Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945. Frank Baranowski
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СКАЧАТЬ fünf identischen, voneinander aber völlig unabhängig arbeitenden Produktionseinheiten bestehen sollte.19 Am 8. Dezember 1938 wies der Reichsminister der Luftfahrt die Elektrochemischen Werke an, der Ausbau der Fabrik in Lauterberg habe sofort in vollem Umfang zu erfolgen, und ebenfalls sei mit der Projektierung eines zweiten Werkes in Rhumspringe mit fünf Einheiten umgehend zu beginnen. Die rechtlichen Grundlagen wurden dagegen erst knapp ein Jahr später mit der Unterzeichnung eines „Aufbauvertrages“ am 26. Oktober 1939 geschaffen, in dem sich das Reich verpflichtete, im Odertal bei Bad Lauterberg auf eigene Kosten ein Werk „zur Erzeugung von chemischen Stoffen für den Wehrmachtsbedarf“ zu errichten.20

       Bei der Herstellung von Nebelbomben im Werk „Kunigunde“ in Dörnten bei Goslar (Sammlung Frank Jacobs)

      Zum Zwecke der Geheimhaltung hatte sich EWM im September 1938 zur Gründung der Otto Schickert & Co. KG entschieden, die nach außen hin als Betreibergesellschaft des Bad Lauterberger Werkes hin auftrat. Ende Januar 1941 ging die erste Halle zur Erzeugung von 35%igem Wasserstoffperoxyd samt der zentralen Anlage zur Hochkonzentration der Chemikalie auf 80 – 85 % in Betrieb. Die zweite Halle zur Produktion von 35%igem Wasserstoffperoxyd lief im Sommer 1941 an. Der Bau von Halle 3 war im Frühjahr 1942 und von Halle 4 im November 1942 abgeschlossen.

      Der Aufbau des Chemiewerkes war mit der Inbetriebnahme von Halle 5 im Juni 1944 vollendet. Die vom Reich zu übernehmenden Kosten für den Bau der Fabrik in Bad Lauterberg beliefen sich auf 70 Millionen RM.21 Bei der Planung des Rhumspringer Werkes kam es hingegen zu Verzögerungen infolge einer vorübergehend geringeren Nachfrage nach Wasserstoffperoxyd. Anfang Mai 1940 plädierte daher die Rüstungsinspektion Hannover beim RLM für eine Rückstellung des geplanten Zweigwerkes.22 Mitte Juni 1942 kam das Oberkommando der Marine auf die Vorplanungen aus dem Jahr 1938 zurück. In dem Bericht des Rüstungskommandos vom 18. Juni 1942 heißt es: „Die Bauarbeiten für das Werk Rhumspringe wurden auf Anordnung des OKM wieder aufgenommen und sollen mit großem Nachdruck vorangetrieben werden“.23 In Rhumspringe sollten wie in Bad Lauterberg fünf Produktionshallen errichtet werden, allerdings wurden die Pläne auf drei Hallen und die entsprechenden Hilfsgebäude zusammengestrichen. Die Produktion in Halle 1 sollte am 1. Mai 1945, in Halle 2 am 1. September 1945 und in Halle 3 am 1. März 1946 aufgenommen werden.24 Obwohl Ende Dezember 1944 über 1.300 Arbeitskräfte auf der Baustelle in Rhumspringe tätig waren,25 ließen sich diese Zeitvorgaben bei Weitem nicht einhalten. Bei Kriegsende waren von Halle 1 gerade mal die Fundamente gegossen. Die Arbeiten am zweiten Produktionsgebäude waren am weitesten fortgeschritten, so dass Schickert im Frühjahr 1945 mit dem Einbau des Maschinenparks begann. Die Produktionsaufnahme stand im März 1945 unmittelbar bevor.26

       Das im Aufbau begriffene Schickert-Werk Bad Lauterberg, 1939 (Foto Lindenberg)

       Großbaustelle Schickert-Werke Bad Lauterberg, 1939 (Foto Lindenberg)

       Gesamtansicht des Lauterberger Schickert-Werkes, 1942 (Foto Lindenberg)

       Modell des Schickert-Werkes Rhumspringe, 1942 (Sammlung Baranowski)

      Ebenso nahm die seit 1885 in Hann.-Münden bestehende Firma Händler & Natermann Anteil am Rüstungsgeschäft.27 Spätestens ab 1942 stellte sie spezielle Aluminiumfolien für die Marine und Walzblei für die Accumulatorenfabrik Hannover (Afa) her. Zudem arbeitete der Betrieb als Zulieferer für die Deutschen Edelstahlwerke in Hannover (Panzerwaffenteile) und die Torpedo-Werkstätten in Eckernförde. Auch Feststellvorrichtungen für Bordfenster verließen die Fabrik. Außerdem lieferte Händler & Natermann den Polte-Werken Geschossdraht sowie spezielle Bleidichtungen für das U-Boot-Programm. Anfang Januar 1942 beschäftigte der Mündener Rüstungszulieferer 152 Arbeitskräfte.28 Im ersten Quartal 1944 übernahm die Firma als Ausweichbetrieb für die Berliner Bamag-Meguin AG zusätzlich die Produktion von Ruderfeststell-Vorrichtungen für Flugzeuge. Der Betrieb deckte etwa 25 % des Gesamtbedarfs der deutschen Flugzeugindustrie.29 Bis September 1944 kletterte die Beschäftigtenzahl auf 274; darunter befanden sich 45 Ostarbeiter und 37 weitere, zumeist aus Westeuropa stammende Arbeitskräfte.30

      Die 1924 aus dem Goslarer Stadtgebiet nach Oker verlegte Gebrüder Borchers AG war ebenfalls in die Rüstungsproduktion einbezogen, mit heute noch einschneidenden Folgen für Umwelt und Natur. Das Unternehmen war bei der Herstellung von Wolfram und Molybdän marktbeherrschend. 1935 erwarb die Firma H. C. Starck von der Hildesheimer Bank die Aktienmehrheit an der Gebrüder Borchers AG und bildete gemeinsam mit Krupp, der Gesellschaft für Metallurgie und der I.G. Farben ein Konsortium zur Gewinnung einheimischer Rohstoffe zur Stahlveredelung. Um die Abhängigkeit vom Ausland zu verringern, hatte es sich dieses „Ofensauenkonsortium“ zur Aufgabe gemacht, aus den Schmelzrückständen des Mansfelder Kupferschiefers Molybdän zu gewinnen, technologisch ein energieintensiver und äußerst umweltschädlicher Prozess. Die Anlagen wurden ab 1935 in Oker gebaut. Ein weiteres Standbein war die Produktion von Arsen als Vorprodukt von „Schädlingsbekämpfungsmitteln“ und offenbar auch chemischen Kampfstoffen.31 Seit August 1938 war die Borchers AG offiziell Unterlieferant der Luftwaffe.32 Die konkrete Zahl der bei Borchers beschäftigten Personen ließ sich nicht ermitteln. Bekannt ist nur, dass die Chemiefabrik mehr als 500 ausländische Arbeitskräfte beschäftigte.

       Im Bau befindliche Heizzentrale des Rhumspringer Schickert-Werkes, April 1945

       (CIOS-Bericht)

       Links: Blick in das Innere, Fraktionssäulen des Schickert-Werkes Lauterberg (Foto Lindenberg)

       Rechts: Batteriezellen im Schickert-Werk Rhumspringe (CIOS-Bericht)

       Halle 3 des Schickert-Werkes Rhumspringe; die Halle 4 im Vordergrund ist im Aufbau begriffen, April 1945 (CIOS-Bericht)

      Unter ihnen 94 französische Kriegsgefangene, die unter unvorstellbaren Bedingungen im Werk arbeiteten. In einem zeitgenössischen Bericht heißt es über diese unmenschlichen Arbeitsbedingungen: „Bei Ankunft des mineralhaltigen Gesteins laden fünf oder sechs Gefangene es ab. Eine harte, aber nicht gefährliche Arbeit. Dieses Erz kommt in die Halle, wo die Hochöfen stehen. Drei Kameraden, die in dieser Halle arbeiten, sind damit beschäftigt, die Hochöfen mit dem Erz und anderen nicht gesundheitsschädlichen chemischen Produkten zu beladen. Eine sehr anstrengende Arbeit bei großer Hitze. Zwei bis drei Meter lange Flammen kommen aus den Hochöfen, die auf 800 bis 900 Grad aufgeheizt werden. Das Produkt aus diesem Schmelzvorgang wird aus den Hochöfen gekippt und von unseren Kameraden mit dem Vorschlaghammer zerstückelt, wenn es erkaltet ist. Diese Stücke werden dann weiter zerkleinert und zu einem feinen Staub zermahlen. Bei jedem Abstich holen die Kameraden neun Schubladen voll dieses feinen Staubes auf Arsenbasis, der ätzend ist, die Schleimhäute verbrennt, die Augen tränen lässt und von dem man niest. Die Gefangenen arbeiten ohne Schutzmaske, erhalten weder Milch noch eine Zusatzration, während die Zivilarbeiter über all diese notwendigen Schutzmaßnahmen verfügen. Der aus dieser Bearbeitung СКАЧАТЬ