Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
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Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

Серия:

isbn: 9783867548724

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СКАЧАТЬ nicht zur Sprache bringen. Sie musste unbedingt mit Djika auskommen, und sie hatte einen gewissen Verdacht, was deren Einstellungen betraf. Sie fand es auch nicht besonders geschmackvoll, sich über Hank lustig zu machen, der ihr schließlich, egal, wie sie seinen Heiratsantrag empfand, eine Ehre hatte erweisen wollen. Nach reiflicher Überlegung kam sie zu dem Schluss, dass es sich schickte, ihren Sonntag für sich zu behalten.

      Abras erster Eindruck von Oscar Kahan war, dass er kleiner war, als sie von der Tagung erinnerte, und dass er durch seine Energie mehr Raum einzunehmen schien, als er wirklich tat. Als er nun aufstand, um ihr die Hand zu schütteln, war sein Händedruck fest und warm, die Haut rosig gesund, der Handrücken behaart.

      »Wir führen eine Reihe von Umfragen unter Flüchtlingen durch, die in den Gewerkschaften oder sonst in Europa politisch aktiv waren. Ihr Deutsch ist ausreichend?«

      »Ausreichend ist das richtige Wort.«

      »Wir werden es ausprobieren. Ich brauche jemanden, um die Frauen zu befragen. Einige der Fragen, die ich gerne beantwortet hätte, sind recht persönlicher Natur, und ich vermute, wir kommen weiter, wenn eine Frau sie stellt.«

      »Darf ich fragen, warum Sie nicht einen Flüchtling dazu anstellen? Ich meine, es freut mich sehr, dass Sie mir eine Chance geben wollen …«

      Viel stärker als ihr eigener Professor Blumenthal mit der hochaufgeschossenen Regenschirmgestalt machte er den Eindruck, einen Körper zu haben. Oscar Kahan war breitschultrig, mittelgroß mit leichtem Bauch. Sein Haar war dicht, kräftig und lockig, recht lang getragen. Er lächelte ihr zu, verschmitzt, wie sie fand. »Eine gute Frage. Aber jeder Flüchtling, der kundig fragen könnte, hat gleichzeitig einen eigenen Standpunkt. Es handelt sich um eine knifflige politische Situation, und ich möchte niemanden die Fragen stellen lassen, der meint, die Antworten zu kennen. Ich brauche eine naive Fragestellerin – relativ naiv, meine ich. Unberührt ist vielleicht das bessere Wort – unberührt von eigenen Aktivitäten und Ansichten im Gewirr der deutschen Parteien vor und nach Beginn des Dritten Reiches.«

      Er trug eine rote Krawatte, die so schief saß, als hätte ihn eben jemand damit erwürgen wollen. Sein Jackett war aus hochwertigem irischem Tweed, sah aber aus, als schleppte er eine halbe Bibliothek und seine Pausenbrote in den Taschen. Sie beschloss, Djika nach Klatsch und Tratsch über ihren neuen Dienstherrn auszufragen. Sie spürte in sich ungehemmte Neugier, wenn sie ihm in die glitzernden dunklen Augen sah, dunkler noch als sein Haar. »Wann soll ich anfangen?«

      »Jetzt. Heute. Ich möchte, dass Sie sich diese Anleitung zum Vorgehen bei der Befragung durchlesen und dann mit Ihren Fragen zu mir zurückkommen.« Er wies auf sein Vorzimmer. »Lesen Sie da draußen und klopfen Sie an, wenn Sie fertig sind.«

      Zwei Studenten saßen dort, eifrige junge Männer, die sie mit dem tragischen Blick jener bedachten, die auf das Objekt ihres Verlangens hatten warten müssen. Durch die Tür seines Zimmers hörte sie den lebhaften Tonfall seiner Stimme, tief, klar, ein wenig gehetzt, als er mit dem Ersten sprach. Zu dem verbliebenen Studenten gesellte sich ein weiterer. Von Zeit zu Zeit wurde sie eifersüchtig beäugt, denn sie schien hierher zu gehören. Die Tür ging auf, und der erste Student wurde hinauskomplimentiert, mit feuereifrigem Ernst noch über die Schulter redend.

      Während sie die Anleitung las, die er ihr gegeben hatte, wohlgeordnet und noch als Richtlinie spannend, kamen und gingen die Studenten, männliche und weibliche, groß und klein, gut und ärmlich gekleidet, aber alle leidenschaftlich auf die Zeit ihres Helden erpicht. Auf jede und jeden richtete er für einen Moment den Strahl seiner Aufmerksamkeit, gab ihnen das Gefühl, klug und einmalig zu sein. Dies war seine Sprechstunde. Er widmete sich ihnen und stieß sie dann hinaus in die kalte, eintönige Welt. Sie stolperten davon, immer noch in das Gespräch vertieft, das in ihren Köpfen weiterging und in dem sie seine Aufmerksamkeit nicht für fünf Minuten fesselten, nicht für zehn, nein, auf Dauer. Abra verstand das. Sie war selbst fasziniert. Es versprach, viel aufregender zu werden, als sie gedacht hatte.

      Naomi 1

      Naomi/Nadine ist nur die eine Hälfte

      Die Stiefel knallten im Gleichschritt aufs Pflaster. Maman drängte Rivka im Hauseingang an die Wand, damit sie nichts sah. Als sie protestieren wollte, brachte Maman sie unsanft zum Schweigen und drückte sie fest gegen die kalten Steine. Durch ein Gitterfenster starrte eine Concierge sie aus feindseligen Knopfaugen an, eine Kröte in ihrem Käfig, die darauf wartete, mit Fliegen gefüttert zu werden. »Macht, dass ihr wegkommt, ihr gehört hier nicht her«, schnauzte die Concierge sie an. »Solche wie euch wollen wir hier drin nicht.«

      Maman beachtete die Concierge nicht und hielt Rivka immer noch fest an die kalte Wand gepresst. Immer noch hämmerten die Stiefel vorbei, dass das Pflaster davon dröhnte wie eine Kesselpauke.

      Als Naomi wach wurde, hörte sie, wie Ruthie im Etagenbett unter ihr sich im Schlaf bewegte und leise stöhnte. Boston Blackie schlief, alle viere von sich gestreckt, auf ihren Füßen, denn sie hatte ihn in den letzten Monaten aus Ruthies Bett hochgelockt. Unten im Keller hörte sie den Heizkessel rumoren, Onkel Morris Kohlen schaufeln und die heiße Luft mit mächtigem Zischen aufsteigen, sobald die Wärme einsetzte. Dann konnte sie hinunterklettern, um sich an die Heißluftklappe zu stellen, wo sie gestern ihre eiskalten Sachen ausgelegt hatte. Sie konnte ihre Unterwäsche anwärmen, ihren Schottenrock und die Kniestrümpfe und die weiße Bluse und die rote Strickjacke, ihre Halbschuhe: alles neue Sachen, die Tante Rose mit ihr in der Innenstadt in Sam’s Billigkaufhaus erstanden hatte, wo Ruthie arbeitete.

      Wenn sie zu schnell aufwachte – wenn es draußen laut krachte, ein Lastwagen eine Fehlzündung hatte, die Müllmänner mit den Tonnen polterten –, dann packte sie im Dunkeln panischer Schrecken, und sie wusste nicht, wo sie war, und schrie mitunter in Französisch: »Maman, qui est là? Maman, tu es ici? Rivka!« Aber sie spürte, dass Rivka nicht da war. Zu Hause hatten sie ihr ganzes Leben lang in einem Dreiviertelbett geschlafen, in dem Alkoven der salle à manger, in einem Bett, das sich zu einem Diwan zusammenklappen ließ. Rivka lag immer an sie geschmiegt. Wurde eine von ihnen nachts wach und tappte über den Flur zum WC, so schlich die andere hinterher. Jetzt drückte sie den Kater an sich, wenn sie aufwachte.

      In den ersten Nächten hier im Haus ihrer Tante und ihres Onkels in Detroit im vergangenen Juni war sie aus dem oberen Bett gefallen, weil sie auf der Suche nach ihrem Zwilling im Dunkeln herumgerollt war. Alle, die ihr hier begegneten, sahen nur sie, aber sie wusste es besser. Sie war nur eine Hälfte. In der Nacht spürte sie manchmal ihre andere Hälfte. Sie wusste inzwischen, dass sie darüber nicht sprechen durfte, mit niemandem, nicht mal mit ihrer lieben Kusine Ruthie, zu der sie aus Respekt und Zuneigung Tante sagte, die sie trösten, sie hätscheln, aber die sie nicht verstehen würde. Sie war auch so schon zu fremd. Sie arbeitete hart daran, sich anzupassen.

      Sie gewöhnte sich langsam an die Nachtgeräusche hier. Es war eine lärmige, unruhige Nacht, eine Haut, die sich nie ganz bilden konnte. In Paris war es vielleicht auch einmal so gewesen, aber sie erinnerte sich vor allem an die stille, gefährliche Zeit, als jeglicher Verkehr aus der Stadt verschwunden war und auch nie mehr richtig wiederkam. Alle, die reich genug waren, ein eigenes Auto zu besitzen, sprangen hinein und fuhren vor den deutschen Soldaten davon. Überall in ihrem Viertel konnte man Hunde und Tauben hören. Dann waren Rivka und sie vor den Deutschen weggeschickt worden. Mit Mamans Chef, dem Kürschner, waren sie nach Süden gefahren, hinein in den dichten Stau aus Wagen und Fuhrwerken, auf den die Flugzeuge schossen.

      Jetzt sprach Naomi nie mehr Französisch, nur noch mit Boston Blackie, wenn sie mit ihm allein war. Dann schnurrte er. Sie fühlte sich, als schwebten losgelöst in ihr alle möglichen Lumpen, die einmal gute Kleider gewesen waren, Papierfetzen, die einmal kostbare Bücher gewesen waren, Geschirrscherben, die einmal die Teller mit den gelben und blauen Blümchen gewesen waren, von denen sie täglich gegessen hatten. In der Schule hielt СКАЧАТЬ