Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945. Frank Baranowski
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СКАЧАТЬ So hatte der Chef der Heeresleitung in einem Rundschreiben vom 28. Oktober 1928 Anlass, seine untergeordneten Stellen zu ‚Vertragstreue‘ zu ermahnen: „Ein im Flugwesen früher tätig gewordener Kommandeur hat eine Anzahl optischer Instrumente bei einer Privatfirma untergebracht und dadurch dem Zugriff der Entente entziehen wollen. Schon wenige Tage später sind die Instrumente von einer Ententekommission aufgefunden und beschlagnahmt worden“. Weiter heißt es: „Die Reichsregierung gerät durch derartige Eigenmächtigkeiten einzelner Offiziere in die schwierige Lage, da ihr von Seiten der Entente immer größeres Misstrauen entgegengebracht wird“.33

      Zur Reparatur und möglicherweise auch zur Auffüllung des vorhandenen Bestandes hatte sich die Reichswehr ein engmaschiges Netz an illegalen Zulieferern geschaffen. Ein erst jetzt aufgefundener Bestand im Militärarchiv Freiburg verdeutlicht den tatsächlichen – bislang weit unterschätzten – Umfang. Er weist über 120 Unternehmen aus, die Mitte der 1920er Jahre allein für Luftwaffenzwecke arbeiteten. Darunter die Adler GmbH aus Hannover, die Schußzähler herstellte. Die Hannoversche Waggonfabrik lieferte Zubehörteile für Maschinengewehre, die von der Firma Hermann Weihrauch in Zella montiert wurden. Die Schweriner Fokker-Werke stellten Panzerungen und die Berliner Stahlwerk Becker AG Übungsgeschosse her. Durchladehebel kamen vom Hessenwerk in Kassel.34 August Blödner aus Gotha stellte Drehkräne her. Patronengurte bezog die Reichswehr bei der Berliner Firma Gotthold & Hoppe. Dies stellt nur einen kleinen Ausschnitt der Unternehmen dar, die trotz Anwesenheit der IMKK im Lande und des Risikos der Aufdeckung Rüstungsaufträge ausführten.35 Seit 1925 belegte die Reichswehr zur Tarnung vor den Alliierten die Betriebe, die die Rüstungsproduktion wieder aufgenommen hatten, mit Produktionskennzeichen, Buchstaben- oder Zahlenkombinationen, die bis 1936 ihre Gültigkeit behielten.36 Obwohl die illegalen Rüstungsmaßnahmen unter strengster Geheimhaltung stattfanden, häuften sich im Sommer 1926 die Meldungen über die Existenz einer „schwarzen Reichswehr“. Am 6. Dezember 1926 legte die SPD der Reichsregierung umfangreiche Materialien zur illegalen Rüstungstätigkeit der Reichswehr vor, die die Kooperation mit der Roten Armee offenbarten und in Ansätzen den Rückkauf von Spezialmaschinen, die entsprechend der Anordnungen der IMKK in alle Winde zerstreut waren, belegten.37

      Nach dem Sturz Seeckts Ende Oktober 1926 vollzog sich in der Generalität, nicht zuletzt auch wegen des politischen Drucks, ein Sinneswandel. Die Reichswehr erkannte, dass sich ihre bereits seit Anfang der 1920er Jahre in Grundzügen festgelegte Revisionspolitik ohne die Hilfe – d. h. die finanzielle Unterstützung durch die Reichsregierung – nicht weiter vorantreiben ließ. Im November 1926 beklagte der damalige Oberst Joachim von Stülpnagel in einen Brief an Oberst von Falkenhausen, „dass wir in den Fragen der Landesverteidigung seit Jahren nicht vorwärts kommen, nur weil S.[eeckt] nicht dazu zu bewegen war, einmal mit der Regierung offen alle diese Dinge zu besprechen“.38 Im Februar 1927 informierte Generalleutnant Wilhelm Heye, der neue Chef der Heeresleitung, das Kabinett Marx in großen Zügen über den Stand der geheimen Vorarbeiten zur Mobilmachung, doch Einzelheiten über die materiellen Rüstungsmaßnahmen kamen dabei nicht zur Sprache.39 Heye erklärte weiter, er halte die Vorbereitung einer „gewissen“ Verteidigung für notwendig und im Osten auch für durchführbar. Von den Planungen eines Angriffskrieges, an dem die Reichswehr weiterhin festhielt, war freilich keine Rede.40

      Am 19. Mai 1927 verlangte das Truppenamt von den Ämtern des Reichswehrministeriums eine Bestandsaufnahme aller ‚Mobilmachungsvorarbeiten‘. Zur Begründung heißt es: „Voraussetzung für eine planmäßige Gesamtrüstung, innerhalb derer alle einzelnen Rüstungsvorhaben sachlich und zeitlich in Übereinstimmung stehen, ist die Aufstellung eines Rüstungsprogramms und einer Dringlichkeitsliste mit dem Endziel: Bereitstellung bzw. Sicherstellung des Bedarfs der […] vorläufig festgelegten Land- und Luftmacht (21 Divisionen-Programm + entsprechende Luftmacht). […] Die Aufstellung eines in allen Einzelheiten zahlenmäßig vollständigen Rüstungsprogramms ist zur Zeit auf einer Reihe von Gebieten nicht möglich“. Zunächst müsse der äußere Rahmen festgelegt werden. Daher benötige das Technische Amt „eine Zusammenstellung sämtlicher zur Zeit laufenden oder beabsichtigten Vorhaben auf allen Gebieten der personellen und materiellen Rüstung“.41 Das Waffenamt arbeitete in den kommenden Monaten ein Programm für die Beschaffung, Verwaltung und Instandsetzung des Anfangs- und Nachschubbedarfs des „A-Heeres“ (= Aufstellungsheer) aus. Als Ziel der wirtschaftlichen Vorarbeiten sah es die Sicherstellung des dringlichsten monatlichen Nachschubbedarfs in den ersten fünf Kriegsmonaten für Heer, Marine und Luftstreitkräfte vor. Noch bevor diese Planungen zum Rüstungsprogramm abgeschlossen waren, ging das Waffenamt daran, in verstärktem Maß Aufträge an die Industrie zu vergeben, die allein 1927 einen Wert von 70 Millionen RM erreichten.

      Schnell zeichnete sich ab, dass die zur Verfügung stehenden Mittel nicht für die Ausstattung des geplanten 21-Divisionen-Notheeres ausreichten. Im Februar 1928 verminderte das Truppenamt das „A-Heer“ in seinen Planungen auf 16 Divisionen. Zur Berechnung sollte sogar nur noch von 15 Divisionen ausgegangen werden. Dieses Konzept hatte bis Mitte 1930 Bestand.42 Am 29. September 1928 genehmigte der Chef der Heeresleitung das Heeresrüstungsprogramm 1928/​32, dem dieses reduzierte Notstandsheer zugrunde lag. Am 26. Oktober billigte die Regierung dieses 1. Rüstungsprogramm mit einem Finanzierungsaufwand von rund 350 Millionen RM. Davon entfielen ca. 280 Millionen RM auf die Erstausstattung des Notheeres. Der Löwenanteil wurde für den Ankauf von Artilleriemunition und -gerät sowie Maschinengewehren verwendet. Die Bestellungen bei den ‚schwarzen Firmen‘ erfolgten aus Geheimhaltungsgründen – wie schon in den Jahren zuvor – weiterhin über die 1926 von der Reichswehr ins Leben gerufenen Stahl- und Maschinengesellschaft mbh (Stamag). Die Lieferungen der zugelassenen Rüstungsschmieden, die das „Nollet-Soll“43 überschritten, wurden einem gesonderten Buchungsverfahren unterzogen.44 Die Einstellung von Haushaltsmitteln in die umfangreiche Ausarbeitung zeigt, dass es nicht um ein Gedankenspiel möglicher Rüstungshersteller ging. Vielmehr belegt sie Waffenkäufe der Reichswehr nicht nur bei den wenigen von den Alliierten zugelassenen Rüstungsschmieden, sondern auch bei einigen ‚schwarzen‘, nicht konzessionierten Betrieben.45 So lieferten mit Wissen und Genehmigung der Alliierten die Magdeburger Polte-Werke Hülsen und Geschosse; ungenehmigt aber stellten vier weitere Firmen diese Munition her; die Metallwarenfabrik Treuenbrietzen, Basse & Selve im sauerländischen Altena, die Lokomotivfabrik und Schiffsbauwerft Schichau in Elbing,46 sowie die Werkzeug- und Maschinenfabrik Donauwörth.47

       Polte-Kennmarke mit eingestanzter Personalnummer (Sammlung Baranowski)

      Die Kosten für die ‚fabrikatorischen Vorarbeiten‘ machten im Gesamtumfang des 1. Rüstungsprogramms den kleinsten Betrag aus. Dies verwundert, da die Reichswehr noch im Juni 1927 im Rahmen des von ihr selbst aufgelegten „Notprogramms“ knapp 40 Millionen RM für die Sicherstellung des allerdringendsten Heeresbedarfs in „Rumpfdeutschland unter Zugrundelegung der vorhandenen Maschinen [und] Einrichtungen“ gefordert hatte. Außerhalb der zugelassenen Firmen sah die ursprünglich aus dem März stammende überarbeitete Dringlichkeitsliste vom Juni 1927 die finanzielle Unterstützung von etwa 50 Betrieben vor, die wie die Lindener Zündhütchenfabrik in Empelde bei Hannover für mögliche Rüstungsaufträge zumeist „still liegend in Bereitschaft gehalten wurden“. Unter ihnen waren Dreyse & Collenbusch in Sömmerda, die Berlin-Karlsruher-Industriewerke,48 die zum Krupp-Imperium gehörende Panzerschmiede Grusonwerk in Magdeburg, AEG, die Siemens-Schuckert Werke Berlin, die Sächsischen Gussstahlwerke Döhlen (SGW),49 die Maschinenfabrik Wilhelm Wurl in Berlin-Weißensee, die Ardeltwerke in Eberswalde, die Erfurter Maschinenfabrik (Erma), Hanomag in Hannover und die Maschinenfabrik August Wallmeyer in Eisenach.50 Noch im Dezember 1927 hoffte das Heereswaffenamt, für die Jahre 1927 bis 1930 einen Betrag von mehr als 41 Millionen RM für fabrikatorische Rüstungsvorhaben aufwenden zu können.51 So waren 800.000 RM für die Ergänzung der bei Schwedt und bei Erma lagernden Maschinen für Handwaffen gedacht. Weitere 4,2 Millionen RM sollten u. a. für die Überholung von Werkzeugen bei Polte, Basse & Selve, Dreyse & Collenbusch, Dornheim-Suhl, Utendoerffer, den Berlin-Karlsruher-Industrie-Werke und für Maschinen in diversen Heereslagern fließen. Auch eine Umrüstung der СКАЧАТЬ