Название: Mississippi Melange
Автор: Miriam Rademacher
Издательство: Автор
Жанр: Ужасы и Мистика
isbn: 9783943709810
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»Warum kannst du deine Einwände nicht anbringen, bevor ich eine Nachricht abschicke«, fauchte ich.
»Du hast mich nicht nach meiner Meinung gefragt«, war die knappe Antwort. »Aber aus reiner Freundlichkeit lasse ich dich an meinen Bedenken teilhaben. Wenn ich dieser Maiberg wäre, würde ich nach Erhalt dieser beiden Mails augenblicklich hier bei dir anrufen. Oder noch besser: Ich würde mich ins Auto setzen und gleich selbst herkommen.«
»Und gnade mir Gott, wenn ich dann keine gute Erklärung dafür habe, warum ich seit Tagen in die Fenster einer verlassenen Wohnung starre. Vielleicht ist das alles nur ein Test und sie hat die letzten Tage bei Maiberg selbst verbracht. Dann bin ich soeben durchgefallen«, entfuhr es mir. »Was soll ich denn jetzt nur machen?«
»Antworten auf seine Fragen suchen, bevor er sie stellen kann. Das würde ihn beeindrucken«, schlug mein Vater vor. »Oder noch besser: Du gehst los und suchst das Mädchen. Ich kann sowieso nicht verstehen, warum du noch hier herumsitzt, anstatt jeden Kieselstein links und rechts der Gammelgade umzudrehen.«
»Fein«, erwiderte ich, und meine Stimme klang unfreundlicher als beabsichtigt. »Dann bleib du bitte hier und beobachte für mich den gegenüberliegenden Hauseingang. Und sobald Katalie heimkehrt, rufst du mich auf meinem Handy an, verstanden?«
Mein Vater nickte artig und griff nach dem Plastikfernglas auf der Fensterbank.
Ich aber war noch nicht fertig. »Und behalte auch gleich diesen Fressnapf neben dem Halsband im Auge. Ich will endlich wissen, auf welche Weise sein Inhalt immer wieder verschwindet.« Mein Vater sah bereits aus dem Fenster, doch ich hatte noch ein paar Abschiedsworte für ihn. »Und kein Fernsehen und kein Radio, hörst du? Die Nachbarn werden schon misstrauisch.«
Draußen auf der Straße fiel feiner Nieselregen auf den Asphalt. Bald würden die Läden schließen, über allem lag ein seltsames Dämmerlicht.
Ich schlug den Jackenkragen hoch und lief mit schnellen Schritten dem Sukkertop entgegen, bog aber kurz vor dem Café in eine Seitenstraße ein. Mein Interesse galt der Rückseite des Gebäudes, dem Ort, an dem sich Katalies Spur verlor. Schon bald fand ich mich auf einem Hinterhof wieder, der neben großen Mülltonnen auch einem Kaninchenstall und einem Fahrradschuppen Platz bot. Der Gestank verrottender Essensreste lag in der Luft. Ich drückte beide Nasenflügel fest zusammen und überlegte: Von hier aus hätte Katalie in den Seitengassen der Gammelgade abtauchen, einige hundert Meter später wieder zur Hauptstraße zurückkehren und an einer der weiter unten gelegenen Haltestellen den Bus in die Innenstadt nehmen können. Vom Zentrum Esbjergs aus konnte ihr Weg sie einfach überall hingeführt haben. Vielleicht war sie mittlerweile nicht einmal mehr in Dänemark.
Ich gab der größten Mülltonne einen Tritt und dann noch einen. Zu einem dritten kam es nicht, weil mein Handy in der Innentasche meiner Jacke zu klingeln begann. Hastig zog ich es hervor. Aber der Anruf kam nicht von meinem Vater. Es war Piet vom Fitnesscenter, der mich bat, vorbeizuschauen, um einen verstopften Abfluss zu reinigen. Außerdem hatte seine Yogalehrerin zu Anfang November gekündigt und er brauchte eine Vertretung. Ich sagte allem zu, in der Hoffnung, im November noch am Leben zu sein, was zweifellos davon abhing, ob es mir gelang, Katalie wiederzufinden, bevor Maiberg mich fand, und legte auf.
Irgendwo musste dieses Mädchen doch stecken. Und wer wusste schon mehr über sie und ihr Leben als ich?
Kapitel 4
»Smiljan! Wie schön, dass du einmal hereinkommst und nicht nur draußen herumlungerst. Wie geht es deiner Schwester?«
Es war, als hätte ich nicht einen Kiosk, sondern ein Kino in der Mitte des Films betreten. Ich stand dieser fröhlichen Blondine mittleren Alters gegenüber und hatte nicht die leiseste Ahnung, wovon sie überhaupt redete. Schwester? Ich hatte keine Schwester.
»Sie wird doch nicht etwa krank geworden sein, oder? Sie war schon ein paar Tage nicht mehr bei mir.« Die blonde Kioskbesitzerin legte ihre Stirn in Dackelfalten und sah mich gespannt an.
»Nein, krank ist sie nicht«, antwortete ich und hoffte, nicht so komplett ratlos auszusehen, wie ich mich gerade fühlte.
»Na, dann ist ja gut. Wenn sie nur verhindert ist, dann bin ich beruhigt. Hat sie dich geschickt, um die Zigarre für den alten Dommer abzuholen? Das finde ich wirklich mutig von dir.« Jetzt strahlte sie über das ganze Gesicht, als wäre ich ein kleiner Junge, der sie mit einem Strauß selbst gepflückter Blumen überrascht hatte.
»Mutig«, wiederholte ich und konnte nicht verhindern, dass ich etwas fragend klang.
Das strahlende Lächeln der Kioskbesitzerin wurde noch breiter. »Ach, bitte nicht böse sein, Smiljan. Katalie hat mir von deinem kleinen Problem erzählt. Ich finde es toll, dass sie hierhergezogen ist, um in deiner Nähe zu sein. Es ist bestimmt nicht immer leicht für dich.«
»Nein«, antwortete ich und atmete ein paar Mal tief durch. »Das ist es nicht.« Jetzt fügte sich das Bild für mich langsam zusammen. Ich war also Katalies Bruder. Und ich hatte ein Problem, das sich mir noch nicht ganz erschloss. Aber ich hatte eine liebende Schwester, die sich meiner angenommen hatte.
»Hier ist die Zigarre. Aber zerbrich sie nicht, sie ist teuer. Nicht einfach in die Jackentasche stecken.« Sie schüttelte den Kopf und reichte mir eine kleine Papiertüte. »Niklas Dommer kann sich nur eine Zigarre in der Woche leisten. Früher habe ich sie ihm immer selbst in den Jeppesvej gebracht. Nach Feierabend, versteht sich. Doch jetzt kümmert sich ja Katalie darum. Sie ist wirklich ein Engelchen. Glaubst du denn, dass du es bis zum Jeppesvej schaffst? Und wirst du auch hineingehen können zum alten Dommer?«
Statt einer Antwort hob ich fragend eine Augenbraue. Machte ich etwa einen fußkranken Eindruck auf sie? Der Jeppesvej verlief parallel zur Gammelgade und begann nur einen Steinwurf von diesem Kiosk entfernt.
Doch bevor ich sie daran erinnern konnte, redete die Frau auch schon weiter. »Ist es sehr schwer für dich? Besonders glücklich wirkst du gerade nicht auf mich. Klaustrophobie muss etwas ganz Schlimmes sein. Aber in so einem Kiosk sind die Verhältnisse eben ein wenig beengt.«
»Klaustrophobie«, wiederholte ich, und ein weiteres Puzzleteil rutschte an seinen Platz. Katalies Bruder stand bei ihren regelmäßigen Besuchen im Kiosk immer draußen auf dem Gehsteig herum, weil er nicht hineingehen konnte. Wegen seiner Angst vor engen Räumen. Was für eine fürsorgliche Schwester ich doch hatte.
Die Kioskbesitzerin wedelte mit den Händen. »Ja, nun aber raus mit dir, bevor dir schlecht wird. Katalie sagt, dass du bei deinen Anfällen immer ganz fürchterlich kotzen musst, und das wollen wir ja beide nicht, oder?«
Noch immer leicht verwirrt, aber auch unsagbar verärgert, trat ich den Rückzug an. Katalies dreiste Lügen hatten dazu geführt, dass ich jetzt nicht schlauer als zuvor draußen vor dem Kiosk stand und mir Gedanken machte, wie ein Niklas Dommer aus dem Jeppesvej jetzt wohl zu seiner Zigarre kam, die ich in einer Papiertüte mit mir herumtrug. Weder waren mir der Mann noch seine genaue Adresse bekannt, und der Jeppesvej war erschreckend lang.
Trotz schlechter Chancen beschloss ich, in den besagten Weg einzubiegen. Vielleicht kam mir ja an Ort und Stelle eine Erleuchtung. Vielleicht würde ich wissen, wohin ich mich zu wenden hatte, wenn ich erst einmal dort war.
Und es gelang mir tatsächlich ohne große Probleme, das richtige Haus zu finden. Bei meinem Fußmarsch durch den Jeppesvej fiel mir plötzlich auf, wie wenige Ladenlokale es in diesem Seitenweg der Hauptstraße gab. Und hatte mich die Kioskbesitzerin nicht aufgefordert, СКАЧАТЬ