Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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      *

      Vi­el­leicht wa­ren die nun fol­gen­den vier oder fünf Tage die am meis­ten har­mo­ni­schen und die glück­lichs­ten, die der Fa­mi­lie je be­schie­den ge­we­sen sind.

      Wir mach­ten Fahr­ten statt Fuß­wan­de­run­gen, da wir ja nun un­se­re Equi­pa­ge hat­ten, un­ter an­derm auch nach der Jo­se­phi­nen­hüt­te in Schrei­ber­hau, wo meh­re­re Glasö­fen in Be­trieb wa­ren und man die Glas­blä­ser be­ob­ach­ten konn­te. Wie wir Kna­ben an Stroh­hal­men un­se­re Sei­fen­bla­sen, so blie­sen sie durch me­tal­le­ne Röh­ren die in Weiß­glut bren­nen­den Glas­mas­sen auf und ge­stal­te­ten sie zu al­ler­lei For­men. Wenn ich von die­sem Ein­druck ab­se­he, der sehr tief und nach­hal­tig war, blieb mir aus die­sen Ta­gen we­nig zu­rück. Ge­wiss, sie wa­ren von un­ge­trüb­ter Hei­ter­keit, au­ßer dass ich all­mäh­lich be­griff, die bes­te Zeit war trotz­dem vor­über. Das in­ni­ge Ein­ver­neh­men mit mei­nem Va­ter hat­te sich in ein all­ge­mei­nes ver­flacht, bei dem ich zwar aus­ge­zeich­net und ver­wöhnt wur­de, das mir aber den Va­ter und Freund eben doch ent­frem­de­te.

      Bei al­le­dem hat­te ich mei­nen un­ter­bro­che­nen dio­ny­si­schen Rausch wie­der auf­ge­nom­men, war wie­der­um Ching­ach­gook, sieg­te in al­len Wett­ren­nen mit dem Step­pen­roß, war wie­der­um Wildtö­ter, Affe, Sing­vo­gel und führ­te mor­gens beim ers­ten Früh­stück, wo mit­un­ter die gan­ze Fa­mi­lie ein Geist des Über­muts er­griff, So­lotän­ze aus, eine Kunst, von der nur mei­ne Schwes­ter ge­wusst hat­te. Ich hat­te mir eine Art Ni­jin­ski-Tanz selbst aus­ge­dacht, oder bes­ser: er war als in­stink­ti­ves Be­dürf­nis aus mir her­vor­ge­tre­ten. Da­bei be­weg­te ich mich in ra­san­ten Fuß­wir­beln, Sprün­gen und der­glei­chen, wie ich glau­be, mit un­ge­wöhn­li­cher Viel­falt und Leich­tig­keit.

      So ist die­se Ba­de­rei­se zu Ende ge­gan­gen.

      *

      Aus ei­ner zwei­ten Ba­de­rei­se im Jahr dar­auf, die mich und den Va­ter nach Te­p­litz führ­te, wür­de, was uns­re psy­chi­sche Ver­fas­sung an­langt, nur eben das glei­che zu be­rich­ten sein. Ein Punkt viel­leicht ist nicht ganz be­deu­tungs­los, um als neu und be­son­ders er­wähnt zu wer­den, wenn man die Fol­gen durch ein gan­zes Le­ben ins Auge fasst. Mein Va­ter ge­wöhn­te mich ans Bier­trin­ken.

      Dem schö­nen böh­mi­schen Bier, be­son­ders dem aus Pil­sen, ist die Schuld dar­an bei­zu­mes­sen. Über­all wur­de es ser­viert. Es leuch­te­te all­zu freund­lich kris­tal­len-hell, schmeck­te all­zu edel und rein, um sich als un­ge­sund zu er­wei­sen.

      Am drit­ten Tage ver­lang­te ich schon mit Un­ge­duld, was mir am ers­ten noch wi­der­stan­den hat­te. So kam es, dass ne­ben Va­ters vol­lem Glas im­mer das mei­ne, ein eben­so großes, stand. Der Ei­gen­sinn mei­nes Va­ters ging dar­auf hin­aus, mich auch ge­gen den Al­ko­hol bei­zei­ten fest zu ma­chen.

      Da­rauf­hin sprach ihn ei­nes Abends im Re­stau­rant, wo wir sa­ßen, ein Frem­der an. Ob es für mich klei­nen Kna­ben wohl gut sein kön­ne, ein gan­zes Glas Bier zu trin­ken. Ja, sag­te mein Va­ter, ich wäre ein et­was blut­ar­mes Kind, und die­ses Ge­misch von Malz, Hop­fen und Al­ko­hol sei als Me­di­zin zu be­trach­ten. Der Frem­de schwieg und zuck­te die Ach­seln. Mein Va­ter war ein zu streng aus­se­hen­der, erns­ter Mann und be­nahm ihm den Mut, sich nach ei­ner sol­chen Er­klä­rung noch mit ihm ein­zu­las­sen.

      1 Ein Lan­dau­er ist eine vier­sit­zi­ge und vier­räd­ri­ge Kut­sche mit ei­nem meist in der Mit­te ge­teil­ten, klapp­ba­ren Ver­deck. <<<

      Am 13. Juli 1870 reis­te mein Va­ter für einen Tag nach Do­mi­ni­um Lohnig und nahm mich mit. Aus wel­chem Grun­de er die­sen für ihn un­ge­wöhn­li­chen Be­such mach­te, weiß ich nicht. Das Ver­hält­nis zwi­schen ihm und On­kel Gu­stav Schu­bert war ach­tungs­voll, aber man hat­te sich nicht sehr viel zu sa­gen. Gra­de dar­um muss die Ur­sa­che von Be­deu­tung ge­we­sen sein.

      Die lan­gen Ge­sprä­che zwi­schen Va­ter und On­kel hin­ter ver­schlos­se­nen Tü­ren, die kurz be­mes­se­ne Frist des Auf­ent­halts und der Ernst, der auch beim Abendes­sen nicht aus den Mie­nen der Män­ner wich, lie­ßen die alte Spiel­freu­de zwi­schen Vet­ter Ge­org und mir dies­mal nicht auf­kom­men. Mor­gens dar­auf brach­te uns On­kel in der üb­li­chen Land­kut­sche nach Strie­gau zur Bahn, eine Fahrt, die meh­re­re Stun­den ver­lang­te. Ich weiß nicht, wer es war, der uns in ei­ner glei­chen Kut­sche ent­ge­gen­kam, sie hal­ten ließ und uns zu­wink­te.

      Das Dump­fe, das über der gan­zen Rei­se ge­le­gen hat­te, lös­te, wie Ge­wit­ter­schwü­le ein ers­ter Blitz, die Nach­richt, die der Win­ken­de mit­brach­te. »Mei­ne Her­ren«, rief er, »wir ha­ben den Krieg! Ges­tern hat Kö­nig Wil­helm in Bad Ems den Ge­sand­ten Na­po­le­ons, der ihn wie einen La­kai­en Frank­reichs be­han­deln woll­te, ein­fach auf die Stra­ße ge­wor­fen. Die ge­sam­te nord­deut­sche Ar­mee mo­bi­li­siert, auch die süd­deut­schen Fürs­ten ma­chen mit, Bay­ern, Ba­den, Würt­tem­berg. Es braust ein Ruf wie Don­ner­hall!«

      Mein Va­ter und On­kel Schu­bert wa­ren bleich ge­wor­den.

      Da­mals stand ich noch vor Vollen­dung des ach­ten Le­bens­jah­res, aber es war nicht schwer zu be­grei­fen, dass sich et­was ganz Un­ge­heu­res, Grund­stür­zen­des er­eig­nen soll­te. Und nun wur­de im Wei­ter­fah­ren zum ers­ten Mal zwi­schen Va­ter und On­kel der Name Bis­marck laut, ein Name, den mein Be­wusst­sein bis da­hin nicht re­gis­triert hat­te. »Bis­marck,« sag­te der On­kel, »stürzt uns in ein sehr schlim­mes und sehr ge­fähr­li­ches Aben­teu­er hin­ein. Der All­mäch­ti­ge sei uns gnä­dig! We­der sind wir ge­rüs­tet ge­nug, aber wenn wir es wirk­lich wä­ren, wie wol­len wir den über­le­ge­nen Waf­fen und Mas­sen Frank­reichs wi­der­ste­hen?«

      Dem wei­chen und gü­ti­gen On­kel Gu­stav Schu­bert ge­gen­über schi­en mein Va­ter ein eben­so sanf­tes und wie­der­um gänz­lich ver­än­der­tes We­sen zu sein, aber er woll­te doch nicht in die Ver­zagt­heit des lie­ben Ver­wand­ten ein­stim­men. Mit ru­hi­gen und be­stimm­ten Wor­ten trat er für Bis­marck und sei­ne Hal­tung ein: er habe im­mer ge­wusst, was er wol­le, und es im­mer zum gu­ten Ende ge­führt. Er nann­te dann Molt­ke, Roon, Vo­gel von Fal­cken­stein und er­klär­te, wenn wirk­lich Bay­ern, Würt­tem­berg, Ba­den und Sach­sen mit­gin­gen, hät­te der Sieg eine große Wahr­schein­lich­keit.

      *

      Man schrieb den 25. No­vem­ber 1870, als der Brun­nen­in­spek­tor Fer­di­nand Straeh­ler, mein Groß­va­ter, starb. Die De­pe­schen Kö­nig Wil­helms, die Nach­rich­ten glän­zen­der Sie­ge und wie­der Sie­ge wa­ren noch an sein Ohr ge­schla­gen: die Er­stür­mung von Wei­ßen­burg, die der Spi­che­rer Hö­hen, die Sie­ge bei Wörth, Gra­ve­lot­te und St. Pri­vat, schließ­lich die Ka­pi­tu­la­ti­on von Se­dan.

      Das be­deu­te­te die Her­auf­kunft СКАЧАТЬ