Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann
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Читать онлайн книгу Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann страница 27

Название: Das Abenteuer meiner Jugend

Автор: Gerhart Hauptmann

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Klassiker bei Null Papier

isbn: 9783962818746

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СКАЧАТЬ hat­te sich die An­sicht ver­brei­tet, dass er ein schwa­cher Cha­rak­ter sei. Sei­ne Ein­stel­lung in den Ho­tel­be­trieb war wie­der­um ein Ver­such, ihn zu ei­nem brauch­ba­ren Men­schen zu ma­chen. Er war dick­lich und trug sich gern in ka­rier­ten Woll­stof­fen. Sein Auge, glaub’ ich, war et­was fad. Röt­li­che Brau­en und röt­li­ches Haar mach­ten ihn On­kel Gu­stav Schu­bert ähn­lich, trotz­dem eine Bluts­ver­wandt­schaft nicht be­stand.

      Un­ser Gu­stav war ein Stot­te­rer. Sei­ne Schwä­che, die wir Kin­der ihm mit Lie­be ver­gal­ten, war un­über­wind­li­che Gut­mü­tig­keit. So konn­te er sei­ner­seits als Vi­ze­wirt und Per­so­nal­chef sich nur schwer in Re­spekt set­zen. Uns Kin­dern et­was ab­zu­schla­gen, was wir sehn­lich be­gehr­ten, ver­moch­te er nicht. Fünf Sil­ber­gro­schen, zehn Sil­ber­gro­schen, die er von ihm er­hal­ten hat­te, zeig­te mir Carl al­ler Au­gen­bli­cke.

      Un­ser Va­ter war ihm weit mehr als ir­gend­je­man­dem im Ho­tel Ach­tungs­per­son. Man kann wohl sa­gen, er fürch­te­te ihn und ging, wo er konn­te, ihm aus dem Weg.

      Er führ­te die Bü­cher, hat­te die Lohn­aus­zah­lung und den Kel­ler un­ter sich, ging ge­le­gent­lich mit dem Va­ter auf Jagd oder fuhr mit ihm, wohl auch al­lein, nach der Kreis­stadt Wal­den­burg, um ein­zu­kau­fen oder Lie­fe­rungs­ab­kom­men für den Gast­hof zu tref­fen.

      Dass er gern in den klei­nen Bier­stu­ben all­zu seß­haft war, trug ihm Rüf­fel und manch­mal die hef­tigs­ten Vor­wür­fe mei­nes Va­ters ein, der ge­le­gent­lich droh­te, ihn vor die Tür zu set­zen, wie es hieß, und sich nicht mehr um ihn zu küm­mern.

      Mein Va­ter lieb­te sei­nen Halb­bru­der und hat­te sich löb­li­cher­wei­se in den Kopf ge­setzt, ihn aus der Ge­fah­ren­zo­ne des Ver­lod­derns her­aus­zu­rei­ßen.

      Ei­nes Ta­ges drück­te mir On­kel Gu­stav, der mich Fram­per nann­te, ein Fünf­gro­schen­stück in die Hand, eine Sum­me, wie ich sie nie be­ses­sen hat­te. Ich war völ­lig be­rauscht, als ich sie plötz­lich in der Hand fühl­te. Ich ließ sie mir fünf Mi­nu­ten spä­ter im klei­nen Kram­la­den der Wit­we Mül­ler, mit de­ren Sohn ich oft stun­den­lang Tü­ten kleb­te, in Kup­fer­drei­er um­wech­seln. Was zwan­zig Stück die­ser Geld­sor­te aus­mach­ten! Nun erst war ich be­frie­digt mit mei­nem, wie ich glaub­te, un­er­schöpf­li­chen Reich­tum in der Faust.

      Eine Stun­de spä­ter hat­te ich Zeit und Ver­an­las­sung, über die Ver­gäng­lich­keit ei­nes so un­ge­heu­er­li­chen Schat­zes nach­zu­den­ken. Ich hat­te vor mei­nen Myr­mi­do­nen und Spiel­ka­me­ra­den da­mit her­um­ge­prahlt und mir schließ­lich Drei­er für Drei­er ab­bet­teln las­sen.

      1 Kut­sche <<<

      Dok­tor Straeh­ler, ein Vet­ter mei­ner Mut­ter, des­sen Va­ter also der Bru­der mei­nes Groß­va­ters Straeh­ler war, be­wohn­te im Grü­nen, nicht fern von uns, ein selbst­ge­bau­tes hüb­sches Haus, das er selt­sa­mer­wei­se Zum Ko­me­ten ge­nannt hat­te. Ein Bau­er, der ihn als Arzt kon­sul­tie­ren woll­te, hat­te mit den Wor­ten nach ihm ge­fragt: »Wu gieht’s denn hie zum Duk­ter Streh­lin­ger eis Ko­mi­tee?«, was im­mer wie­der er­zählt und be­lacht wur­de.

      Ich könn­te nicht sa­gen, wie es mit sei­nem ärzt­li­chen Wis­sen be­schaf­fen ge­we­sen ist, aber er war ein schö­ner und ele­gan­ter Mann, der schöns­te viel­leicht un­ter den Ba­de­ärz­ten.

      In sei­nem Hau­se herrsch­te, von mei­ner Tan­te Straeh­ler aus­ge­hend, eine bei­nah sche­men­haf­te, küh­le Gü­tig­keit. Die Na­tur mei­nes On­kels war voll gu­ter Lau­ne und Le­bens­lust. Bei­des in sei­nen vier Wän­den aus­zu­to­ben, hat­te er kei­ne Ge­le­gen­heit, nicht weil es ihm sei­ne Gat­tin ver­bot, son­dern weil er es um ih­ret­wil­len sich selbst ver­sag­te. An­ders war dies in un­serm Krei­se, wo Va­ter und Mut­ter sei­nen Hu­mo­ren al­les Ver­ständ­nis ent­ge­gen­brach­ten und sich von ih­nen be­lebt fühl­ten.

      Die­sem On­kel, der wie mein Groß­va­ter mit dem Vor­na­men Her­mann hieß, konn­te man an­mer­ken, dass er sich wohl­fühl­te. Man ver­zieh dem ele­gan­ten und schö­nen Mann, wenn er selbst in Ge­sell­schaft von vor­neh­men Da­men ge­le­gent­lich Schwarz schwarz, Weiß weiß und ge­wis­se phy­sio­lo­gi­sche Funk­tio­nen mit lu­the­risch-deut­schen Kern­wor­ten nann­te. Mit ei­nem lie­bens­wür­di­gen La­chen der Un­schuld wur­den des­falls er­teil­te Rü­gen von ihm über­hört.

      Das Haus­we­sen die­ses On­kels ruh­te auf ei­nem Grun­de ge­si­cher­ten Wohl­stan­des, den er der Gat­tin zu ver­dan­ken hat­te.

      Die Kin­der des Dok­tor Straeh­ler­schen Ehe­paa­res – da­mals sind nur Ar­thur und Ger­trud in mein Be­wusst­sein ge­tre­ten – wur­den nach ganz an­de­ren Grund­sät­zen auf­ge­zo­gen als wir klei­nen Haupt­leu­te: hier Ab­här­tung, dort Ver­zär­te­lung. Es war nicht zu den­ken, dass Ar­thur im Win­ter etwa mit mir stun­den­lang oder über­haupt den Pap­pel­berg hät­te hin­un­ter­ro­deln dür­fen. Sol­che all­fäl­lig ge­fähr­li­chen Un­ter­neh­mun­gen, und noch dazu un­ter lär­men­den und kra­keelen­den Gas­sen­jun­gen, konn­ten für ihn nicht in Be­tracht kom­men.

      Es ka­men bei die­sem Win­ter­ver­gnü­gen ge­le­gent­lich wirk­lich Un­fäl­le vor. Ein Kna­be, der bei ver­eis­ter Bahn, den Kopf vor­an, auf dem Schlit­ten lag, fuhr ge­gen einen Pap­pel­stamm und wur­de be­wusst­los fort­ge­tra­gen.

      Vi­el­leicht war Ger­trud wirk­lich ein zu schö­nes und zar­tes Kind, um ro­bus­ten Ver­gnü­gun­gen die­ser Art ge­neigt und ge­wach­sen zu sein, und be­durf­te eben der Pfle­ge, wie sie ihr von den El­tern zu­teil wur­de. Bei Ar­thur schi­en es uns und mei­nem Va­ter und mei­ner Mut­ter, man gin­ge in ängst­li­cher Sorg­falt zu weit.

      Wir Kin­der be­such­ten ein­an­der ge­le­gent­lich, nicht aber so, dass wir im Ko­me­ten und sie im Gast­hof zur Kro­ne un­ge­mel­det aus und ein gin­gen. Die Vor­be­spre­chun­gen zwi­schen den El­tern dau­er­ten ta­ge­lang. Man muss­te nicht nur im Ko­me­ten auf un­ser Er­schei­nen vor­be­rei­tet sein, son­dern Ar­thur und Ger­trud kos­te­ten noch weit grö­ße­re Um­stän­de, wenn sie zu uns her­über­ge­bracht wer­den soll­ten. Was sie tun und nicht tun durf­ten, wur­de an­ge­sagt, was sie es­sen und ver­mei­den, wel­che Wär­me die Zim­mer brauch­ten und so fort.

      Pünkt­lich wur­den sie dann vom Haus­die­ner des Ko­me­ten, ver­mummt bis über die Au­gen, mit Fuß­sä­cken aus­ge­stat­tet und im reich­ver­zier­ten Stuhl­schlit­ten, an­ge­bracht. Und doch war der Weg vom Ko­me­ten bis zu uns in zwei Mi­nu­ten zu­rück­zu­le­gen.

      *

      Im spä­ten Herbst und zei­ti­gen Früh­jahr, wenn kei­ne Gäs­te mehr oder noch kei­ne da wa­ren, fand ge­le­gent­lich ein grö­ße­rer Kreis von Ver­wand­ten den Weg zu uns und ge­noss die freie und herz­li­che Gast­lich­keit mei­nes Va­ters.

      Ich СКАЧАТЬ