Название: Hekate
Автор: Thomas Lautwein
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180007
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Ich komme daher zu dem Schluss, dass die Hekate-Episode bei Hesiod keineswegs im Widerspruch zu den sonstigen Zeugnissen steht, sondern die ambivalente Natur der Göttin sehr wohl erkennen lässt, obgleich ihre düsteren Züge nur vorsichtig angedeutet werden. Alle weiteren Informationen über Hekate ergänzen das Bild, das Hesiod zeichnet, aber widerlegen es nicht. Im Gegenteil, die Verbindung zu Hermes, die in V. 444 hergestellt wird, wird durch spätere Dokumente wie etwa die griechischen Zauberpapyri aus Ägypten nur bestätigt (s. unten). Insgesamt passt das Gesamtbild, das Hesiod von der Göttin zeichnet, gut zu einem mutmaßlichen Ursprung als kleinasiatische Sonnengottheit, die ähnlich ambivalent und ungezähmt ist wie die babylonische Ischtar und die phönizische Astarte.
Der eleusinische Demeter-Hymnus
Die Menschen, schreibt Strabon in seiner „Erdbeschreibung“, seien den Göttern dann am ähnlichsten, „wenn sie glücklich sind. Dies aber bewirkt die Freude, das Feiern der Götterfeste, das Philosophieren und die Beschäftigung mit der Musik“. Dem antiken Menschen wurden die Götter in den Mysterien erfahrbar, in denen er durch Einweihung und kultische Feier zur Gottbegeisterung geführt wurde. Die wichtigsten Mysteriengottheiten waren Demeter, Dionysos, Apollo, die Musen – und Hekate: „Die meisten Hellenen nun haben dem Dionysos, dem Apollo, der Hekate, den Musen, ja vor allem der Demeter jede Art von Orgienfeier und Bakchischer Begeisterung, die Chortänze und das Geheimnisvolle der Einweihungsfeste beigelegt (...) Auch das Herumtragen geweihter Bäume, die Chortänze und die Einweihungen sind diesen Göttern gemeinschaftlich“ (Strabon, X,3,10). Die Mysteriengötter haben zwar ihre speziellen Zuständigkeitsbereiche und Symbole, wie das Getreide bei Demeter und der Wein bei Dionysos, sind andererseits aber doch so ähnlich, dass ihre Kulte sich gegenseitig überlappen.
Hekate konnte daher eine Rolle in den Demeter-Mysterien von Eleusis spielen. Die homerische Hymne vom Raub der Persephone, die den Gründungsmythos der eleusinischen Feier erzählt, ist der zweite frühe Text, in dem Hekate uns in der griechischen Literatur entgegentritt.
Mit Demeter war Hekate schon früh verbunden, da beide Göttinnen durch ihre Beziehung zur Unterwelt charakterisiert sind; so lag etwa der kleine Bezirk der Hekate in Selinus (Selinunt auf Sizilien) neben dem Tor des Demeterbezirks, eine Metope mit Demeter, Hekate und Kore ist noch vorhanden (Hekate begrüßt die aus der Unterwelt kommenden Göttinnen).70 Die Forschung geht heute allgemein davon aus, dass der Hymnus als Einweihungstext zu lesen ist, der in der Nacherzählung des Mythos die Einweihung nachklingen lässt.
Hekate ist hier außer Helios die einzige Gestalt, die den Hilferuf der Kore vernimmt, aber nicht sieht, wer der Entführer ist (Vers 20 ff.):
Aber kein Gott vernahm und keiner der Menschen ihr Flehen,
auch nicht die Ölbäume in der Pracht der leuchtenden Früchte;
nur die kinderliebende Tochter des Perses in ihrer
Höhle, die Göttin Hekate mit dem schimmernden Schleier
(λιπαροκρήδεμνος),
und Fürst Helios, Hyperions stattlicher Sprössling,
hörten das Mädchen nach seinem Vater rufen. 71
Hekate sitzt in einer unterirdischen Höhle und ist neben Helios die einzige Zeugin der Entführung. Die enge Verbindung zwischen Helios und Hekate wird uns noch öfter begegnen, so ist z. B. die Hekate-Priesterin Medea auch eine Enkelin des Helios. Meist wird diese Stelle des Hymnos so interpretiert, dass Hekate hier für den Mond, die Nacht und das Weibliche stehe und mit Selene gleichgesetzt sei, was zunächst auch durchaus plausibel klingt. Unwillkürlich drängt sich einem da das Bild einer weisen Frau auf, die in sich gekehrt, mit der Kopfbinde der Eingeweihten geschmückt, in ihrer Höhle über Geheimwissen nachsinnt. Aber wie passt das zu der Höhle, in der Hekate sitzt? Meines Wissens wird Selene in der griechischen Mythologie nie in einer Höhle sitzend dargestellt. Die Symbolik der Höhle verweist viel eher auf den Zugang zur Unterwelt, auf Erd- und Muttergöttinnen. Der Höhepunkt der Einweihung in Eleusis war erreicht, wenn Hierophant und Hohepriesterin den Abstieg (katabasion) vollzogen und in der Dunkelheit der Höhle die heilige Hochzeit vollzogen, nachdem die Mysten die Fackeln gelöscht hatten.72 Die enge Verbindung zu Demeter und der Kore lässt m. E. keinen anderen Schluss zu, als dass Hekate im Rahmen der Mysterien von Eleusis ebenfalls als Erdgöttin aufzufassen ist, die speziell die unterirdische, nächtliche Sonne verkörpert und den Sonnengott des Tages als Partner hat. Eine Höhle der Hekate spielte auch bei den Mysterien der Kabiren auf Samothrake eine wichtige Rolle, als Göttin Kabeiro scheint Hekate dabei die Mutter der geheimnisvollen Kabiren gewesen zu sein; in Antiochia soll Kaiser Diokletian ihr eine Krypta geweiht haben, zu der man auf 365 Stufen hinabstieg.73
Es steht außer Zweifel, dass im Mittelpunkt der Mysterien von Eleusis die Fruchtbarkeit der Erde stand, dass dabei Schweine geopfert wurden und den Epopten eine geschnittene Ähre gezeigt wurde. Auf dem Höhepunkt der Einweihung rief der Hierophant: „Einen heiligen Sohn hat die Herrin geboren, Brimo den Brimos.“74 D. h. das Mysterium einer heiligen Geburt hat sich ereignet, die Göttin hat in der Unterwelt einen Sohn geboren und sich damit als Lebensgeberin erwiesen, die durch Töten und Tod hindurch den Kreislauf der Natur in Gang hält. Nun ist Brimo eine alte thessalische Erdgöttin, die oft mit Hekate und Persephone gleichgesetzt wird; und auch die kleinasiatische Muttergöttin (Magna Mater, Meter) wurde allgemein als Erdgöttin verstanden und insofern mit Demeter identifiziert. Wir sehen also, dass Demeter, Persephone und Hekate im Demeter-Hymnus geradezu eine Trinität von Erdgöttinnen bilden, der die Himmelsgottheiten (Helios, Zeus) als eine ganz andere Götterkategorie gegenüberstehen.
Neun Tage irrt Demeter auf der Suche nach ihrer Tochter mit Fackeln umher. Am zehnten Tag begegnet sie Hekate, die sich ebenfalls mit einer Fackel auf die Suche nach ihr gemacht hat. Gemeinsam machen sie sich auf zu Helios, der ihnen enthüllt, dass Hades der Räuber ist (im Gegensatz zu Hekate, die den Raub nur hörte, hat Helios die Szene auch gesehen, als er am Himmel dahinzog). Diese unruhige, angstvolle Suche nach der Verschwundenen wurde von den Neophythen im Vorbereitungsteil der Mysterien rituell nachgespielt (Vers 48 - 64):
Ganze neun Tage durchstreifte die machtvolle Deo den Erdkreis,
flammende Fackeln in ihren Händen; vom Kummer gepeinigt,
rührte sie weder Ambrosia an noch köstlichen Nektar,
tauchte auch ihren Körper nicht mehr ins Wasser zum Bade.
Als ihr am zehnten Tage die leuchtende Eos emporstieg,
kam СКАЧАТЬ