweils bearbeitet.

      2. Nachfolge – ein Abenteuer voll Ambivalenz und Spannung

      Wir verlassen mit dieser Thematik den Bereich der historisch sicheren Fakten und wenden uns den Erfahrungen von Menschen mit Jesus zu, die die Evangelien berichten. Wie gesagt, sind diese nicht frei erfunden, doch ist ihre Darstellung eingefärbt von der Deutung des Geschehens aus dem Glauben heraus und von der Absicht, diesen Glauben den jeweiligen Adressaten zu verkünden.

      Etliche junge Männer verließen damals ihre Familien aufgrund der materiell aussichtslosen Lage: Manche gingen in die Berge Galiläas, um gegen die Unterdrückung durch die Römer und die Ausbeutung der Landbevölkerung durch reiche Städter zu kämpfen; andere gingen ins Ausland, wo sie sich ein besseres Leben erhofften. Die Männer und Frauen, die Jesus folgen, spricht seine Botschaft an, dass eine große Wende bevorsteht, die Gott bewirkt: Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium (Mk 1,15). Sie nehmen in Kauf, ihre Familien einer Arbeitskraft zu berauben und sie in Trauer, Schmerz und manchmal auch Zorn zurückzulassen. Sie erleben, wie durch Jesus Kranke gesund werden, Blinde wieder sehen und Lahme gehen; Aussätzige rein werden und Taube hören; Tote aufstehen und den Armen das Evangelium verkündet wird (Mt 11,5). Das Wirken Jesu erfüllt nicht nur diese Verheißungen des Propheten Jesaja (Jes 42,6f; 61,1); es lässt das Reich Gottes, das Jesus verkündigt, hier und jetzt Wirklichkeit werden. In Jesu respektvoller, mitfühlender und annehmender Zuwendung können Arme sich aufrichten, innerlich freier werden, Hoffnung und Selbstvertrauen schöpfen und zu Selbstachtung und neuem Lebensmut finden. Die Begegnung mit Jesus befreit Menschen von ihren Dämonen, von Zwängen und Obsessionen (Mt 12,28). Seine Predigten vermitteln den Zuhörern Größe und Würde, wenn er ihnen z. B. das erhabene Ethos von Edlen zutraut: Immer wieder vergeben! Frauen als Personen achten! Auf Vergeltung verzichten! Selbst Feinde lieben! Sich keine Sorgen um Essen, Trinken und Kleidung machen! … (Mt 5–6). Jesus vermag das Herz der Menschen zu erreichen und ihre tiefste Sehnsucht zu berühren, wenn er etwa die Armen, die Hungernden und die Weinenden seligpreist oder Gott mit einem Vater vergleicht, der seinem gescheiterten Sohn entgegengeht und ihn annimmt, ohne ihm seine Verfehlungen vorzuhalten. Er vertraut darauf, dass die große Wende nicht durch Macht und Gewalt, sondern durch Gott herbeigeführt wird, der den Samen des Reiches Gottes in den Menschen wachsen, reifen und Frucht bringen lässt (Mk 4,26). So kommen seine Jünger zur Überzeugung, dass Jesus der von vielen Zeitgenossen herbeigesehnte Messias ist, der Israel erlösen werde (Lk 24,21).

      Was sich die Jünger unter diesem Titel vorstellen, ist nicht leicht zu sagen, da die alttestamentlichen Messiasvorstellungen keine eindeutige Gestalt umreißen und im Frühjudentum noch stärker auseinanderdriften. In der Zeit ab etwa 150 v. Chr. wuchs unter den Frommen die Hoffnung auf die Wiederherstellung der Theokratie mit einer Doppelspitze: ein Hoherpriester aus priesterlichem Geschlecht und ein König aus dem Haus Davids. Beide haben sie die Aufgabe, die Sünder im eigenen Volk zu züchtigen und Jerusalem von den Heidenvölkern zu reinigen. In den Qumrantexten, Zeugnissen des antiken Juden- und frühen Christentums aus den Jahren 250 v. Chr. bis 40 n. Chr., sind dagegen geistliche Würde und weltliche Kriegsführung auf die beiden Führer aufgeteilt: Während der priesterliche Gesalbte Sühne für das Volk schafft und es belehrt, richtet der als Spross Davids bezeichnete königliche Messias die Königsherrschaft Israels wieder auf. Auf diesen bezieht sich die Weissagung Bileams, eines auch außerbiblisch bezeugten heidnischen Propheten zur Zeit des Mose (Num 24,17): Ich sehe ihn, aber nicht jetzt; ich schaue ihn, aber nicht von nahem. Es wird ein Stern aus Jakob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen und wird zerschmettern die Schläfen der Moabiter und den Scheitel aller Söhne Sets. Der königliche Messias ist zwar dem priesterlichen Gesalbten nachgeordnet, doch ist zur Zeit Jesu angesichts der realen Verhältnisse, d. h. der Herrschaft des fremdstämmigen Herodes und der römischen Vormacht, der kriegerische Messias aus dem Hause David in den Vordergrund getreten. Es liegt nahe, dass die Jünger Jesu im Großen und Ganzen im Mainstream der Erwartung eines politischen Messias lagen, der die Römer vertreibt, für Gerechtigkeit und Wirtschaftswachstum sorgt, alles zum Guten wendet und das Volk sammelt und heiligt. Damit ein aus den Menschen geborener Messiaskönig diese Mission erfüllen kann, geht die Apokalyptik (siehe S. 32) noch einen Schritt weiter: Sie verschmilzt den politischen Messias mit der himmlischen Gestalt des Menschensohnes (Dan 7), der nach dem Sieg, den Gott herbeiführt, ewige Herrschaft über alle Völker bekommt.

      Bei diesen Perspektiven liegt es nahe, dass die Jünger die Frage beschäftigt, was es ihnen persönlich „bringt“, dem Messias nachzufolgen: Wenn die Welt neu geschaffen wird und der Menschensohn sich auf den Thron der Herrlichkeit setzt, werdet ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israel richten. Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen (Mt 19,28f). Bei dieser Perspektive ist es kein Wunder, dass die Zwölf über ihren Rang in der Gruppe der Apostel nachdenken, Konkurrenten von „außen“, die sich nicht den Mühen und Spannungen der Nachfolge unterziehen, ausschließen wollen (Mk 9) und sich wünschen, zur Rechten und Linken des Messias zu herrschen, wenn dieser die Macht in Israel übernimmt (Mk 10).

      Großartige Horizonte also auf der einen Seite. Auf der anderen Seite aber war der Weg mit Jesus immer wieder verunsichernd, eine Infragestellung der Vorstellungen der Jünger und alles andere als bequem. Er ist ein Stück Passion, in der ein Jünger Jesu grundsätzlich lebt: das Ertragen einer grundsätzlichen Ambivalenz. Eigentlich ist Ambivalenz ein Grundprinzip des Menschseins schlechthin. Es zu bejahen bedeutet, Spannung auszuhalten. Das vermeiden wir Menschen gerne. Die Jünger müssen es bei Jesus jedoch lernen: Sie folgen einem Mann nach, der selber nichts hat, der auf Mildtätigkeit und Gastfreundschaft angewiesen ist. Wie er haben auch sie keinen Ort, wo sie ihr Haupt hinlegen können. Tun, wozu man Lust hat, und das Leben genießen sieht anders aus. Also heißt es, sich in den Rahmen zu fügen und das „Sowohl … alsauch …“ auszuhalten. Jesu Klarheit und Wahrheit fordern sie heraus: Immer wieder schilt er sie wegen ihres kleinen Glaubens, wenn sie sich z. B. Sorgen ums Essen oder ums Übernachten (Lk 9,56) machen. Oder er deckt ihren Wunsch nach Ansehen und Position auf (Mk 9,33), dem er entgegenhält: Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen und der Diener aller sein (Mk 9,35), statt andere zu unterdrücken oder seine Macht zu missbrauchen, wie es bei denen üblich ist, die Macht und Ansehen besitzen (Mk 10,42f). Und dann stellt er ihnen auch noch ein Kind, ein nutzloses, Kinderkrankheiten ausgesetztes und deshalb dem Tode nahes, damals gering geschätztes Kind vor Augen: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen (Mt 18,3). Schluss damit, sich selbst dadurch aufzubauen, dass man auf andere herabblickt und den Splitter in ihrem Auge findet oder sie für seine Zwecke gebraucht: für seine Lust, seinen Profit, seine Bequemlichkeit.

      Jesu СКАЧАТЬ