Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Читать онлайн книгу Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann страница 25

Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ der auf der an­de­ren Sei­te durch ein glei­ches Tür­chen ver­schlos­sen war. Nicht ein­mal am Tage war es uns Kin­dern an­ge­nehm, durch die­sen »Sich­dich­für«, die­ses licht­lo­se Loch, hin­durch­zu­schlüp­fen. Es lief auf eine Brücke über die Salz­bach aus.

      Im Fa­mi­li­en­kreis galt ich als das ver­hät­schel­te, zu­tun­lich wei­che Nest­häk­chen. Man wuss­te hier nichts – und nicht ein­mal ich sel­ber wuss­te es – von dem Ruf, den ich auf der Gas­se ge­noss, wo ich als ein ver­we­ge­ner, durch­trie­be­ner, gänz­lich furcht­lo­ser Bur­sche ge­nom­men wur­de. Wie oft war die Nacht über un­se­rer wil­den Spie­le­rei her­ein­ge­bro­chen: der fins­ters­te Win­kel im Ei­fer des Kriegs­spiels schreck­te mich nicht.

      Jetzt, im an­de­ren See­len­ko­stüm, war ich scheu, ängst­lich, furcht­sam, ver­zär­telt, zim­per­lich. Nur mit he­ro­i­scher Über­win­dung konn­te ich dem Wun­sche des Va­ters nach­kom­men. Schon die Über­que­rung des Plat­zes, wo som­mers die Drosch­ken stan­den, war kei­ne Klei­nig­keit. Es kam dann das Er­stei­gen der Freitrep­pe mit dem tie­fen, düs­tern Rau­me als Hin­ter­grund. Kaum dass ich den hal­len­den Bo­den be­trat, auf dem die di­cken Schat­ten der Säu­len la­gen, fing ich auch schon zu lau­fen an, wor­auf so­gleich vom Schall mei­ner Soh­len Tau­sen­de dä­mo­ni­scher Stim­men laut wur­den. Sie schri­en und peitsch­ten all­sei­tig auf mich ein. Und nun ka­men die blin­den Gla­stü­ren der Kur­sä­le, die, ei­si­ge und lee­re Höh­len, da­hin­ter lau­er­ten. Das Kur­haus war im Win­ter ge­schlos­sen. Die Schei­ben klirr­ten von mei­nem Schritt, und un­ter mir tön­te hohl die Holz­die­le. Zur Rech­ten hat­te ich den scheuß­li­chen Sich­dich­für, worin ich mir et­was wie lau­ern­de mör­de­ri­sche Erin­nyen vor­stell­te. Wenn ich den Hut nun durch­aus nicht ent­de­cken konn­te, lief ich, viel­leicht mich an­ders be­sin­nend, nicht wie ge­hetzt da­von und zu­rück, son­dern be­weg­te mich steif und auf laut­los-furcht­sa­me Wei­se. Und nun tra­ten wohl vor die ver­na­gel­ten Lä­den die som­mer­li­chen In­ha­ber: das Ge­s­penst Ger­tisch­kes, des Por­zel­lan­ma­lers, des Glas­wa­ren­händ­lers Krebs, von dem be­kannt war, dass er über­all sei­nen Sarg mit sich führ­te. Das al­les war mehr als gru­se­lig.

      *

      Da­mals war Be­leuch­tung durch Gas eben auf­ge­kom­men. Mein Va­ter neig­te zu je­der Art von Mo­der­ni­tät, so leg­te man auch in der Preu­ßi­schen Kro­ne Gas­röh­ren. Die Bren­ner mit der in ei­ner Ex­plo­si­on sich ent­zün­den­den fä­cher­för­mi­gen Flam­me wa­ren pri­mi­tiv. Un­se­re ver­hält­nis­mä­ßig klei­nen Wohn­zim­mer er­füll­ten win­ters an lan­gen Aben­den gif­ti­ge Rück­stän­de. Das rüg­te die al­len Neu­hei­ten ab­ge­neig­te Mut­ter. Den Stolz des Va­ters auf die­se Art Be­leuch­tung beug­te das nicht.

      Ei­nes Ta­ges nahm er mich mit in die Gas­an­stalt. Nun wur­de mir deut­lich, dass die Gas­be­leuch­tung von Ober-Salz­brunn über­haupt un­ter sei­ner Lei­tung stand und von ihm ein­ge­rich­tet wor­den war. Die Hei­zung der Re­tor­ten und die Be­die­nung des Ga­so­me­ters lag in der Hand ei­nes Werk­meis­ters na­mens Sa­lo­mon. Er, den selbst ich so­fort als Lun­gen­kran­ken er­ken­nen konn­te, hat­te viel­leicht die Salz­brun­ner Stel­lung in der Hoff­nung, an den Heil­quel­len zu ge­ne­sen, an­ge­nom­men. Die­ser Sa­lo­mon mit sei­nem Ernst, sei­ner hoh­len Stim­me, sei­nem blau­en Kit­tel, mit der Koh­len­schau­fel vor der zit­tern­den Weiß­glut sei­ner Re­tor­ten hat mir einen tie­fen Ein­druck ge­macht. Ich sah zum ers­ten Mal den mo­der­nen Ar­bei­ter, eine Men­schen­art, die mir einen ganz an­de­ren Re­spekt ab­nö­tig­te als jede, die mir sonst vor die Au­gen ge­kom­men war. Ein neu­er Adel, schi­en mir, um­gab die­sen Mann, der hier sei­ne Höl­len­schlün­de in Brand setz­te, in ih­rer ge­fähr­li­chen Nähe han­tier­te mit ge­las­se­ner Selbst­ver­ständ­lich­keit und ei­nem un­be­irr­ba­ren Pf­licht­ge­fühl. Er er­klär­te mir, wie man den Ga­so­me­ter auf­füll­te, und mein Va­ter deu­te­te an, dass ein ein­zi­ger hin­ein­ver­irr­ter Fun­ke eine Ex­plo­si­on ver­ur­sa­chen kön­ne, die uns alle in Stäub­chen zer­rei­ßen wür­de.

      Wel­che At­mo­sphä­re von schlich­tem Mut, Op­fer­be­reit­schaft in je­dem Au­gen­blick, erns­tem Wil­len zur Verant­wor­tung um­wit­ter­te die­sen Mann, über den ich von Stund an im­mer wie­der nach­den­ken muss­te.

      Der re­spekt­vol­len Art mei­nes Va­ters die­sem Man­ne ge­gen­über konn­te ich an­mer­ken, dass er ähn­lich wie ich zu ihm stand.

      1 Zwi­cker, Bril­le ohne Bü­gel <<<

      2 (Lat.) not­ge­drun­gen, wohl oder übel <<<

      3 Kern­ge­häu­se <<<

      Mein Va­ter war Jä­ger, hat­te selbst eine Jagd ge­pach­tet und wur­de viel­fach, so auch von der fürst­lich-ples­si­schen Jä­ge­rei, zu Jag­den ge­la­den. Sei­ne Hel­den­ta­ten, die ich ihn selbst nicht er­zäh­len hör­te, be­leb­ten im­mer aufs neue den Fa­mi­li­en­stolz. Eine Doublet­te in Hir­schen, die er bei ei­net Ver­lappjagd in den Gör­bers­dor­fer Ber­gen, dem Re­vier On­kel Adolfs, im wah­ren Sin­ne des Wor­tes er­zielt hat­te, war der Hö­he­punkt. Dann kam ein er­leg­tes Her­me­lin, in der Nähe von Salz­brunn als Wun­der emp­fun­den. Mein Va­ter hat­te ge­glaubt, ein Stück Pa­pier zu se­hen, das der Wind bald so, bald so hin und her be­weg­te. Ei­gent­lich mehr aus Schieß­lust hielt er mit der Dop­pel­flin­te dar­auf, wor­auf der Pa­pier­fet­zen sei­ne Tän­ze ein­stell­te. Was er auf­nahm und als Tro­phäe heim­brach­te, war, wie ge­sagt, ein Her­me­lin.

      Zu­fäl­lig ei­nes Nachts war ich wach, als mein Va­ter sich für den Pirsch­gang zu­recht­mach­te. Als er mit sei­nen Ver­rich­tun­gen fer­tig war, zog es ihn in sei­ner vol­len win­ter­li­chen Ver­mum­mung zum Ab­schied noch ein­mal an mein Bett, und er woll­te mir zärt­lich mit den Fin­gern durchs Haar fah­ren. Beim Däm­mer des Nacht­licht­chens aber ge­riet un­ver­se­hens ein Fin­ger mit hef­ti­gem Stoß in mein lin­kes Auge. Die Fun­ken sto­ben aus mei­nen Wim­pern.

      Ich habe mei­nen Va­ter kaum je lie­ber ge­habt als in die­sem Au­gen­blick. Noch grö­ße­ren Schmerz hät­te ich auf mich ge­nom­men, wenn ich den sei­nen und sei­nen Schreck da­mit hät­te zu mil­dern ver­mocht. Er leg­te so­gleich alle Jag­du­ten­si­li­en ab, und er und die Mut­ter mach­ten mir nas­se Um­schlä­ge. Erst als der Schmerz sich be­ru­hig­te und mein Auge sich als un­be­schä­digt er­wie­sen hat­te, trat er, und zwar nur auf Zu­re­den mei­ner Mut­ter, den Pirsch­gang doch noch an.

      Ein ähn­li­cher Vor­fall hat, wie ich fürch­te, eine klei­ne Fol­ge zu­rück­ge­las­sen. Ei­nes Ta­ges im Herbst er­laub­te mein Va­ter mir, ihn zu be­glei­ten, als er mit der Flin­te ein we­nig das Ge­län­de ab­su­chen woll­te. Ich war er­staunt, wie er ohne Weg und Steg in je­der ge­wünsch­ten Rich­tung über die Fel­der von Hinz und Kunz mit mir stap­fen durf­te. Ein Dut­zend Schrit­te ab­seits von ihm, hör­te ich ihn dann das Kom­man­do »Duck dich!« ru­fen. Ich tat es, wo­bei ich das СКАЧАТЬ