Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945. Frank Baranowski
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СКАЧАТЬ des Diplom-Ingenieurs Ernst Marquard88 vom Heereswaffenamt wurden z. B. die von Curt Heber und Zeiss Jena entwickelten Bombenwurfgeräte zunächst im April 1930 in Berlin-Staaken vorübergehend in einer in einem Hangar stehenden Junkers W 33 am Boden geprüft, dann auf dem Luftweg zur weiteren Erprobung nach Lipezk geschafft. Heber und Marquard erhielten die Erprobungsergebnisse. „Je nach positivem oder negativem Ergebnis ergaben sich daraus neue konstruktive Entwicklungen. Die Zeichnungen der Geräte wurden in Archiven gespeichert und standen dann beim Aufbau der Luftwaffe zur Verfügung“.89 In Tomka bei Saratow hatte das deutsche Militär eine Anlage zur Erprobung von Giftgas errichtet. Ihre Panzerfachleute bildete die Reichswehr ab 1928 – als Traktorfahrer deklariert – in Kazan an der Wolga aus.90

      Damit die Forderungen des Militärs bei der Aufstellung des Haushaltes 1933 hinreichend Berücksichtigung fänden, hatte Wilhelm Heye91 als Chef der Heeresleitung bereits bei Verabschiedung des 1. Rüstungsprogramms angeordnet, für die anschließende Rüstungsperiode die Vorbereitungen bis spätestens Herbst 1931 abzuschließen. Die Beschaffungsstellen des Waffenamtes gingen schon Mitte 1929 an die neuen Planungen. Vorgabe der Reichswehrführung für dieses 2. Rüstungsprogramm war nunmehr wieder ein 21-Divisionen-Feldheer mit 300.000 Mann.92 Zur Finanzierung dieses auf fünf Jahre ausgelegten 2. Rüstungsprogramms forderte die militärische Führung nicht weniger als eine Milliarde RM. Damit sollte die Ausstattung der Streitkräfte und ihr erster Nachschubbedarf für vier bis sechs Monate garantiert und die fabrikatorischen Vorarbeiten, d. h. die Einrichtung der Fabriken, soweit vorangetrieben werden, dass die Industrie vom vierten Monat an die Weiterversorgung sicherstellt.93 Doch das Milliardenprogramm stieß auf den Widerstand der politischen Führung. Sie begrenzte das Rüstungsprogramm 1933 bis 1938 letztlich auf 484 Millionen RM.94 Schon im August 1929 war vom Technischen Amt die Aufforderung an das Waffenamt ergangen, „als bleibende Unterlage für Operationsentwürfe, Kriegsspiele usw. […] eine Aufstellung der derzeitigen Fertigungsmöglichkeiten für den Nachschub“, gegliedert nach Inner- und Gesamtdeutschland, zu erstellen.95

      Die Zahl der in Vorbereitung des 2. Rüstungsprogramms vom Waffenamt erkundeten und für eine Fabrikation ausgewählten Betriebe hatte sich bis in die frühen 1930er Jahre erheblich erhöht. Im November 1931 legte das Waffenamt mit seinem „Fertigungsprogramm 1000/​31“ erstmals für sämtliche Waffengattungen der Reichswehr konkrete Fabrikationsvorschläge vor. Es verzeichnete etwa 1.000 Unternehmen in ‚Innerdeutschland‘, gegliedert in 14 Regionalbezirke. Neben dem Namen des Werkes und seinem Standort enthielt das Programm genaue Angaben über die im Kriegsfall von den einzelnen Werken herzustellenden Rüstungsgüter.96 Die Reichswehr hatte sich so ein engmaschiges Netz möglicher Zulieferer im Wartestand geschaffen und damit das Fundament für den späteren Ausbau und Aufschwung der Rüstungsindustrie, vor allem aber für ihre eigene Hochrüstung unter anderen politischen Voraussetzungen gelegt. Bereits dieses Konzept von 1931 legte einen deutlichen Schwerpunkt auf Unternehmen in der Region Braunschweig.

      Allein neun Maschinenproduzenten und metallverarbeitende Betriebe werden als Rüstungslieferanten vorgesehen, so die Amme-Luther-Werk AG für die Produktion von monatlich 100 Minenwerfern, 7.500 Feldhaubitzgranaten und bis zu 12.500 8,8-cm-Geschossen. Die Herstellung von Geschossen unterschiedlichster Kaliber wurde bei der Braunschweigischen Maschinenbau-Anstalt, den Brunsviga Maschinenwerken Grimme (2-cm und 3,7-cm), der Dampfkessel- und Gasometerfabrik, vormals A. Wilke & Co. (15-cm), der Vereinigten Eisenbahn-Signalwerke GmbH (15-cm) sowie den Maschinenfabriken Karges-Hammer (7,5-cm) und Selwig & Lange (8,8-cm) angesiedelt.97 Diese Unternehmen hatten in den 1920er Jahren starke Produktionseinbußen hinnehmen müssen; nunmehr erlaubte ihnen ihre Infrastruktur, ohne größere Investitionen Rüstungsaufträge, die ihnen die Reichswehr anbot, zu übernehmen. Fest eingeplant waren auch der Lastkraftwagenhersteller Büssing NAG sowie die Firma Voigtländer & Sohn für die Herstellung von Zielfernrohren und optischem Gerät.98

      Sehr viel mehr noch waren Hannoveraner Betriebe in diese frühen Planungen der Reichswehr einbezogen. Allein im heutigen Stadtgebiet von Hannover hatte die Reichswehr mehr als 20 Firmen zu Herstellern von Kriegsgerät und Zubehör bestimmt,99 allen voran die beiden bereits seit 1927 mit illegalen Aufträgen bedachten und auf weitere „harte Rüstungsgüter“ ausgerichteten Firmen Hannoversche Maschinenbau AG (Hanomag) und Lindener Zündhütchenfabrik Empelde.100 Sie hatten Ende der 1920er Jahre mit großzügiger finanzieller Unterstützung der Reichswehr Pressen angeschafft und ihre Werksanlagen für weitere Rüstungskapazitäten ausgebaut. Eine solche direkte Finanzierung war das Privileg nur weniger Firmen und unterstreicht, wie sehr die Reichswehr auf die beiden Firmen als Hauptlieferanten setzte.101 In den Planungen des Jahres 1931 stand Hanomag als Hersteller von Flugmotoren, Zugmaschinen, Sperrgerät und Granaten verschiedenster Kaliber. Als Hilfsfirma sollte Hanomag zudem Geschütze für die Deutsche Industriewerke AG in Berlin-Spandau sowie 8,8-cm-Flakgeschütze für Borsig herstellen. Die Lindener Zündhütchen- und Patronenfabrik AG sollte im Bedarfsfall einen Ausstoß von monatlich 9,5 Millionen Infanterie-Patronen und 15 Millionen Zündhütchen erreichen.102 Für die Produktion von Granaten und Kartuschen waren das Eisenwerk Wülfel, die Maschinenfabrik Jünke & Lapp, die Firma Knoevennagel und die Metallwarenfabrik Theodor Stiegelmeyer vorgesehen. Die Blech- und Eisenkonstruktionsfirma Sorst & Co.103 war nicht nur als Hersteller von Kartusch- und Patronenhülsen, sondern auch von Torpedogerät, Packgefäßen, Sperrgerät (Bojen und Behälter) sowie Nebelwerfern eingeplant.

      Teile für Minenwerfer, aber auch Kochanlagen für Kriegsschiffe sollten die Vosswerke liefern. Den Bode-Panzer-Geldschrankfabriken und der Hannoversche Waggonfabrik (HAWA) hatte die Reichswehr die Herstellung von MG-Dreifußgestellen und -Aufsätzen zugeordnet. Die Armaturenfabrik Dreyer, Rosenkranz & Droop104 sollte als Hilfsfirma der Magdeburger Mundlos AG, eigentlich eine Nähmaschinenfabrik, Torpedogerät und verschiedene Einzelteile zuliefern. Die Motorenfabrik Gebrüder Körting in Hannover-Linden hatte die Reichswehr als Hersteller von Flug- und Dieselmotoren sowie Ölfeuerungsdüsen eingebunden. Die Firma Wagenbau Jacobi sollte in Reserve Feldwagen bauen. Die Hackethal Draht- und Kabelwerke, reichsweit einer der bedeutendsten Kabelhersteller, sollte monatlich bis zu 130 km Zünd- und Sprengkabel, vier Kilometer Feldkabel sowie 60 km Bronze- und Kupferdraht bereitstellen. Die Gewecke GmbH, eine Holzgroßhandlung, war als Holzlieferant für Brückenbeläge und Schnellbrücken vorgesehen. Die Holzwerke Hainholz AG sollte monatlich bis zu 2.600 Transportkästen für Patronentrommeln abliefern. Packtaschen und Zaumzeug sollten die Lederwarenfabrik Ryffel & Borns, die Sattlerwarengroßhandlung Schütze und das Sattlergeschäft Passier & Sohn stellen.105 Die Continental-Gummi Werke AG, Lieferant von Kriegsmaterial schon im Ersten Weltkrieg,106 wurde als Hersteller von Schläuchen, Gummi- und Verpackungsmaterial sowie Gummidichtungen geführt.107 Ihr Generaldirektor seit 1926, Willy Tischbein, war Präsident der Industrie- und Handelskammer Hannover und zugleich Regionalkommissar der Stega.108

      Damit nahm er eine Schlüsselstellung zwischen der Bedarfsentwicklung der Reichswehr und der Erkundung sowie Auswahl geeigneter Produktionsbetriebe ein. Konsequent nutzte er diese Doppelfunktion zugunsten der Hannoveraner Industrie, brachte sie in rüstungsrelevanten Bereichen ins Gespräch und positionierte sie derart erfolgreich, dass Hannover später zu einem Rüstungszentren des Reiches wurde. Doch die in Aussicht gestellten Rüstungsaufträge blieben anfänglich aus, so dass Tischbeins Engagement für Rüstungsfertigungen Hannovers Betrieben nicht über die Weltwirtschaftskrise hinweg halfen, sondern sich erst nach 1933 wirtschaftlich auswirkten.109

      Ganz anders sah die Situation im Harz und dem Harzvorland aus. Die metallverarbeitende Industrie war dort allenfalls mit mittelständischen Unternehmen vertreten, von denen nur wenige den Anforderungen einer Massenproduktion genügten. In der Konzeption der Reichswehr vom November 1931 fanden nur zwei Betriebe aus Bad Lauterberg Berücksichtigung; die Franz Kuhlmann GmbH für die Herstellung von Feuerleitanlagen, Zündern für 2-cm-Munition und Nebelwerfern sowie die Monopol-Kolbenring-Fabrik Atmer & Kaufhold für 7,5-cm-Geschosse. An den Betrieben in der Universitätsstadt Göttingen hatte die Reichswehr keinerlei Interesse, obwohl gerade die optische und feinmechanische Industrie während des Ersten Weltkrieges ihre Kriegstauglichkeit unter Beweis gestellt hatte. Die wenigen nordthüringischen Unternehmen, die berücksichtigt wurden, waren – bis auf die Firmen im ‚Ballungszentrum‘ СКАЧАТЬ