Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Читать онлайн книгу Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann страница 29

Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ mit höchs­tem Stau­nen be­ob­ach­ten konn­te.

      Si­cher­lich hat mein Va­ter ins­ge­heim bei die­sen Wan­de­run­gen in sei­nen Ge­sprä­chen, Fra­gen, Er­ör­te­run­gen und Hin­wei­sen mei­ne Wei­ter­bil­dung im Auge ge­habt, aber nie in der Wei­se, dass ich es mer­ken und ir­gend­ein Ge­dan­ke an Schul­un­ter­richt mich ver­stim­men konn­te: sei­ner wur­de nicht ein­mal Er­wäh­nung ge­tan. So war mein Va­ter auch weit ent­fernt da­von, mich durch Re­chenexem­pel und die­se und jene heim­li­che Fra­ge zu ängs­ti­gen, wel­che meist nur die Un­wis­sen­heit des Kin­des an den Pran­ger stellt.

      Ein Be­dürf­nis nach ir­gend­ei­ner an­de­ren Ge­sell­schaft als der mei­nen hat­te mein Va­ter nicht, ein Be­weis, wie sehr ihn eine Som­mer­sai­son in Salz­brunn mit ih­rer Ver­pflich­tung, sich tau­send­fach im Um­gang mit Men­schen und wie­der Men­schen ab­zu­mü­den, da­mit über­sät­tigt hat­te.

      Anna Jung­nitz, die Toch­ter uns­rer Wir­te frei­lich, ein schö­nes, acht­zehn­jäh­ri­ges Bür­ger­mäd­chen, das sei­ner Hoch­zeit ent­ge­gensah, bil­de­te eine er­freu­li­che Aus­nah­me. Ich fühl­te, mein Va­ter hul­dig­te ihr, und ich sel­ber ge­noss das Glück ih­rer Nei­gung, die sie mir, als ei­nem Kin­de, durch al­ler­lei Zärt­lich­kei­ten er­wei­sen durf­te.

      Viel wür­de ich dar­um ge­ben, wenn ich des Va­ters Ge­sprä­che mit mir noch im Ge­dächt­nis hät­te. Mit Be­stimmt­heit kann ich nur sa­gen, was al­les dar­in nicht vor­ge­kom­men ist. Nichts zum Bei­spiel, was ei­nem Aus­hor­chen ir­gend­wel­cher Art ähn­lich ge­we­sen wäre, wie etwa Fra­gen über mei­ne Er­leb­nis­se mit dem Groß­va­ter und den Tan­ten im Dachrö­dens­hof oder nach mei­nem Ver­hält­nis zu den Ge­schwis­tern oder nach dem, was ich in der Schu­le oder im Ko­me­ten er­lebt hat­te. Er hat­te es al­ler­dings auch da­mals ver­mie­den, von sei­nem Va­ter mir zu er­zäh­len, eben­so auch von sei­nem Groß­va­ter, der hier in He­risch­dorf-Warm­brunn ein We­ber und Dorf­mu­si­kant ge­we­sen war. Er selbst ist in Warm­brunn zur Schu­le ge­gan­gen. Ein Schul­haus, das ihn als Kna­ben sah, ist heut noch vor­han­den. Kurz, ich leb­te da­mals, trotz­dem ich mit Va­ter al­lein war, eine wunsch­los ge­bor­ge­ne Zeit, am frü­hen Mor­gen hei­ter von ihm be­grüßt und abends – er ging kaum spä­ter als ich zu Bett – un­ter sei­ner vä­ter­lich war­men Hand ent­schlum­mernd.

      *

      Die schö­ne Epi­so­de ging in ein wun­der­vol­les, aber ganz an­ders­ar­ti­ges, lau­tes Fina­le aus. Es wur­de wie­der­um auf Grund der Lieb­ha­be­rei mei­nes Va­ters durch eine Über­ra­schung ein­ge­lei­tet. Für mich eine Über­rum­pe­lung, und zwar eine, wie ich sie ähn­lich wir­kungs­voll in mei­nem Da­sein nicht wie­der er­lebt habe.

      Die neu­en, mäch­ti­gen Ein­drücke aus die­ser land­schaft­lich die Salz­brun­ner Ge­gend weit über­bie­ten­den Na­tur, ver­bun­den bei im­mer köst­li­chem Wet­ter mit ei­nem stil­len, mich lie­be­voll um­he­gen­den hei­te­ren Sein, hat­ten mich Salz­brunn bei­na­he ver­ges­sen las­sen. Wäre es da­mals wirk­lich ver­sun­ken, es hät­te nicht kön­nen ver­sun­ke­ner sein. Ich weiß nicht, wann ich die Mut­ter, mei­ne Ge­schwis­ter, mein Wild­lings­le­ben, den Gast­hof zur Preu­ßi­schen Kro­ne und was noch sonst – und ob ich das al­les über­haupt je ver­misst hät­te. In ei­nem Sin­ne war es ver­sun­ken, in ei­nem an­de­ren fern­ge­rückt; denn Ei­sen­bahn­fahrt über eine lan­ge Ket­te von Sta­tio­nen, end­lich die Fahrt auf der Jour­na­liè­re hat­ten eine nach mei­nen Be­grif­fen un­ge­heu­re Ent­fer­nung zwi­schen mich und Salz­brunn ge­legt.

      Wir hat­ten ge­ba­det, wir hat­ten ge­früh­stückt, es war ein Tag wie alle Tage. Mein Va­ter schlug eine Wan­de­rung nach Fisch­bach oder Buch­wald vor. Ich konn­te auch an­de­re Wün­sche äu­ßern, die mit der glei­chen Ach­tung wie von ei­nem Er­wach­se­nen ent­ge­gen­ge­nom­men und dis­ku­tiert wur­den. Es blieb bei Buch­wald, weil uns die Seen und be­rühm­ten Park­an­la­gen an­zo­gen. We­nigs­tens mach­te al­les auf mich den Ein­druck, als ob wir uns aus kei­nem an­de­ren Grund für die­ses Ziel ent­schie­den hät­ten.

      Un­weit Buch­wald saß eine alte Ti­ro­ler Bäue­rin, Emi­gran­tin aus Zil­ler­tal, vor ih­rem nach Ti­ro­ler Mus­ter sau­ber er­bau­ten Haus, und mein Va­ter frag­te sie nach dem Wege. In Ti­ro­ler Mund­art gab sie Be­scheid, wo­bei sie mei­nen Va­ter mit du an­re­de­te, was für mich bei der Ge­gen­sätz­lich­keit bei­der Ge­stal­ten eine höchst be­fremd­li­che Über­ra­schung war. Der Um­stand wur­de dann zwi­schen Va­ter und mir sehr be­lacht, und so wa­ren wir, von der Al­ten rich­tig ge­wie­sen, in eine Al­lee hin­ter dem Buch­wal­der Schloss ge­langt, wo mein Va­ter hin­woll­te. Ei­ni­ge Schrit­te erst hat­ten wir in die­ser Al­lee zu­rück­ge­legt, als in ih­rer sich mehr und mehr ver­jün­gen­den Tie­fe ein Punkt er­schi­en, in dem mei­ne schar­fen Au­gen einen Wa­gen mit zwei Pfer­den da­vor er­kann­ten. Mein Va­ter, der ja kurz­sich­tig war, woll­te wis­sen, wie der Wa­gen aus­sä­he, was ich ihm aber ge­nau nicht sa­gen konn­te, da selbst für mei­ne Au­gen die Ent­fer­nung zu groß war. Je­den­falls kam der Wa­gen auf uns zu, und man hat­te ja dann Ge­le­gen­heit, sich über die Art des Ge­fähr­tes klar­zu­wer­den.

      Kaum hat­te ich dies bei mir selbst ge­dacht, als mein Va­ter mit ei­ner ge­wis­sen Hast eben­der­sel­ben Mei­nung Aus­druck gab. »Ger­hart«, hieß es, »raff dich zu­sam­men, geh gra­de und grü­ße, wenn der Wa­gen vor­bei­fährt, es ist Graf X., und wir sind hier auf sei­nem Grund und Bo­den.« Das sah ich ein. Und als nun mein Va­ter noch das bei ihm üb­li­che kur­ze Kom­man­do »Brust raus, Bauch rein!« er­tö­nen ließ, schritt ich, als ob ich einen La­de­stock ver­schluckt hät­te, ne­ben ihm.

      In­zwi­schen, als die Equi­pa­ge mit zwei leb­haf­ten Pfer­den nä­her und nä­her kam, wur­de mir et­was an die­sem Ge­fährt auf eine Wei­se, die ich mir nicht er­klä­ren konn­te, wun­der­sam. Das Be­frem­den lag nun aber wie­der dar­in, dass mir et­was dar­an be­kannt er­schei­nen woll­te. In die­sem Au­gen­blick wuss­te ich noch nicht, dass ich im nächs­ten den glück­lichs­ten mei­ner Ju­gend er­le­ben soll­te: schon aber fing er sich im Dun­keln zu re­gen, zu grau­en, zu däm­mern und in ei­ner plötz­li­chen Be­stür­zung über­grell blen­dend zu leuch­ten an. Und so, als ob man mit ei­nem Blick mit­ten in die Son­ne er­blin­de­te und aus die­ser Blind­heit tre­te ein gott­ge­sand­ter En­gel her­vor, so sah ich plötz­lich den Die­ner ne­ben dem Kut­scher in mei­nen äl­tes­ten Bru­der Ge­org ver­wan­delt, er­kann­te aber un­se­ren ei­ge­nen Kut­scher Fried­rich im­mer noch nicht, un­se­re Pfer­de und un­sern Wa­gen eben­so­we­nig, bis ich, das In­ne­re des of­fe­nen Lan­dau­ers über­bli­ckend, im­mer noch mei­nen Au­gen nicht trau­te, als ich im Fond mei­ne Mut­ter, mei­ne Schwes­ter Jo­han­na und mei­nen Bru­der Carl sit­zen sah.

      Es hät­te da­mals wirk­lich nicht СКАЧАТЬ