Mississippi Melange. Miriam Rademacher
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Название: Mississippi Melange

Автор: Miriam Rademacher

Издательство: Автор

Жанр: Ужасы и Мистика

Серия:

isbn: 9783943709810

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СКАЧАТЬ mal sehen, was Krankenhäuser den Menschen antaten.

      Mit zitternden Fingern wählte sie erneut die Nummer ihres Hausarztes Jonas Bager. Er musste doch längst zu Hause in seinem Bett liegen. Aber der Mann schien einen gesunden Schlaf zu haben. Nach einer Weile sprang, wie schon bei den Versuchen zuvor, der Anrufbeantworter an, der sie aufforderte, eine Nachricht zu hinterlassen. Bis zu diesem Moment war Marta dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Was sie wollte, war einen Arzt, nicht die Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen. Jetzt aber, gepeinigt vom Schüttelfrost, kam sie der Bitte nach.

      »Marta Jorgensen hier. Jonas, ich fühl mich, als ob ich sterben muss. Kommen Sie schnell und bringen Sie etwas von diesem Antispirin mit oder wie das Zeug heißt.«

      Marta hustete ein paar Spritzer Blut auf das Telefon und legte auf. Kein Aspirin und kein Antibiotikum konnten ihr jetzt noch helfen. Doch das wusste sie natürlich nicht. Der Gedanke kam ihr erst, als das Atmen von Moment zu Moment anstrengender wurde. Jetzt wählte sie den Notruf, kam aber nur noch bis zur zweiten Ziffer. Ein Ende im Krankenhaus blieb Marta Jorgensen erspart.

      »Sie streicht die Wände schon wieder um«, hörte ich meinen Vater sagen, der mit einem hellblauen Plastikfeldstecher vor den Augen an der Gardine vorbei aus dem Fenster spähte. Das Fernglas, das er dabei nutzte, hatte ich noch vor Katalies Einzug in einem Spielwarenladen in der Innenstadt erstanden. Obwohl es sich um billigen Schrott aus dem Reich der Mitte handelte, war es uns bei der täglichen Überwachung unserer Zielperson eine kleine Hilfe. Es verriet uns Details aus der gegenüberliegenden Wohnung, die uns ansonsten verborgen geblieben wären.

      »Welche Farbe ist es diesmal?«, fragte ich und biss in mein geröstetes Weißbrot, auf dem die noch warme Leberpastete fettig glänzte. Endlich hatten wir wieder einen vollen Kühlschrank, endlich gab es alles, worauf wir gerade Lust und Appetit hatten. Und diesen Luxus verdankten wir der kleinen Katalie. Kaum zu glauben, wie leicht man sein Geld verdienen konnte. Hier saß ich an meinem Schreibtisch und genoss das Leben, sah gelegentlich nach Katalie und den anhaltenden Bussen und schrieb auch hin und wieder einen Brief für die Kummerkastentante der Daisy. Bei Lasse im Antiquariat und auch im Fitnessstudio ließ ich mich immer seltener sehen. Durch Maiberg verdienten wir genug, um uns kleine und größere Wünsche erfüllen zu können. So konnte es weitergehen.

      »Die Grundfarbe bleibt erhalten. Sie bereichert das Grün lediglich um eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Blumen. Vielleicht sollten wir dem Kind ein Malbuch schenken. Anonym, versteht sich. Wir könnten es nachts in ihren Briefkasten werfen.«

      Meinem Vater war die Kleine bereits ans Herz gewachsen. So wie jedem anderen im näheren Umkreis, wie es mir schien. Es war kaum zu glauben, aber ich hatte Jahre hier an der Gammelgade gewohnt, bevor ich auch nur den Vornamen meiner direkten Nachbarin erfuhr. Katalie hingegen kannte nach drei Wochen scheinbar jeden, grüßte jeden und wurde von jedem gegrüßt. Morgens saß sie auf den Gehwegplatten vor dem Haus und erwartete den Briefträger. Obwohl er so gut wie nie Post für sie hatte, bekam er von ihr eine Tasse Kaffee aus der Thermoskanne und ein paar nette Worte, auch bei Regenwetter.

      Kaum anders erging es dem Zeitungsboten, dem alten Schuster, der regelmäßig mit seinem Gehwägelchen die Gammelgade kreuzte, und der Kioskbesitzerin an der Ecke, die es immer eilig zu haben schien, sowohl vor als auch nach den Öffnungszeiten. Katalie saß häufig auf der Stufe zur Gammelgade 104, um die Herzen aller Nachbarn im Sturm zu erobern. Und ich als ihr Chronist durfte Zeuge dieses Siegeszuges werden, ohne dass sie mich auch nur zur Kenntnis nahm. Unbemerkt hatte ich, nein: hatten wir, stets ein wachsames Auge auf sie. Es schien fast, als wären wir hinter den gegenüberliegenden Fenstern kein Teil ihrer Welt, und wir legten auch keinen Wert darauf, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Eine gewisse Distanz machte es mir leichter, meinem Arbeitgeber gegenüber loyal zu bleiben. Und mein Arbeitgeber war Maiberg. Der Mann, der einmal täglich von mir einen knappen Bericht über Katalies Aktivitäten erhielt. Den Bericht lieferte ich bereits gewohnheitsmäßig gegen achtzehn Uhr per Mail ab. Aufregendes gab es meist nicht zu berichten. Katalie erwies sich als äußerst pflegeleicht. Sie verbrachte viel Zeit in ihrer Wohnung oder auf der Stufe zum Hauseingang und ging nur selten aus.

      In den ersten Tagen meiner Überwachung war ich ihr nie gefolgt. Maiberg hatte schließlich keine Außer-Haus-Beschattung bei mir bestellt, ihm war es wichtig gewesen, dass ich Katalie in ihrem Heim im Auge behielt. So hatte ich zunächst nur die Zeiten notiert, wenn sie fortging und wenn sie wieder heimkehrte. Inzwischen aber hatte ich mir angewöhnt, sie gelegentlich auf ihren Streifzügen zu begleiten und ihr Treiben zu beobachten. Diese Beschattungen erwiesen sich als erstaunlich abwechslungsreich. Denn Katalie sammelte nicht nur Herzen, sie sammelte auch eine Menge anderer Dinge. Garagenflohmärkte und Haushaltsauflösungen zogen sie nahezu magisch an. Und nach und nach füllte sie die gegenüberliegende Wohnung mit einem Sammelsurium an Möbeln, die sie tapfer nach Hause schleppte. Oder schleppen ließ. Zwei Tage nach ihrer Ankunft in der Gammelgade war sie nach einem ihrer Ausflüge mit einem Bauernschrank und zwei dazugehörigen Möbelpackern wiederaufgetaucht. Mit letzteren hatte sie bis spät in den Abend mit Chips und Cola gefeiert. Ein ganzes Rudel von Helfern hatte ihr nur einen Tag später eine wirklich scheußliche Einbauküche von rotzgelber Farbe in die Wohnung geschleppt, alle Hänge- und Unterschränke aufgebaut und die nötigen Installationen getätigt. Trotz jetzt funktionierendem Herd servierte sie auch diesen Helfern Cola und Chips. Überhaupt war ihre Ernährung ein Punkt, den ich als recht bedenklich empfand. Während eine meiner wenigen Schwächen die warme Leberpastete war, bestand Katalies gesamte Ernährung aus fettigen und übersüßten Speisen. Die Bäckereien und Fast-Food-Restaurants der näheren Umgebung mussten durch sie einen wahren Aufschwung verzeichnen. Akribisch hatte ich Maiberg in meinen täglichen Berichten auf diesen Umstand hingewiesen, was vermutlich dazu geführt hatte, dass Katalie jetzt regelmäßig mit Gemüse beliefert wurde. Dies ließ sie erst vergammeln und entsorgte es danach im Müll. Maiberg mochte in der Lage sein, Katalie nahrhafte Kost zu schicken, aber er konnte nicht dafür sorgen, dass sie sie auch aß.

      Auf ihren Spaziergängen erfuhr ich weit mehr über Katalies Vorlieben und Gewohnheiten als durch das Spähen in ihre Fenster. Ich kannte jetzt bereits ihr Lieblingscafé und ihre Lieblingseisdiele, ein Ort, an dem sie skrupellos die seltsamsten Geschmacksrichtungen in ein und derselben Waffel vereinte. Wer hatte je zuvor gehört, dass man Lakritz-Eis mit Eischnee und Marmelade genießen konnte?

      Überrascht hatte mich die Kleine, als sie in ihrer zweiten Woche einen Job bei Brugsen am nördlichen Ende der Gammelgade annahm. Akribisch und mit einer unglaublichen Ruhe hatte sie einen Nachmittag lang die Regale im Supermarkt mit frischen Waren bestückt, und trotz ihres Schneckentempos schien man dort von ihr entzückt zu sein, weswegen sie wohl zukünftig jeden Freitag dieser Beschäftigung nachgehen würde.

      »Sie hat genug vom Malen«, hörte ich meinen Vater sagen, der das Fernglas absetzte und zu mir an den Schreibtisch kam, wo ich noch immer mein Frühstück einnahm. »Sie hat sich umgezogen.«

      »Was trägt sie?«, wollte ich wissen und schob mir den letzten Rest meiner warmen Leberpastete in den Mund.

      »Das bunt gestreifte Sommerkleid und die rosa Ballerinas.« Mein Vater lächelte milde, und sein früh gealtertes Gesicht hellte sich auf. »Sie sieht richtig süß aus.«

      »Dann geht sie bummeln«, stellte ich fest. Vor einigen Tagen war mir aufgefallen, dass Katalies Garderobe bestimmten Gesetzen folgte. Zur Arbeit im Supermarkt trug sie ausschließlich Blautöne. Hatte sie vor, den Tag in ihrer Wohnung zu verbringen, bevorzugte sie Kleidung in knalligem Rot, und ein buntes Outfit deutete stets auf eine Einkaufstour und einen Cafébesuch hin.

      »Sie nimmt die Hundeleine mit«, ergänzte mein Vater in diesem Moment.

      Ich gab ein abfälliges Schnauben von mir. Die Hundeleine gehörte zu den Dingen, die wirklich seltsam waren. Verhielt Katalie sich ansonsten СКАЧАТЬ