Menschen im Krieg – Gone to Soldiers. Marge Piercy
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Название: Menschen im Krieg – Gone to Soldiers

Автор: Marge Piercy

Издательство: Автор

Жанр: Книги о войне

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isbn: 9783867548724

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СКАЧАТЬ sei. Die Marine brauchte japanischsprachige Offiziere und bot entsprechende Schulung an. Die meisten Studenten konnten schon etwas Japanisch, aber andere, so wie er selbst, wurden wegen ihrer Chinesischkenntnisse angeworben. Daniel hielt das im Stillen für ein Beispiel weißer Dummheit, denn obwohl die Schriftsprachen viele Zeichen gemeinsam hatten, waren die gesprochenen Sprachen weniger miteinander verwandt als Norwegisch mit Italienisch. Das Vorgehen der Marine beruhte auf der typisch amerikanischen Haltung, wenn ein Mensch schon eine dieser komischen Heidensprachen lernen konnte, warum dann nicht gleich noch eine?

      Da er nicht zu seinem Onkel zurückkonnte, erschien ihm dies verlockender als der einzige andere Weg, den er vor sich sah, nämlich weiterhin Gerichtsvorladungen für die Binokelfreunde seines Vaters zuzustellen. Er kam sich vor, als sei er, Daniel, der Bedrücker all der kleinen Ganoven, der Ehemänner auf Abwegen, der unglücklichen Zeugen und der ertappten Buchmacher. Zweimal hatten die Vorgeladenen schon nach ihm geschlagen.

      Also auf nach Harvard. Für einen Jungen vom City College war das ein Blick in das Leben der oberen fünf Prozent. Seine Eltern sprudelten vor Freude: Judy heiratete einen netten jüdischen Zahnarzt, Haskel beendete sein Medizinstudium, und nun ging ihr Jüngster nach Harvard. Er wusste, ein Intensivkurs am Yenching-Institut war nicht ganz das, was man unter »nach Harvard gehen« verstand, aber weitaus besser, als das Pflaster der Bronx zu treten und nach Leuten zu suchen, die nicht von ihm gefunden werden wollten.

      Seine Tage in Harvard waren angenehm. Er begann in der Anfängerklasse, aber sobald er sich hineingekniet hatte, stieg er rasch auf. Er machte seine Zimmergenossen wahnsinnig, denn er bestand darauf, vom Aufwachen bis zum Einschlafen nur Japanisch zu sprechen. Bis zum Oktober hatte er deutliche Fortschritte gemacht und war hochgestuft worden. Er machte lange Spaziergänge am Charles River, durch Cambridge, zum Mount-Auburn-Friedhof. Sonntagabends ging er in Boston mit Kameraden aus seinem Kurs chinesisch essen und gab damit an, aus der chinesischen Speisekarte zu bestellen. Viele der Restaurants waren natürlich kantonesisch, was er nicht sprechen konnte. Eines Tages würde er es lernen: nach dem Krieg, wenn er nach China zurückkehren konnte. Aber wenn er schon nicht nach China konnte, dann war Boston gar nicht so übel. Seine Zimmergenossen machten sich über ihn lustig, weil ihm Boston lieber war als New York, aber mit New York verband er nicht Manhattan, sondern die ärmeren Quartiere der Bronx. Er konzentrierte sich auf den anspruchsvollen und intensiven Unterricht. Seine Arbeitstage waren zu lang für Liebesgeschichten. Obwohl er mit stechendem, aussichtslosem Interesse den Radcliffe-Girls auf ihren Fahrrädern nachsah, fand er sein Leben kultiviert und merkte, er war glücklich. Endlich rief etwas anderes als eine Verliebtheit seine Kräfte wach. Er war nicht mehr nur fließendes Wasser.

      Jacqueline 1

      Auf der Suche nach dem Inbild der Jugend

      14 mai 1939

      Marie Charlotte ist meine absolut beste und liebste Freundin und der einzige Mensch auf der Welt, dem ich meine geheimsten Gedanken und Wünsche anzuvertrauen wage. Suzanne hat bewiesen, was für eine falsche Schlange sie ist, und ich werde nie, nie wieder so dumm sein, ihr zu trauen. Ich schäme mich, dass ich so blöde war, ihr von dem kleinen Gespräch mit Philippe im Musée Carnavalet zu erzählen. Wer hätte auch gedacht, dass sie gleich zu ihm hingeht und mit der für sie typischen lauten, ordinären Stimme, damit es nur ja jeder hört, verkündet: Ich höre, Jacqueline ist jetzt deine Freundin, dein Liebchen.

      Ich bin die unglücklichste Siebzehnjährige in meiner ganzen deuxième classe am lycée Victor Hugo. Marie Charlotte hat nur eine jüngere Schwester, die ihr das Leben schwer macht, aber ich habe zwei: doppelt gemoppelte Plage. Ich kann von Glück sagen, dass Maman nicht geschmacklos ist und den Zwillingen nie diese abscheulichen, gleich aussehenden Kleider anziehen würde. Maman achtet sogar sehr darauf, ihnen immer verschiedene Sachen zu geben, aber die kleinen Biester finden es komisch, die Leute zu verwirren. Heute ist Renée in Nadines Rock und Pullover gegangen, und Nadine trug Renées, und die kleinen Biester fanden es lustig, den ganzen Tag lang so zu tun, als seien sie die andere. Sie verständigen sich mit Grunzlauten wie Wilde oder Hunde und manchmal, könnte ich schwören, durch Gedankenübertragung.

      Maman weigert sich einfach zu verstehen, dass es eine Demütigung ist, diese Bälger mit in den Park schleppen zu müssen oder ins Kino. Sie haben ständig nur Unfug im Sinn und toben herum wie die schlimmsten Gassenbengel und schlagen sich die Knie auf und lachen lauthals. Damit nicht genug, nennen sie sich gegenseitig Rivka und Naomi, solche peinlichen Ghettonamen, dass ich sie ohrfeigen könnte. Am Samstag hat Maman mich gezwungen, sie mitzunehmen, als ich mit Suzanne (diesem Luder) und meiner lieben Marie Charlotte ins L’Étoile gegangen bin. In der Szene, wo Gabrielle ihrem Geliebten François in die Arme sinkt, haben diese Monster geschmatzt und gekichert. Ich war gedemütigt. Ich werde nicht mehr ins Kino gehen, wenn das bedeutet, die Zwillinge mitzunehmen, und das werde ich Maman klarmachen! Manchmal, wenn Marie Charlotte und ich auf unserer Spezialbank im kleinen Park Georges Cain beim lycée sitzen, pirschen sich die kleinen Biester an, um uns zu belauschen.

      Ich glaube an das Allgemeine, nicht an das zufällige Besondere. In diesem Haus in der Rue du Roi de Sicile (deren Namen niederzuschreiben mir zugegebenermaßen immer noch einen vernunftwidrigen Genuss bereitet, wegen seines mit der Wirklichkeit so unvereinbaren romantischen Klanges) im Vierten Arrondissement unweit der Metrostation St. Paul geboren zu sein, ist lediglich eine Sache des Zufalls und hat keine bleibende Bedeutung. Ebenso ist es nicht wahrhaft von Belang, dass ich Jacqueline Lévy-Monot genannt werde und nicht zum Beispiel Marie Charlotte Lepellier. Ich möchte das finden, was im menschlichen Leben wahr, bleibend und allgemeingültig ist, statt in meiner kleinen Ecke zu sitzen und mir immer wieder sogenannte Volksweisheiten, so dumm wie jeder andere Aberglaube, vorzusagen, wie es Maman tut: »Nor a schtejn sol sajn alejn«, nur ein Stein sollte allein bleiben, als wären wir hier nicht zusammengepfercht. Die Etiketten, mit denen wir einander versehen, hindern uns daran, zur Wahrheit vorzudringen, und wir müssen uns die Etiketten nicht nur von den eigenen Gesichtern reißen, sondern sie auch aus unserer Sicht auf andere verbannen. Engstirnigkeit ist der größte Feind des Fortschritts, so glaube ich, und ich habe einen Aufsatz dieses Inhalts geschrieben, der den zweiten Preis gewann, einen Petit Larousse, den ich jeden Tag benutze.

      Ich ringe mit der romantischen Schwäche in mir, die zum Beispiel den Namen unserer engen Straße mag, die letzten Endes nur eine heruntergekommene Durchfahrtsstraße von beträchtlichem Alter, aber geringem architektonischem Wert ist, gesäumt von Läden und Geschäften wie dem Kürschner, bei dem Maman arbeitet, über denen sich kleine, überfüllte Wohnungen wie die unsere häufen. In unserem Erdgeschoss ist eine koschere Fleischerei. Die Straße des Königs von Sizilien, wo höchst königlich die alten, roh gemauerten Eingangsflure, dunkel wie kleine Bergwerksschächte, nach Urin stinken, wo höchst königlich Tag und Nacht Maschinen dröhnen und Nähmaschinen rattern. Der König von Sizilien muss auf abgelaufenen Absätzen gegangen sein und seine Mäntel geflickt haben, wie Maman es mit unseren tut.

      Wie soll ich sie je überleben, diese Wüste aus Zeit, die sich endlos und trostlos vor mir erstreckt, bis ich endlich als Erwachsene für mich sein werde und mich nicht mehr von morgens bis abends meiner Familie erklären muss? Eine Familie ist ein zufällig entstandenes Gebilde, eine Gruppe von Menschen, die der Zufall zusammengeführt und gezwungen hat, auf ungenügendem Raum zusammenzuleben. Wenn ich nicht meine winzige Stube im obersten Stock hätte, eine Treppe höher als unsere Wohnung, ich würde ersticken!

      15 septembre 1939

      Seit zwei Wochen sind wir im Krieg, aber das Leben scheint ziemlich unverändert. Überall werden königsblaue Verdunkelungsvorhänge angebracht, falls Luftangriffe kommen. Maman macht sich Sorgen, dass Papa einberufen wird. Ich habe mit der première classe begonnen. Ich habe zwei Nachhilfeschülerinnen, denen ich nach der Schule Stunden gebe, Immigrantinnen mit mangelhaften Französischkenntnissen, eine süße Zehnjährige und eine dicke Elfjährige, die mit offenen Augen schlafen kann. Noch niemand hat dieses Gehirn aufgeweckt, das in ihrem Schädel ruht wie eine sonnenbadende Schildkröte. Ich beabsichtige, СКАЧАТЬ