Название: Selbstgespräche
Автор: Charles Fernyhough
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831269525
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Dies ist ein Fall, bei dem Selbstgespräche wirklich helfen könnten. Den Selbstgesprächen von Sportlern wurden schon viele mögliche Funktionen zugeschrieben, doch eine der wichtigsten könnte darin bestehen, die Aufmerksamkeit zu steuern. Ich bin kein Sportler, aber ich fahre Auto und rede beim Fahren häufig mit mir selbst, um damit meine Aufmerksamkeit in die eine oder andere Richtung zu lenken. Wenn ich zum Beispiel auf einen Verkehrskreisel zufahre, könnte ich mir sagen: »Schau nach rechts«, damit ich dem Verkehr, der aus dieser Richtung kommt, die Vorfahrt lasse. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich dies tue, ist größer, wenn ich von einer Reise auf den Kontinent zurückkehre, wo ich höchstwahrscheinlich auf der anderen Straßenseite habe fahren müssen. Ich kann es wissenschaftlich nicht beweisen, aber diese wenigen Wörter scheinen mir zu helfen, aufmerksam zu bleiben.
Will man sich also für einen ankommenden Ball hochputschen, erfolgt das am besten mit Wörtern. Doch wenn man Kricketspieler danach fragt, wann und warum sie mit sich selbst sprechen, wird man möglicherweise nicht weit kommen. Wie Russ Hurlburt festgestellt hat, erhält man auf solche Fragen anstelle von Stichproben des Erlebens in der Regel nur Allgemeinplätze darüber, was der Einzelne über das Funktionieren seines Geistes denkt. Und das ist einer der Gründe, warum Russ der Methode von Fragebogen skeptisch gegenübersteht.
Eine neue Studie41 nutzte in dem Versuch, mehr darüber zu erfahren, wie Schlagmänner Selbstgespräche tatsächlich einsetzen, einen originellen Ansatz. Fünf Profi-Schlagmänner eines englischen Bezirksklubs nahmen daran teil. Für jeden Schlagmann wurde eine DVD mit Highlights von sechs kritischen Zwischenfällen eines einzigen Innings zusammengestellt: der Gang auf den Platz für den Schlag; die Konfrontation mit dem ersten Ball, ein schlechter Schlag, eine Auswechslung des Bowlers, die Berechnung der Ballflugbahn und das Ausscheiden. Eine Woche nach ihren Spielen setzte sich jeder Schlagmann zusammen mit einem der Forscher hin (die selbst jeweils hervorragende Kricketspieler waren), um sich jede Episode der Innings auf der DVD anzusehen, und der Spieler wurde aufgefordert, sich daran zu erinnern, was er in jedem dieser Momente zu sich gesagt hat.
Die Resultate zeichnen das Bild einer an sich selbst gerichteten Rede, die eine Reihe von Funktionen erfüllt. Ein Spieler berichtete, dass er sich, als er für den Schlag hinausging, darauf konzentrierte, einen Schlagrhythmus hinzubekommen und nicht darauf zu achten, was auf der Anzeigetafel steht. Ein anderer versuchte, sich für seine Innings durch eine einfache Selbstbestätigung in die richtige Stimmungslage zu versetzen: »Ich habe die Chance, ein Kricketmatch zu gewinnen.« Ein Teilnehmer blickte vor diesem entscheidenden ersten Ball auf die Löcher im Spielfeld und sagte zu sich: »Da ist eines direkt neben meinen Füßen.« Wie jeder Kricketspieler Ihnen bestätigen wird, beruhigt es die Nervosität vor den Innings enorm, wenn man schnell von der Markierung wegkommt und sicher schlägt.
Doch es geht selten lange so gut. Das Schlagen ist eine gnadenlose Aktivität: Ein Fehler, und man kann auf dem Weg in die Kabine sein. Sämtliche an dieser Studie teilnehmenden Schlagmänner sagten aus, dass sie nach einem schlechten Schlag am meisten mit sich selbst sprachen. Ein übliches Muster war eine Selbstbeschimpfung, gefolgt von einem Löffel Zucker. Ein Spieler erklärte, dass seine Selbstgespräche besonders nützlich seien, wenn er bei seinen Innings eine Pechsträhne habe, während ein anderer sich einfach ermahnte, gut zu spielen. Wenn es nicht gut lief, waren Ermahnungen, sich »zu entspannen« und »durchzuhalten« an der Tagesordnung. Vor allem im Laufe des Spiels, wenn die erforderliche Rate der Runs anstieg (es handelte sich jeweils um Limited-Overs-Spiele), sprachen die Spieler zu sich selbst, um sich bei der Vorausberechnung zu helfen, wo der Ball zu treffen sei. Einem Spieler half allein schon die Feststellung der Position der Feldspieler, um instinktiv gute Schläge abzuliefern. Letztlich nutzten sämtliche Spieler die Sprache, um sich nach ihrem Ausscheiden auszuschimpfen, aber auch um ihre Lektionen für das nächste Spiel zu lernen.
Im Großen und Ganzen wiesen die Berichte der Spieler auf unterschiedliche Selbstgespräche hin, die vor den Innings einsetzten und bis nach dem Ausscheiden fortgeführt wurden und insbesondere dann intensiv waren, wenn die Sache nicht gut lief. Was die Herausforderung der Aufmerksamkeitsverlagerung betraf, so sagte sich ein Teilnehmer tatsächlich das Wort »Ball«, wenn er seinen Fokus verengte. Falls Sie die Gelegenheit haben, sich ein Kricketspiel im Fernsehen anzuschauen, könnten Sie etwas Ähnliches live miterleben. Sollten Sie zum Beispiel Eoin Morgan, den Kapitän des englischen Kricketteams, beobachten, wenn er in der Mitte des Matches an die Reihe kommt, dann werden Sie ihn vor jedem Schlag klar zu sich selbst sagen sehen: »Pass auf den Ball auf.« Morgan scheint es für sinnvoll zu halten, an sich selbst gerichtete Wörter einzusetzen und damit in diesem entscheidenden Moment sein Augenmerk zu verengen.
Michaels Beschreibung seiner eigenen Selbstgespräche bestätigen die Ergebnisse der Videountersuchung. Wenn er in Form ist, nimmt das Geplapper in seinem Kopf an Intensität ab, es wird spezifischer und damit nützlicher. Nach einem schlechten Schlag hingegen reagiert er anders: »Ich würde zum Beispiel ›Komm schon‹ zu mir selbst sagen oder mich ein bisschen beschimpfen und zu mir sagen ›Pass auf den Ball auf‹ … Es ist also eher eine emotionale Erinnerung an das, was ich gerade getan habe, und eine Ermahnung, mich zusammenzureißen.«
Unser Treffen findet statt, kurz nachdem er im Erstliga-Kricket seine höchste Punktzahl erzielt hat, nämlich gute Hundert Punkte in einem vier Tage dauernden Bezirksmatch. Ich frage ihn, ob die Selbstgespräche sich verändern, wenn man einem solchen Meilenstein näherkommt. »Wahrscheinlich spreche ich nicht mehr zu mir, aber was ich sage, verändert sich im Laufe der Innings ein bisschen, wenn ich also die Neunzig erreiche, weiß ich, dass mir andere Ängste oder so durch den Kopf gehen.« Außerdem war Michael davon ausgegangen, dass es gefährlich sei, zu viele Selbstgespräche zu führen. »Ich versuche, sie so einfach wie möglich zu halten, damit ich nicht zu viel überlege und nicht zu viel mit mir rede.« Ich frage ihn, ob er die Stimme eines bestimmten Trainers in seinem Kopf hört, die ihm Ratschläge gibt. »Nicht so klischeehaft wie in einer Filmszene, wo man etwas genau mit ihrer Stimme hören kann, aber es gibt definitiv Tipps, die mir Menschen gegeben haben … Ich höre in meinem Kopf definitiv keine spezielle Stimme oder einen bestimmten Trainer. Ich denke vielleicht an einen Augenblick oder eine Erinnerung, und dann ermahne ich mich, dies in der Spielsituation umzusetzen.«
Michaels Bericht scheint Gallweys Beschreibung vom »Sprecher« und dem »Macher« auf dem Tennisplatz zu bestätigen. Dieser innere Trainer mag eher eine Kombination aus verschiedenen Trainingserfahrungen sein als eine spezielle Stimme, und tatsächlich scheinen in allen diesen Beschreibungen von Selbstgesprächen verschiedene Arten innerer Gesprächspartner vorhanden zu sein: ein strenger Kritiker, ein aufmunternder Freund, ein weiser Ratgeber und so weiter.
Bis vor Kurzem gab es nur wenige Versuche, die Vielzahl dieser inneren Gesprächspartner wissenschaftlich zu beschreiben. Dies änderte sich mit einer Untersuchung von Malgorzata Puchalska-Wasyl von der Katholischen Universität Lublin Johannes Paul II. in Polen.42 Die Forscherin, die sich mehr auf die alltäglichen Selbstgespräche als auf diejenigen von Sportlern konzentriert, forderte Studenten auf, mithilfe einer Checkliste emotionaler Worte den inneren Gesprächspartner zu beschreiben, mit dem sie sich am häufigsten unterhalten. Diese Angaben wurden im Anschluss einer statistischen Analyse unterzogen, die ähnliche Beschreibungen in Gruppen sortierte.
Vier erkennbare Kategorien der inneren Stimme kamen zum Vorschein: der »treue Freund« (verbunden mit persönlicher Stärke, engen Beziehungen und positiven Gefühlen); СКАЧАТЬ