Название: Das Abenteuer meiner Jugend
Автор: Gerhart Hauptmann
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Klassiker bei Null Papier
isbn: 9783962818746
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Ward im Herbst von meinem Vater und Onkel Gustav Wein abgezogen, so musste ich wohl behilflich sein. Es war nicht ganz leicht, volle Flaschen auf dem unebenen Steinboden des Kellers aufzustellen, die ich dem vor dem Fasse sitzenden Onkel abzunehmen hatte. Mein Vater ging dabei ab und zu und mahnte mich zu Sorgfalt und Ruhe. Obgleich ich nicht ohne Geschick und mit wahrem Vergnügen bei der Sache war, passierte es einmal, dass ich oder besser eine der Flaschen das Gleichgewicht nicht mehr halten konnte und eine ganze Reihe anderer Flaschen mit sich riss. Ich wurde ausgescholten und, was die größte Strafe war, als noch zu dumm und zu klein für ein solches Geschäft fortgeschickt.
Unterm Saal wurden Flaschen gewaschen. Die Reinigung geschah durch Wasser und Schrot. In Löchern auf langen Brettern wurden dann die Flaschen, Mündung nach unten, hingestellt.
Irgendwie hatte das Weinabfüllen auch für uns Kinder etwas Festliches, und mitunter ging es, wie durch Zufall, auch für die Erwachsenen in etwas dergleichen, nämlich eine Weinprobe, aus. Einmal hatten sich dazu ein Dutzend Menschen im Keller und um die Kellertür zusammengefunden. Man trank, wo man gerade ging und stand, im dämmrigen Vorflur oder im Raume hinter der Eingangstür, wo frühjahrs der Mann mit den Muscheln erschien und wo das rasende Hündchen sein Ende gefunden hatte. Ein Postsekretär, ein altes Fräulein, der Polizeiverwalter des Ortes, ein hinkender Prokurist aus dem Industriebezirk, Doktor Straehler, meine Mutter und Schwester und dieser und jener aus den gebildeten Kreisen Ober-Salzbrunns waren darunter. Es scheint, dass mein Vater mit viel eigenem Vergnügen eine solche Gelegenheit beim Schopfe nahm.
Damals trugen die Postsekretäre noch Uniform und den Degen an der Seite. Der unsre galt als Original und mag vielleicht ein den Jugendfreunden Goethes, Merck oder Behrisch, verwandter Typus gewesen sein. Ich vergesse nicht, wie er, als endlich seine Amtsstunde schlug, den Rembrandthut des alten Fräuleins und Blaustrumpfs auf dem Kopf, mit gezogenem Degen hinaus, über den Platz, in die leere Elisenhalle und seinem Büro entgegen stiefelte.
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Gemeinsame Schlittenpartien waren ein schönes Vergnügen der guten alten Zeit. Ich habe sie noch mit Augen gesehen und mitgemacht. Herrlich, wenn einige Dutzend Schlitten, die Pferde mit nickenden bunten Federbüschen, mit tosendem Schellengeläute hintereinander herfuhren. Man landete über der böhmischen Grenze irgendwo, wo man mit Kaffee, Kuchen und Tokaier1 das Tanzvergnügen eröffnete. So hielt es das alte übermütige Schlesien, das nicht mehr vorhanden ist.
Zwischen Weihnachten und Neujahr lud mein Vater befreundete Jugend Salzbrunns zu einer Veranstaltung, die er selbst erfunden hatte. Chinesische Lampions beleuchteten in kalter Mondnacht von oben bis unten und zu beiden Seiten den Kronenberg. Dreißig bis vierzig Handschlitten waren zusammengeborgt worden und wurden an ebenso viele Paare junger Herren und Damen verteilt. Auf der Steinterrasse vor dem Großen Saal, an der die Schlitten, jeder mit einem vergnügten Paar, vorbeirutschten, wurden heiße Getränke, Grog, Glühwein, Tee und Kaffee, bereitgehalten und an die immer lustiger werdenden Rodler gereicht. Ein Teil der Vorbereitungen zu solch einem Fest, nämlich das Zusammenholen der Handschlitten, wurde uns Kindern überlassen. Auch das bereicherte vielfach meinen Vorstellungskreis.
1 süßer, aus Ungarn stammender Dessertwein von hellbrauner Farbe <<<
Siebzehntes Kapitel
Freuden, die uns mein Vater machen wollte, liebte er durch Überraschung zu steigern. Einst wurden mir – es war im beginnenden Herbst – allerlei neue Kleider, Schuhe, Mützen und dergleichen anprobiert. Mein Vater sagte, was meine Mutter lächelnd bestätigte, dass ein Knabe in Bremen, der ganz genau meine Figur habe, alle diese schönen Hosen, Westen, Jacken, Mützen und Schuhe bekommen solle. Sein Vater habe darum gebeten, weil der Zwerg, Meister Leo, der beste und billigste unter den Schneidern sei. Als meine Tätigkeit im Dienste des Bremer Kaufmannssöhnchens beendet war, holte man mich eines Tages aus der Schule. Man sagte mir heiter, dass alle die angeblich für den Bremer angefertigten Sachen mein wären und dass ich sogleich eine Badereise mit meinem Vater antreten würde. Das versetzte mich nach meiner angeborenen Art, als ich es ganz begriffen hatte, in einen kleinen Koller von Glückseligkeit.
Die Reise fand dann auch wirklich statt. Ich durfte die Schule hinter mir lassen, was allein schon ein Glück bedeutete. Im Übrigen wusste ich schon von der Reise nach Breslau, wie durchweg heiter und angenehm ein solches Unternehmen in der Gesellschaft des Vaters sein konnte. Er selber schien bei solchen Gelegenheiten ein anderer Mensch geworden zu sein. Wir fuhren bis nach der altertümlich-reizvollen Bergstadt Hirschberg auf der Eisenbahn und von dort nach dem Bade Warmbrunn am Fuße des Riesengebirges mit einem wackligen Omnibus, der damals noch Journalière genannt wurde. Mein Vater suchte eines rheumatischen Leidens wegen die heißen Quellen von Warmbrunn auf, und mir waren sie ebenfalls verordnet, obgleich mein Flechtenleiden nur manchmal noch aufflackerte.
Drei Wochen war ich mit meinem Vater allein. Früh, nach dem gemeinsamen Bad, nahmen wir in der Villa Jungnitz, wo wir wohnten, das erste Frühstück ein, wobei ich nach Herzenslust in dick mit Butter bestrichene Hörnchen beißen durfte. Nachdem wir uns СКАЧАТЬ