Название: Selbstgespräche
Автор: Charles Fernyhough
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783831269525
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Das ist eine Idee, deren Ursprung im westlichen Denken mindestens bis Platon zurückreicht. »Ich meine die Rede, die die Seele bei jeder Erwägung mit sich selbst führt«, schrieb er im Theaitetos. »Eine Rede, welche die Seele bei sich selbst durchgeht über dasjenige, was sie erforschen will. Freilich nur als ein Nichtwissender kann ich es dir beschreiben. Denn so stellt es sich mir dar, dass, solange sie denkt, sie nichts anderes tut, als sich unterreden, indem sie sich selbst antwortet, bejaht und verneint.«32 Für William James, der seine Schriften Ende des 19. Jahrhunderts verfasste, war das Hören eines sprachlichen Gedankens während seines Auftauchens ein wesentlicher Bestandteil, um in der Lage zu sein, »seine Bedeutung zu fühlen, während er vorbeizieht«33. Das Selbst spricht, und das Selbst lauscht und versteht dadurch, was gedacht wird.
Der amerikanische Philosoph Charles Sanders Peirce, der etwa zur gleichen Zeit schrieb wie James, verstand das Denken als Dialog zwischen zwei verschiedenen Aspekten des Selbst,34 einschließlich des kritischen Selbst beziehungsweise Ichs, das das präsente Selbst beziehungsweise Mich fragt, was es denn gerade macht.
Für den Philosophen und Psychologen George Herbert Mead beinhaltet das Denken eine Konversation zwischen einem gesellschaftlich konstruierten Selbst und einem verinnerlichten Anderen,35 einem abstrakten inneren Gesprächspartner, der verschiedene Haltungen gegenüber dem, was das Selbst tut, einnehmen kann.
Der Spieler, der auf dem Tennisplatz Selbstgespräche führt, inszeniert etwas, was allen diesen verschiedenen Ansichten über das Denken gemein ist. Der Gedanke, der einen als »ungeschickten Ochsen« bezeichnet, stammt von einem Teil des Selbst, der eine kritische Distanz zu dem, was getan wird, einnehmen kann. Wenn man mit sich selbst spricht, tritt man für einen Augenblick aus sich selbst heraus und nimmt eine Perspektive gegenüber dem ein, was man gerade tut. Beim Sport können die Selbstgespräche laut oder stumm erfolgen.
Bei Gallweys Berichten vom Tennisplatz fallen zwei Arten von Selbstgesprächen auf. Die eine scheint eine kognitive Funktion zu besitzen: Ermahnungen an sich selbst, den Ball im Auge zu behalten und auf die Rückhand des Gegners zu zielen – Aufforderungen, in denen es um den Gebrauch von Wörtern zu gehen scheint, um das eigene Handeln zu regulieren. Die zweite Funktion ist motivierend, typisch für Spieler, die sich nach einem schlechten Schlag rüffeln. »Das war Mist«, würden wir sie vielleicht sagen hören. »Reiß dich zusammen.«
Beide Arten von Selbstgesprächen scheinen beim Sport wichtig zu sein. In einem Interview behauptete der Wimbledon-Gewinner Andy Murray 2013, dass er nie laut mit sich selbst reden würde, weder auf dem Platz noch außerhalb. Doch das änderte sich, nachdem er in einem Finale in Flushing Meadows eine Zwei-Satz-Führung gegen Novak Djokovic, der damaligen Nummer eins, aus den Händen gab. Murray unterbrach das Spiel für eine Toilettenpause und feuerte sich vor dem Spiegel an.
»Ich wusste, dass ich das, was sich innerlich abspielt, verändern musste«, erzählte er der Londoner Times.36»Deshalb habe ich angefangen zu reden. Und zwar laut. ›Du verlierst dieses Spiel nicht‹, sagte ich zu mir selbst. ›Du verlierst dieses Match NICHT.‹ Anfänglich war ich ein bisschen zaghaft, aber dann wurde meine Stimme lauter. ›Du lässt es dir nicht aus den Händen gleiten. Du lässt es dir NICHT aus den Händen gleiten … Gib alles, was du hast. Lass nichts ungenutzt.‹ Zuerst kam ich mir ein bisschen albern vor, aber ich spürte, dass sich innerlich etwas veränderte. Ich war über meine Reaktion erstaunt. Ich wusste, dass ich gewinnen konnte.«
Als Murray auf den Platz zurückkehrte, führte er seine Selbstgespräche fort, nahm Djokovic den Aufschlag ab und erzielte im fünften Satz eine Führung von drei Spielen. Schließlich gewann er die US Open und wurde seit mehr als sechsundsiebzig Jahren der erste männliche britische Grand-Slam-Gewinner im Einzel.
In Trainerkreisen werden Selbstgespräche für so wichtig erachtet, dass sowohl die laut ausgesprochene als auch die stumme Form recht gründlich untersucht wurde. Psychologen haben den persönlichen Zuspruch in so unterschiedlichen Sportarten wie Badminton, Skifahren und Wrestling studiert.37 Doch beim effektiven Einsatz von Selbstgesprächen geht es nicht nur um positive Psychologie und an sich selbst gerichtete Binsenweisheiten. Tatsächlich gelangte eine jüngere Auswertung der Literatur zu widersprüchlichen Ergebnissen in Bezug auf den Wert, sich selbst etwas Nettes zu sagen. Bei Tauchern, die sich um einen Platz im kanadischen Pan-Am-Team bewarben, war die Wahrscheinlichkeit beispielsweise geringer, sich zu qualifizieren, wenn die Bewerber von mehr positiven Selbstgesprächen, wie zum Beispiel Selbstlob, berichteten. Es hat den Anschein, als könnte man sich mit zu viel Liebe überschütten, zumindest beim Wettkampftauchen.
Ein positiveres Bild des Werts von Selbstgesprächen zeichnen experimentelle Studien, bei denen die Forscher die Konditionen manipulieren, unter welchen jemand seine Leistung erbringt, um zu sehen, welche Wirkung sie haben, anstatt die Teilnehmer einfach aufzufordern, darüber zu berichten, was sie während ihrer normalen sportlichen Betätigung tun.
Das Kneipenspiel Darts wird nicht häufig im Labor untersucht, aber eine Studie38 tat genau das und forderte Freiwillige auf, die Pfeile zu werfen und währenddessen verschiedene Arten von stummen Selbstgesprächen zu nutzen. Die Spieler schnitten unter Bedingungen, bei denen sie sich positiv zuredeten (und zum Beispiel sagten: »Du schaffst das«), besser ab als unter Bedingungen, bei denen sie sich heruntermachten (»Du schaffst das nicht«).
Ungeachtet der Wertigkeit des Selbstgesprächs (positiv oder negativ) scheinen erfolgreiche Sportler mehr mit sich selbst zu sprechen: Das war zumindest bei einer Analyse von Turnern39 der Fall, die sich für die amerikanische Olympiamannschaft qualifizieren wollten. Insbesondere die Beobachtungen von Tennisspielern liefern uns einige Gründe, die dafür sprechen, dass die Wertigkeit des Selbstgesprächs damit zusammenhängen könnte, ob es laut oder stumm geführt wird. Wie Sie von Fernsehübertragungen wissen werden, sind viele Äußerungen auf dem Tennisplatz ziemlich negativ. Es kann sein, dass Spieler wie Murray ihre aufmunternden Worte für sich behalten und zum Entsetzen aller Ballmädchen und Linienrichter nur die Rügen und Schelten laut aussprechen. Doch bedenken Sie, dass die Forschung über Selbstgespräche beim Sport in den meisten Fällen nicht zwischen offenem (lautem) und heimlichem (stummem) Sprechen unterscheidet, was zur Folge hat, dass die Hypothese, alle positiven Äußerungen würden für sich behalten, bisher schwer zu überprüfen war.
Auf der langen Liste der Sportarten, bei denen Selbstgespräche untersucht wurden, ist Kricket ein besonders interessanter Fall. Ein Schlagmann muss in der Lage sein, auf die Geschwindigkeit, die Flugbahn und den Aufprall eines Kricketballs zu reagieren, der mit einer Geschwindigkeit von bis zu 152 km/h auf ihn zukommt. (Ähnliches gilt für Baseball, allerdings wird dieser Fall durch die Tatsache ein wenig erleichtert, dass der Ball nicht auf den Boden aufprallt, bevor er den Schlagmann erreicht.) Psychologen haben berechnet, dass ein Schlagmann, der einem guten Werfer gegenübersteht, keine Chance hat, bewusst zu reagieren.40 Der Ball fliegt so schnell, dass der Annehmende instinktive Reaktionen entwickeln muss, die es ihm ermöglichen, die Flugbahn des Balls und deren Länge früh genug zu erahnen, um einen angemessenen Schlag zu vollführen. Das Erkennen, was in diesem Sekundenbruchteil zu tun ist, nachdem der Ball geworfen wurde, hat mit normalem Denken nichts zu tun; es bleibt für solch einen Luxus schlichtweg keine Zeit.
Das macht das Aufrechterhalten der Aufmerksamkeit in diesen entscheidenden Sekunden nach dem Wurf des Balls maßgeblich, um in der Lage zu sein, die Schläge zu vollführen und das Ausscheiden des Schlagmanns zu verhindern. Genauer gesagt, die Rolle des Schlagmanns setzt voraus, die Aufmerksamkeit schnell und effektiv verlagern zu können. Gewöhnlich sieht man einen Schlagmann wenige Sekunden СКАЧАТЬ