Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers
Автор: Marge Piercy
Издательство: Автор
Жанр: Книги о войне
isbn: 9783867548724
isbn:
Als könnte er ihre Gedanken lesen, schrieb er – als sie in der überheizten Bibliothek beim typischen Schlangenzischen der Heizkörper darauf wartete, dass die Bibliothekarin die Bestellungen des Professors heraussuchte, und den Brief wieder entfaltete –:
Ich frage mich immer, warum ich es hier nicht aushalte. Das Licht ist grell, die Landschaft monumental. Die Tiwa nennen den Berg hinter Taos heilig, und sie haben bestimmt recht. Vielleicht ist es die entwürdigende Schinderei, für Quinlan zu arbeiten, aber das trifft es nicht. Ich kann, so scheint es, nichts Eigenständiges tun. Ich fühle mich, als schaute ich durch die Augen von Malern, die hier schon gemalt haben. Ich kann, so scheint es, der Landschaft nicht frisch begegnen. Bei all ihrer Großartigkeit und Wildheit und Faszination bin ich nicht fasziniert.
Überdies ist die Geschichte mit Dolores heikel geworden. Mein mündliches Spanisch – und mein mexikanisches Spanisch, das ich im Gegensatz zum Professor für ein fabelhaft geschmeidiges und spritziges Idiom halte, dem lispelnden, tuntigen Tonfall des Kastilischen weit überlegen – hat rasche Fortschritte gemacht, leider ebenso Dolores’ Wunsch, in mir den zukünftigen Spender von Ringen, Haciendas und Babys zu sehen.
Mit der Dolores-Situation könnte ich allenfalls noch fertig werden, wenn ich das Gefühl hätte, in meiner eigenen Landschaft angekommen zu sein, aber sosehr mich diese hübsch kolorierten Mesas und Berge, die in starken Farben gestrichene Wüste, die uralten Pueblos auch rühren, letztlich ist dies nicht mein gelobtes Land.
Jedenfalls freue ich mich auf unsere Zeit zusammen. Zweifellos wirst du mir wie immer mein Ich erklären und alles klarstellen. Ich träume von etwas Tropischerem. Ich muss der Sonne folgen, aber zu etwas Üppigerem, Saftigerem. Die Berge sind am Ende doch nicht meine heiligen Orte. Dies ist nicht mein Gusto. Zu viel Ocker vielleicht, zu viel gebranntes Siena. Oder vielleicht einfach ein anderer Gesellschaftskreis. Warum empfinde ich mich in Europa ganz selbstverständlich, ganz ohne Frage als Maler und hier nicht?
In Liebe wie immer
Jeff
Sie selbst mochte Erdfarben, die Welt vom Flugzeug aus gesehen. Sie konnte sich noch an das erste Mal erinnern, als Zach sie mit hinaufgenommen hatte, sie allein, denn Jeff malte und wollte nicht mit. Zuerst hatte er ihr Bentham Center von oben gezeigt, ordentlich, klein, bald verschwunden, und dann hatten sie sich emporgeschwungen, hinauf und über den Jumpers Mountain und dann weiter zum Connecticut River, angeschwollen und schlammig vom Frühlingstauwetter. Als Nächstes hatte Zach versucht, sie zu hänseln, ihr Angst einzujagen, zog die Maschine in große träge Loopings und dann in kurze abrupte Rollen, in Sturzflüge. Schließlich hatte er gemerkt, dass sie überhaupt nicht schrie, nicht angstgelähmt war, sondern begierig, verzückt, und mindestens so viel Spaß daran hatte wie er. Er hatte sich zu ihr herübergelehnt, ihr Haar verwuschelt und es mit der Faust gepackt. »Möchtest du es lernen, Bernie?«
Sie hatte heftig genickt, unfähig, etwas zu sagen, unfähig, ihr Verlangen zuzugeben.
»Sag bitte.«
Da endlich sprach sie. »Bitte, Zach. Bitte! Bring es mir bei.«
Er schien es lange, unter Stirnrunzeln zu bedenken, verlängerte und genoss ihre Qual, gab ihr das Verlangen zu schmecken und die Spannung. »Vielleicht tu ich’s, vielleicht auch nicht.« Aber er hatte es getan.
»Komme schon«, platzte sie zu laut heraus. Mrs. Roscommon hatte ihr zugeflüstert. Bernice eilte zum Tresen, wo ein Stapel der bestellten Bücher zu wackeliger Höhe aufgetürmt war.
Es war ihr peinlich, so weggetaucht zu sein, hinaus in die Welt. Nun war sie wieder im tristen Einerlei. Wenn sie sich an jene Tage mit Zach und Jeff erinnerte, dann glichen sie dem Moment in Der Zauberer von Oz – ein Film, den sie dreimal gesehen hatte –, wenn Dorothy aus Kansas hinaus nach Oz gelangt und Schwarz und Weiß zu herrlichem und strahlendem Technicolor erblühen. Da sie für Musicals wenig Begeisterung aufbrachte, hatte sie kaum Technicolorfilme gesehen; dieser Übergang berührte sie zutiefst. Genauso war es, aus Bentham Center hinaus ins Abenteuer zu gelangen. Sie hatte sich jene Tage so oft in Erinnerung gerufen, dass sie schließlich nicht mehr sicher war, wie die Ereignisse sich wirklich zugetragen hatten, denn durch immer reichlichere Ausschmückung waren sie inzwischen zur Hälfte Phantasieprodukte. Sie kam sich manchmal verrückt vor, wenn sie daran dachte, wie viel Zeit sie damit zubrachte, Ereignisse immer wieder zu durchleben und zu überarbeiten, die Zach und Jeff zum großen Teil vergessen haben mussten, sie so lange zu überarbeiten, bis sie selbst nicht mehr sicher war, was sie erinnerte und was sie dazuerfunden hatte.
Während sie nach Hause trabte, um die Bücher abzuladen, und dann zum Fleischer um Lammkoteletts und zum Gemüsehändler um Broccoli, wenn es welchen gab, und Blumenkohl, wenn nicht, dachte sie, dass es vielleicht sogar noch einen Hauch erträglicher war, neben Errol Flynn mit einem Säbel zwischen den Zähnen von Pirat zu Pirat zu springen, als ständig zu jenem Paradies zurückzukehren, als sie sich ihrem Bruder und Zach kurzzeitig anschließen durfte. Oft träumte sie, dass sie flog. Sie träumte sich zurück an die Instrumente von Zachs Aeronca, legte sie in die Kurve, drückte sie in den Sturzflug, drehte sie in Kunstflugrollen. Letzte Woche war sie in der Nacht weinend aufgewacht. Wie hätte sie jemandem erklären sollen, dass sie weinte, weil sie das Fliegen beherrschte, aber kein Flugzeug hatte? Die Freudianer hätten gesagt, das habe mit sexueller Frustration zu tun, aber von Sexualität wusste sie nichts, und fliegen war für sie wirklicher, als des Professors Koteletts zu braten.
Eigentlich hätte sie Zach dafür hassen müssen, dass er ihr großmogelig das Fliegen beigebracht hatte, doch sie hatte nicht widerstehen können; es war das einzige Kosthäppchen vom Paradies, das ihr je zuteil geworden war. Sie hatte damals für ihn geschwärmt, doch sie war sich auch bewusst, dass sie nicht mehr Chancen bei ihm hatte als ein großer wolliger Hund. Er war gern mit ihr zusammen. Es amüsierte ihn, Jeffs aufgeweckter, unansehnlicher, gutmütiger Schwester das Fliegen beizubringen. Ihre Anhänglichkeit und ihre Anbetung waren ihm wohlgefällig wie dargebotener Weihrauch einem jeden Gott.
Zach war ein Geschöpf aus einer anderen Welt, aus dem gleichen Grund nach St. Thomas verbannt wie viele Jungen. Zach war nicht unheilbar dumm; er bekam schlechte Noten, weil er an allem Akademischen wenig Interesse hatte. Schulstunden bewegten sich nicht rasch genug durch die Luft. Zach hatte sturzbetrunken ein Auto zu Schrott gefahren. Am St. Thomas tat er das wieder, in einem Morgan, den er in der Haarnadelkurve des Jumpers Mountain demolierte.
Jeff hatte ihn aus dem Auto gezogen, bevor es in Flammen aufging. Jeff war von einem Rendezvous im Heuschober mit der mittleren Garfinkle-Schwester heimgeradelt. Nachdem er den blutenden, bewusstlosen Zach aus dem rauchenden Wrack gezogen hatte, war er zu den Garfinkles zurückgefahren und hatte ein Pferd ausgeliehen oder gestohlen, auf das er Zach lud und ihn so ins Bentham Center-Krankenhaus verfrachtete. Dann brachte er das Pferd zurück und radelte, aufgekratzt und mit sich zufrieden, heim, um ihr die Geschichte zu erzählen.
Dieser Unfall hatte Zach aus der Footballmannschaft katapultiert und seinen Alkoholkonsum reduziert. Außerdem hatte er aus den beiden Jungen Freunde gemacht, und Bernice war mitgezockelt, wenn sie sie ließen. Zach liebte sportliche schnelle Autos und sportliche СКАЧАТЬ