Selbstgespräche. Charles Fernyhough
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Название: Selbstgespräche

Автор: Charles Fernyhough

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783831269525

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СКАЧАТЬ Nick seine neuen Kräfte zum ersten Mal nutzen, als er nach dem Unfall durch den Föhn in seinem Apartment aufwacht. Seine Putzfrau hat ihn ohnmächtig auf dem Boden liegend gefunden und überlegt, ob er tot sein könnte. Doch ihre Überlegungen sind nicht mehr privat, so wie bisher, sondern Nick hört sie, als würden sie laut ausgesprochen. In dieser speziellen fiktionalen Welt ist das Denken eine Art von Sprechen, ein Sprechen, das (unter normalen Umständen) nur der Denkende hören kann. Nick hört den Gedankenstrom eines anderen Menschen in einer Stimme mit bestimmten Eigenschaften, die Wörter kombiniert, um einen Sinn zu ergeben, so, wie es bei der gesprochenen Sprache der Fall ist.

      Vom Soundtrack einmal abgesehen ist ein Film ein intensives visuelles Werk. Nichts würde Regisseure davon abhalten, Gedanken als visuelle Bilder darzustellen – als Mini-Filmclips zum Beispiel, die über dem Kopf einer Figur ablaufen. Doch weder beim Film noch in den anderen Medien wird es gewöhnlich so gehandhabt. Wenn man die Gedankenblasen in einem Comic oder Bildroman betrachtet, sieht man, dass die Gedankenprozesse der Figuren als sprachliche Äußerungen dargestellt sind. Denken ist eine Stimme, so wird uns vermittelt, nämlich die Stimme des Selbst. Es handelt sich um einen stummen Monolog, der, würde er laut ausgesprochen, von jedem verstanden werden könnte, der unsere Sprache beherrscht.

      In den folgenden Tagen wandelt sich Nicks Einstellung seinem Gedankenlesen gegenüber von Entsetzen hin zu Akzeptanz. Es gibt eine lustige Szene, in der Nick in dem Bemühen, weitere Beweise zu sammeln, die seinen schrecklichen Verdacht in Bezug auf seine neuen Fähigkeiten bestätigen, den Gehirnströmen seiner beiden hohlköpfigen Sekretärinnen lauschen will, aber feststellt, dass dort absolute Funkstille herrscht. In einer anderen denkwürdigen Szene kann Nick nicht verstehen, was seine Chefin, Darcy, sagt, weil sie zugleich mit Gedanken beschäftigt ist. Denken erfolgt sprachlich, aber was wir denken, ist nicht das Gleiche wie das, was wir sagen. Die Stimme von Darcys Bewusstsein liest von einem anderen Skript als ihre echte Stimme. Aber es handelt sich unverkennbar um eine Stimme. Als Darcy mitten in der Nacht Nick anruft und es dann doch nicht wagt, dem Kollegen, für den sie schwärmt, laut etwas zu sagen, hat Nick das außergewöhnliche Erlebnis, sie am Klang ihrer Gedanken zu erkennen.

      Abgesehen von der zweifelhaften Genderpolitik werden in Was Frauen wollen auch bestimmte Dinge über das innere Erleben falsch dargestellt. Wenn wir in einer frühen Szene die Gedanken der Latina-Putzfrau hören, denkt sie in Englisch, obwohl es plausibler wäre, sie würde in ihrer Muttersprache denken. Es stellt sich heraus, dass zwei schwerhörige Frauen, die sich mithilfe von Gesten miteinander unterhalten, in gesprochenem Englisch denken, anstatt in ihrer Gebärdensprache, was wohl wahrscheinlicher wäre. Tatsächlich stellen Gehörlosigkeit und andere Erkrankungen, durch die die normale verbale Kommunikation gestört wird, eine heikle Herausforderung für das Verständnis der Beziehungen zwischen Sprechen, Sprache und Denken dar, wie wir später sehen werden, wenn wir uns mit den Beweisen der inneren Stimmen gehörloser Menschen befassen.

      Wenn wir die hohen und niederen Künste verlassen und betrachten, wie Gelehrte den Prozess des Denkens beschrieben haben, finden wir weitere Bestätigungen von dessen enger Verbindung mit Selbstgesprächen. »Für viele von uns«, schreibt der Philosoph Ray Jackendoff, »hört der laufende Kommentar kaum jemals auf.« Andere Philosophen, wie zum Beispiel Ludwig Wittgenstein und Peter Carruthers, waren der Meinung, dass die normale Sprache nichts Geringeres als das Vehikel unserer Gedanken ist. Die vielleicht extremste Ansicht der Einzigartigkeit der inneren Sprache stammt von einem Psychologen. »Wir sind eine geschwätzige Spezies«, schrieb Bernard Baars 1997.25 »Der Drang, mit uns selbst zu reden, ist bemerkenswerterweise unwiderstehlich, wie wir leicht feststellen können, wenn wir versuchen, die innere Stimme so lange wie möglich verstummen zu lassen … Die innere Sprache ist eine der Grundgegebenheiten der menschlichen Natur.« Bei einer anderen Gelegenheit schreibt Baars mit geradezu wissenschaftlicher Autorität über die offenkundige Allgegenwart der inneren Sprache: »Menschen führen, wenn sie wach sind, zu jedem Zeitpunkt Selbstgespräche … Das laute Sprechen nimmt bis zu einem Zehntel der wachen Stunden in Anspruch; die innere Sprache geht dagegen unentwegt weiter.«26

      Diese Ansichten konnten nur begrenzt empirisch untermauert werden.27 Zwar berichten manche Menschen, wie zum Beispiel Baars, dass sie ständig damit beschäftigt sind, andere beschreiben deutlich weniger aktive innere Stimmen. In einer Studie mit Teilnehmern, die behaupteten, in einem Kernspintomografen einige Minuten gar nichts zu tun (im sogenannten »Ruhezustand«), fanden die Forscher heraus, dass über 90 Prozent der Probanden in dieser Zeit eine gewisse innere Sprache hörten, aber dass dies nur bei 17 Prozent die dominante Denkweise war.28

      Abseits des Hirnscanners belegt Russ Hurlburts DES-Methode, dass die Momente des Piepstons bei manchen Menschen ein hohes Maß an innerer Sprache enthalten (im Fall eines DES-Teilnehmers sogar 94 Prozent), während bei anderen gar keine enthalten ist. Nach Berechnungen des Durchschnitts aus zwei Studien fanden Hurlburt und seine Kollegen heraus, dass bei etwa 23 Prozent der Piepston-Momente innere Sprache vorhanden war, eine Zahl, die die beträchtlichen Unterschiede zwischen den Teilnehmern verschleiert.

      Wie wir sehen werden, gibt es Anlass, solchen Zahlen gegenüber skeptisch zu sein. Nicht nur, weil sie im Grunde auf Introspektion basieren, die sich auf verschiedene Weise als problematisch erwiesen hat, sondern vor allem deshalb, weil die Befragung einer Testperson, wie viel innere Sprache sie feststellt, von ihr erfordert, dass sie an einen speziellen Zeitpunkt zurückdenken muss, was zur Folge hat, dass auch die Schwächen der Erinnerung ins Spiel kommen. Selbst die DES-Methode mit ihren sorgfältig hervorgelockten Momentaufnahmen des inneren Erlebens unterliegt den Tücken der Erinnerung. Außerdem müssen wir die gewaltigen Unterschiede im Wortreichtum der menschlichen Gedanken berücksichtigen.29 Manche Menschen verwenden überhaupt keine innere Sprache, und jede Theorie über deren Funktion muss die Tatsache berücksichtigen, dass sich im Kopf mancher Menschen gar keine innere Sprache abspielt.

      Untersuchungen belegen jedoch, dass die innere Sprache ein signifikanter Bestandteil unseres geistigen Lebens ist. Ein Viertel bis zu einem Fünftel unserer wachen Momente sind eine Menge der wachen Momente, das heißt: jede Menge Selbstgespräche. Was macht all diese Sprache in unserem Kopf? Die Frage, wann und wie die Menschen in diesen inneren Redefluss eintauchen, könnte zur Klärung beitragen, welchen Nutzen wir daraus ziehen, unsere Gedanken in Worte zu fassen.

      Michael spricht im Stillen mit sich selbst. Sein Beruf ist mit viel Warterei verbunden, unterbrochen von Augenblicken höchster Konzentration. Seine Tätigkeit erfordert eine nahezu übernatürliche Fähigkeit, Gedanken und Handeln in freiwillig gewählten Momenten zu kombinieren, die so kurz sind wie die Kniereflexe eines normalen Menschen. Michael ist Profi-Kricketspieler, und während er darauf wartet, dass ein Ball geworfen wird, führt er Selbstgespräche.30

      »Ich gehe davon aus, dass ich nicht laut rede«, erzählt er mir, als ich ihn eines Tages nach dem Training im Bezirksstadion treffe. »Aber in meinem Kopf gebe ich Befehle, dass sich mein hinterer Fuß ein klein wenig bewegt, und ich schiebe ihn nur ein bisschen zur Seite. Und dann versuche ich, mir zu sagen: Okay, pass auf den Ball auf, fast so, als ob ich alle Gedanken, die damit verbunden sind, auslöschen wollte.«

      Schon lange wurde beobachtet, dass diese Art von Selbstgespräch ein wichtiger Bestandteil von sportlichen Leistungen ist. In einer klassischen Studie aus dem Jahr 1974 lenkte der Sportpädagoge und Schriftsteller W. Timothy Gallwey die Aufmerksamkeit seiner Leser auf ein Szenario, das seiner Meinung nach auf jedem Tennisplatz zu beobachten ist: Die meisten Spieler reden auf dem Platz unentwegt mit sich selbst. »Streck dich nach dem Ball.« – »Ziele auf seine Rückhand.« – »Behalte den Ball im Auge.« – »Beuge deine Knie.« Die Befehle nehmen kein Ende. Für manche ist es, als würden sie im Kopf eine Tonbandaufnahme ihrer letzten Trainingsstunde hören. Dann, nach dem Schlag, geht dem Spieler ein anderer Gedanke durch den Kopf, der etwa wie folgt lauten könnte: »Du ungeschickter Ochse, deine Großmutter könnte besser spielen!«31

      Obwohl das sowohl für die Ochsen als auch die Großmütter harsch klingen mag, Gallwey analysierte diese übliche СКАЧАТЬ