Название: Dialektik des geisteswissenschaftlichen Universums
Автор: Horst-Joachim Rahn
Издательство: Автор
Жанр: Языкознание
isbn: 9783960085553
isbn:
► Demgegenüber haben nicht wenige Menschen mit der Ehrlichkeit keine guten Erfahrungen gemacht: „Mit der Ehrlichkeit fängt auch die Dummheit an“ (aus Japan). Folge: „Wo Ehrlichkeit das Dümmste ist, wird Ehrlichkeit auch nicht vermisst“ (E.H. Bellermann). Oder karrieremäßig interpretiert: „Ehrlichkeit ist eine Zier, doch weiter kommt man ohne ihr“ (Sprichwort). Auch wurde in Erfahrung gebracht: „Ehrlichkeit öffnet nicht jede Tür“ (V. Frank). Oder: „Mit Offenheit verschließt man sich alle Türen“ (G.W. Heyse). Vorsicht vor der „ehrlichen“ Meinung: „Was dem einen leicht von der Zunge geht, liegt dem anderen schwer im Magen“ (G.W. Heyse). Manchmal macht sie einsam: „Ehrlich sein: einsam sein“ (Max Frisch). Oder sie trifft uns innerlich: „Ehrlichsein tut mitunter weh.“*140 Aber: „Lieber ehrlich und einsam als unehrlich und angriffslustig.“* Stimmt das Folgende? „Die Ehrlichkeit dient mehr dem Selbstzweck als der Nächstenliebe“ (D. Mühlemann). Und: „Ehrlichkeit wär’ eine schöne Bürde, wenn sie nicht so drücken würde“ (E. Blanck). Ganz anders ist folgende Erfahrung: „Spontane Ehrlichkeit geht meistens mit der Lüge schwanger“ (V. Frank). Und: „Auf die Dauer kriegt auch die Ehrlichkeit Probleme mit dem Gleichgewicht“ (Art v. Rheyn). Für die Geschäftswelt gilt: „Wenn man einem Menschen trauen kann, erübrigt sich ein Vertrag. Wenn man ihm nicht trauen kann, ist ein Vertrag nutzlos“ (J.P. Getty). Zum Schluss: „Das Tragische ist, dass man mit Lüge und Falschheit im Leben weiter kommt als mit Offenheit und Ehrlichkeit“ (P.E. Schulberg). Ich bezweifle das!
► Was ist nun richtig? Ehrlichkeit erfordert gerade in der heutigen Zeit viel Mut: „Sie ist die … die Mutprobe unserer Zeit“ (R. Karius). Und: „Ehrlichkeit wiegt mehr als Erfolg des Augenblicks“ (unbekannt). Ich stehe persönlich dazu: „Ehrlichkeit währt am längsten.“ Zum Nachdenken: „Wer Geradlinigkeit krumm nimmt, liegt schief“ (W. Lörzer). Etwas eigen interpretiert: „Sieh zu, dass du ein ehrlicher Mensch wirst, denn dann sorgst du dafür, dass es einen Schurken weniger auf der Welt gibt“ (T. Carlyle). „Ehrlichkeit ohne Offenheit ist wie ein Haus ohne Tür“ (A. Brie). Zur Entwicklung der Ehrlichkeit: „Manche sind nur ehrlich geworden, nachdem sie entdeckt haben, dass auch das sich lohnen kann“ (Ch. Chaplin).
Heute sind viele Menschen nicht mehr ehrlich, sondern sie lügen, um sich vermeintliche Vorteile zu verschaffen. Der Trieb, seinen eigenen Vorteil zu suchen ist so stark, dass er den Trieb zur Wahrhaftigkeit ständig gefährdet.141 Wir sind heute schon so weit, dass sich nicht wenige Kinder und Jugendliche die Lügen von Erwachsenen zum Vorbild nehmen. Damit muss Schluss sein: „Wir sollten wieder zu den alten Werten zurückkehren, beispielsweise zu Ehrlichkeit, Aufrichtigkeit und Bescheidenheit.“* „Ohne Ehrlichkeit kein Vertrauen, ohne Vertrauen keine Zusammenarbeit“ (V. Frank). „Ich behaupte: Es geht auch ohne Lügen.“* Und diese Erkenntnis zeigt uns: „Die Wahrheit der Dialektik liegt nicht immer in der Mitte.“* Das Motto sollte sein:
„Sei immer redlich, wenn du auch betrogen wirst, denn das ist der Probierstein des Wackeren, dass er selten auf redliche Menschen trifft und doch sich selber gleich bleibt“
(Ludwig Tieck)
Manche machen sich über die Ehrlichkeit von Menschen sogar lustig: „Wie kann man so dumm sein, ich bin doch nicht blöd!“ (unbekannt). Die Antwort von G. Klopstock: „Wer redliche Arme verachtet, Weh dem!“. Zum Schluss sagt ein indischer Weiser sehr treffend: „Ehrlichkeit ist eine einzigartige Tugend, auf der der Einzelne und das Leben des Volkes sicher ruhen kann. Die Gesellschaft kann nur fortdauern, wenn sie mit angelassenem Mörtel der Ehrlichkeit, Gerechtigkeit und Rechtschaffenheit gebaut ist“ (Swami Sivananda).
2.4.7 Besonnenheit
Die Besonnenheit142 ist die Haltung der Gelassenheit eines Menschen, insbesondere in schwierigen Situationen selbstbeherrscht, vernünftig, abwägend bzw. distanziert zu handeln und die Vernunft walten zu lassen. Dabei gilt es, Geduld zu zeigen und vorschnelle bzw. unüberlegte Handlungen zu vermeiden. Die Besonnenheit zählt zu den Kardinaltugenden wie Weisheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit. Im Gegensatz zur Besonnenheit steht die menschliche Impulsivität, bei dem der Mensch spontan und ohne jeden Einbezug von Konsequenzen reagiert. Dazu ein Beispiel:
Der Philosoph Ludwig Feuerbach hatte sich mit Berta Löw verheiratet und suchte im Wald seine Ruhe auf einer Holzbank. Da stand plötzlich der Förster vor ihm: „Angermaier ist mein Name, ich bin der Oberforstrat des hiesigen Reviers. Mit wem habe ich das Vergnügen?“ „Das weiß ich nicht, ich kenne ihre näheren Lebensumstände nicht“ sagte Feuerbach. „Mein Herr, sagte der Forstrat Angermeier ungehalten“. Er sah Feuerbach streng an: „Sie sind recht unhöflich und seltsam dazu. Sie sollten wissen, dass ich ein namhafter Gelehrter bin, der schon zwei Bücher geschrieben hat. Meine Werke sind im hiesigen Revier von durchschlagender Wirkung, wenn Sie verstehen, was ich meine!“ Feuerbach antwortete besonnen: „Ich denke schon, Sie sehen mich zutiefst beeindruckt. Neben einem Mann wie Ihnen, Herr Angermeier, kann ein schlichter Waldläufer wie ich, sich nur klein vorkommen, wenn auch nicht unbedingt hässlich!“143
► Sophokles sagt zur Gelassenheit würdigend: „Aller Güter höchstes sei Besonnenheit.“ Und es gilt: „Besonnenheit ist eine Tugend, die mit dem Alter wächst“ (F. Schmidberger). Auch Politiker sollten sie beherzigen, denn: „Besonnenheit ist die Vernunft der Politik“ (L. Genbetta). Grundsätzlich zählt das deutsche Sprichwort: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.“ In ganz anderer Interpretation sieht es N.G. Dávila: „Die Gelassenheit ist die Folge akzeptierter Unsicherheit.“ Auch in kriegerischen Zeiten hat sie ihre Bedeutung: „Die höchste Krone des Helden ist die Besonnenheit mitten in Stürmen der Gegenwart“ (J. Paul). Außerdem: „Mut und Besonnenheit paarten sich, ihr geliebtes Kind nannten sie Tapferkeit“ (Sprichwort). Wir können in aller Gelassenheit feststellen: „Wer mit Bedacht handelt, erreicht, was er erstrebt“ (aus Arabien). Oder auch: „Kommt Zeit, kommt Rat“ (Sprichwort). Zum Schluss: „..zu dem, der warten kann, kommt alles mit der Zeit“ (aus Frankreich).
► Dem wird entgegengehalten: „Niemand ist mehr Fehlern ausgesetzt, als der Mensch, der nur aus Überlegung handelt“ (Vauvenargues). Oder deftiger: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz“ (M. Luther). „Die Besonnenheit bedeutet Gelassenheit und Selbstbeherrschung, zu langes Zaudern kann aber auch schaden. Deshalb mein Rat: „Sei besonnen, aber warte nicht, bis es zu spät ist.“* Und es gilt: Einseitige, unkritische Besonnenheit gleitet in die Tatenlosigkeit ab.“* Dazu passt: „Zu dem der immer wartet, kommt gewöhnlich alles zu spät“ (E. Oesch). Außerdem gilt in unserer hektischen Zeit: „Der Mensch hat das Warten verlernt. Darin liegt das Grundübel unserer Zeit“ (W.S. Maugham). Zum Schluss: „Wer gar zu viel bedenkt, wird wenig leisten“ (F. von Schiller).
► Was ist nun für unsere Lebensbewältigung wichtig? „Il faut faire le pas selon la jambe“, d. h. den Schritt muss man dem Bein anpassen (aus Frankreich). Und zu beachten ist auch: „Wirf deine alten Schuhe nicht weg, ehe du neue hast“ (aus Flandern). Zu viel Besonnenheit ist auch nicht gut: „Habe Geduld, aber nicht zu viel“ (unbekannt). Und: „Man darf Zurückhaltung nicht mit Schwäche verwechseln“ (R. Plümer). Die Besonnenheit zählt bei Konfuzius zu den zentralen Idealen und ist eine Geisteshaltung, die nicht mit Ängstlichkeit verwechselt werden darf:
„Der Ängstliche besinnt sich so lange,
bis seine Besonnenheit keinen Sinn mehr macht“