Название: Hekate
Автор: Thomas Lautwein
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180007
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Mit dieser Funktion der Hekate hängt auch der Galinthias-Mythos zusammen, der das Wiesel zu einem ihr heiligen Tier macht. Die Sage wird uns bei Antoninus Liberalis (Verwandlungen, 29) und Ovid (Metamorphosen IX, 281 ff.) überliefert. Als Hera die Geburt des Herakles verzögert, um zu verhindern, dass er König von Theben wird, greift Galinthis oder Galinthias ein:
Galinthias war die Tochter der Prötus in Theben. Diese Jungfrau war die Gespielin und Freundin der Alkmene, der Tochter des Elektryon. Als nun Alkmenen die Geburt des Herakles drängte, hemmten die Parzen und Ilithyia, aus Gefälligkeit gegen Here, den Fortgang der Wehen Alkmenes, indem sie mit eingeschlagenen Händen dabei saßen. Indem nun Galinthias fürchtete, Alkmene möchte den Schmerzen unterliegen, kam sie eilig zu den Parzen und der Ilithyia heraus, und meldete, Alkmene habe nach Zeus Willen einen Knaben geboren, und mit ihrem Ehrennamen wäre es nun aus. Bei dieser Nachricht ergriff die Parzen ein heftiger Schreck, und sie verließen augenblicklich die Wehen, und Herakles kam zur Welt. Darob trauerten die Parzen, und nahmen der Galinthias ihr Magdthum ab, weil sie, eine Sterbliche, Götter betrogen hatte, verwandelten sie in ein listiges Wiesel, wiesen ihr den Aufenthalt im Winkel an, und machten ihre Begattung widerwärtig; denn sie begattet sich durch die Ohren, und wirft, was sie empfangen, durch den Hals aus. Indes hatte Hekate wegen der Verwandlung ihrer Gestalt Mitleiden mit ihr, und machte sie zu ihrer heiligen Dienerin; Herakles aber gedachte, als er herangewachsen war, ihres Dienstes, errichtete ihr ein Heiligtum neben dem Hause, und brachte ihr Opfer. Diese Opfer beobachten die Thebaner auch jetzt noch, und opfern vor dem Feste des Herakles zuerst der Galinthias.83
Ovid ergänzt in seiner ausschmückenden Erzählung, mit welcher magischen Geste die Geburtsgöttin die Geburt hemmt: sie schlägt das rechte Knie über das linke und verschränkt die Finger „kammartig“ (dextroque a poplite laevum/ Pressa genu, digitis inter se pectine junctis). Das Verschränken der Finger und Beine soll, verbunden mit einer böswilligen Absicht, eine hemmende Wirkung haben, was durch den älteren Plinius bestätigt wird:
Bei Schwangeren zu sitzen oder, wenn Heilmittel für irgendjemanden angewandt werden, mit kammartig (pectinatim) ineinander verschränkten Fingern ist eine Giftmischerei, und dies überliefern sie zuverlässig von der den Herkules gebärenden Alkmene, schlimmer, wenn um ein oder zwei Knie, ebenso die Knie gegenseitig gegen die Knie aufgelegt werden. Daher haben die Vorfahren verboten, dies bei Beratungen der Heerführer oder der Beamten zu machen gleich wie das jede amtliche Handlung Hemmende, sie haben aber auch verboten, Opfern und Gelübden auf ähnliche Weise beizuwohnen.“84
Galinthis handelt als Hexe, wenn sie den bösen Zauber der Geburtsgöttin mit einer List, also einem Gegenzauber, bricht. Ihre Verwandlung in ein Wiesel ist einerseits eine Bestrafung, andererseits eine Erhöhung, da sie nun selbst zu einer Gottheit mit eigenem Kult erhoben wird. Man fragt sich auch, wieso Hekate am Ende der Geschichte so unvermittelt eingreift, nachdem zuvor nur von Hera, Eileithyia und den Moiren (Parzen) die Rede war. Die Antwort kann nur darin liegen, dass sie eine Affinität zu der Göttin hat, der sie assoziiert wird. Dass Hekate oft mit der Geburtsgöttin gleichgesetzt wird, haben wir gesehen; sollten also Eileithyia und Hekate hier nicht im Grunde identisch sein und nur zwei Aspekte der Göttin ausdrücken? In der Sage geht es um Binden und Lösen, Hemmen und Vorantreiben, „schwarze“ und „weiße“ Magie. Eine Göttin der Magie wird beide Aspekte haben müssen, die hier durch Eileithyia, Hera und die Parzen einerseits und Hekate andererseits ausgedrückt werden. Das Wiesel galt im alten Thessalien, dem griechischen Hexenland, als Verwandlungsform von Hexen – dass Hexen meistens ein „Krafttier“ haben oder nachts ihren Körper verlassen und in Tiergestalt herumstreifen, ist vielfach belegt.85 Was der Mythos als einmalige Verwandlung erzählt, dürfte in Wirklichkeit eine sich regelmäßig wiederholende Praxis der Hexen gewesen sein. Das Wiesel muss also ein Hexentier gewesen sein, das womöglich einen Bezug zu einem alten Göttinnenkult hatte, in dem die Göttin selbst als dieses Tier verehrt wurde. Jedenfalls wurde das Tier als ambivalent empfunden, wofür die Spuren im europäischen Volksaberglauben sprechen, in dem es sowohl unglückbringend wie glückverheißend ist (die getrocknete Zunge des Wiesels im Schuh zu tragen sollte alle Feinde zum Verstummen bringen, ein Wiesel vermag den Basilisken zu töten, Plin. Nat. hist. 8,33,78). In der Tat kann dieses kleine Raubtier beim Eindringen ins Haus Schaden anrichten und wurde verdächtigt, Kühen die Milch auszusaugen, andererseits macht es sich als Vertilger von Ratten und Mäusen nützlich, weshalb man früher Wieselfelle in die Scheune legte oder im alten Rom gar die Asche eines verbrannten Wiesels im Stall verstreute.86 Dass das Wiesel im Lauf des Jahres sein Fell wechselt (braun zu weiß), passt ebenfalls zu seinem ambivalenten Wesen. Da es bei ihm keine normale Fortpflanzung gibt, wie man glaubte, schrieb man ihm im Volksglauben sogar eine empfängnisverhütende Wirkung zu – was wiederum sehr gut zu Dunkelmond-Göttinnen wie Hekate passt.87
1 „She is not essentially a demonic deity but one of liminality, concerned with guiding the worshipper through inherently dangerous and uncertain areas of ‚no-man’s lands’ beyond the certain and the known, like birth and death and, in the physical realm, crossroads and doorways“ (Stephen Ronan: The goddess Hekate. Hastings 1992, S. 6).
2 Gegen die orientalische Herkunft der Göttin spricht sich hingegen Nina Werth (2007) aus, was mich aber nicht überzeugt.
3 Alfred Heubeck hat schon 1955 gefordert, man müsse in Zukunft die hurritisch-hethitischen Mythen auf ihre Vorbildfunktion für die griechische Sagenbildung betrachten, ein Ansatz, der heute u. a. von Frank Starke, Norbert Oettinger und Peter Högemann vertreten wird.
4 Volkert Haas: Magie und Mythen in Babylonien, Vastorf 1986; Magie und Mythen im Reich der Hethiter, Hamburg 1977; Geschichte der hethitischen Religion, Leiden/New York/Köln 1994.
5 S. Ronan, S. 120 f. und Gimbutas.
6 S. Abb. 354 in G. Camporeale, Die Etrusker, Düsseldorf СКАЧАТЬ