Название: Rüstungsproduktion in der Mitte Deutschlands 1929 – 1945
Автор: Frank Baranowski
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783959660037
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Ende März 1943 verfügte sie über 126 Werke, die sie an 58 private Gesellschaften verpachtet hatte.10 Dabei errichteten auf einem von der „Montan“ für das Deutsche Reich erworbenen Gelände Unternehmen der Privatindustrie Fabrikanlagen, deren Einrichtungskosten das Oberkommando des Heeres trug. Die Regularien waren in einem Mantelvertrag geregelt, in dem sich die privaten Muttergesellschaften verpflichteten, für den Aufbau der Fabriken, ihre Betriebsfähigkeit und die Instandhaltung zu sorgen. Nach Abschluss des Auftrages und Abnahme durch das OKH gingen die Betriebe in das Eigentum der „Montan“ über, die sie an eine zu 100 % von der Muttergesellschaft gegründete Tochterfirma verpachtete. Diese zu Produktionszwecken eingerichteten Tochtergesellschaften waren in technischer und finanzieller Hinsicht von der Konzernmutter auszustatten. Die Muttergesellschaft hatte ihr Personal und ihr gesamtes Know-how einzubringen, ein Technologietransfer mit kaum einschätzbaren Risiken für die Rüstungsproduzenten.11 Der Nachteil lag aus Sicht der Privatindustrie insbesondere in der ständigen Kontrolle durch staatliche Dienststellen.12
Hinzu kam, dass sich das OKH in den Verträgen das Recht vorbehielt, einen Pächter, der nicht mehr genehm oder den gestellten Anforderungen nicht gewachsen war, durch ein anderes Unternehmen abzulösen oder die Anlage selbst zu betreiben.13 Im Pachtvertrag zwischen der „Montan“ und den Tochtergesellschaften – in der Regel mit einer Laufzeit von 15 Jahren – verpflichtete sich die Betreiberfirma zur sorgfältigen Verwaltung der gepachteten Anlagen.14 Bei zu geringer Auslastung konnte das OKH die Betriebe stilllegen. So geschah es im Juli 1940 mit der Gerätebau GmbH, Pachtwerk der Gebrüder Thiel-Seebach GmbH (Ruhla) in Kassel; mit der Kündigung des Pachtverhältnisses wurde Platz für einen Junkers-Verlagerungsbetrieb geschaffen.15 Etwa zeitgleich gab es Planungen, die Mühlhäuser Dependance desselben Zünderproduzenten zu schließen, doch konnte sich die Gerätebau GmbH in diesem Fall behaupten und einer Räumung entgegenwirken.16
Die Verträge mit der „Montan“ wurden zumeist auf freiwilliger Basis geschlossen und nur in den wenigsten Fällen staatlicher Druck ausgeübt. Um das Risiko zu begrenzen und auf diese Weise Erträge zu erzielen, die noch über den ohnehin schon hohen Profitraten der Rüstungsindustrie lagen, ließen sich zahlreiche Unternehmen bereitwillig auf den Deal ein.17 Als Nutzungsentgelt hatten die Muttergesellschaften bis 1943 eine variable Pacht von 33 % bis 50 % des von der Firma für das Geschäftsjahr bilanzierten Brutto-Betriebsüberschusses zu zahlen. Aus dieser gewinnabhängigen Pacht ergab sich für das Reich nur eine geringe Verzinsung. Daher drängte Speer 1943 auf die Durchsetzung neuer Pachtverträge mit einer festen Verzinsung von jährlich sechs Prozent auf den halben Anschaffungswert der verpachteten Grundstücke und Anlagen. Dies stieß auf den Protest der betroffenen Rüstungsunternehmen, die nicht gewillt waren, eine solche Änderung hinzunehmen und damit ihr Betriebsrisiko zu erhöhen. Bis Herbst 1944 gelang es der „Montan“, nur acht der bestehenden Pachtverträge umzustellen; in 12 weiteren Fällen waren Vertragsverhandlungen im Gange.18 Die von außen undurchschaubare Konstruktion des ‚Rüstungsvierecks‘, in der Auftraggeber und Betreiber unter mehreren Firmennamen auftraten, damals eine Verschleierungstaktik, hat rechtliche Auswirkungen bis auf den heutigen Tag. Die meisten Betreibergesellschaften wurden nach dem Krieg liquidiert, so dass es keine Rechtsnachfolger gibt, die für umweltschädliche Altlasten in Haftung genommen werden könnten.19
Als Muttergesellschaften traten u. a. so renommierte Firmen wie Polte (Magdeburg), Gebrüder Thiel (Ruhla), Stock & Co., Dynamit AG, Deutsche Sprengchemie, Wolff & Co., I.G. Farben und die Hugo Schneider AG auf. Die Verwertchemie betrieb 27 „Montan-Werke“ mit einem Anschaffungswert von ca. 1,8 Milliarden RM, darunter zwei Werke im Harz.20 Neben der Dynamit AG hatte auch die WASAG über ihre Tochtergesellschaft, die Deutsche Sprengchemie GmbH, zahlreiche Sprengstofffabriken von der „Montan“ gepachtet. Ebenso betrieb die Wolff & Co. KG aus Walsrode bei Hannover unter dem Decknamen Eibia GmbH Liebenau, Bomlitz und Dörverden fünf Fabriken zur Herstellung von Sprengstoff. Die Deutsche Gold und Silberscheideanstalt mit Hauptsitz in Frankfurt unterhielt unter dem Tarnnamen „Paraxol GmbH“ ebenfalls mehrere Produktionsstätten, eine davon in Lippoldsberg bei Göttingen.21 Ebenso profitierte der von den Alliierten im Juli 1921 für die Herstellung von Kriegsmaterial zugelassene Magdeburger Polte-Konzern von einer frühzeitigen staatlichen Unterstützung seines Hauptwerkes, das die Reichswehr aus „schwarzen Kassen“ mit neuen Maschinen und Einrichtungen ausstattete. Zusätzlich ließ sich Polte mit Staatsmitteln in Genthin (Werk Liesewald), Magdeburg und Grüneberg weitere Werke bauen.
Die „Montan“ hatte sie an eine 100%ige Tochterfirma des Magdeburger Rüstungsproduzenten, die Silva Metallwerke GmbH, verpachtet.22 Zudem betrieb Polte in Duderstadt ein Zweigwerk zur Herstellung von 2-cm-Munition, das ebenfalls aus Mitteln der Luftwaffe errichtet worden war.23 Schon 1934 hatte die Reichswehr den Aufbau eines Polte-Zweigwerkes in Bad Lauterberg, der Metallwerk Odertal GmbH, in Form eines unwiederbringlichen Zuschusses mitfinanziert.24 Auch die Gebrüder Thiel-Seebach GmbH, die von den Alliierten zur Produktion von Zündern zugelassen worden war, nutzte staatliche Drittmittel, um eine weitere Niederlassung in Mühlhausen (Thüringen) zu errichten. Die veranschlagte Bausumme belief sich auf 11,8 Millionen RM; knapp die Hälfte dieses Betrages hatte das Reich bis Ende 1935 investiert. Die Produktion sollte im April 1936 aufgenommen werden,25 doch die beiden Produktionshallen und das zugehörige Verwaltungsgebäude standen erst Ende 1937 für die Herstellung von Zeitzündern bereit.26 Andere reichseigene Werke betrieb die „Montan“ in eigener Regie, wie die Feinmechanische Werke GmbH Erfurt und die Hanseatische Kettenwerk GmbH Hamburg.27
Etwa 10 % der vom Reich verausgabten „Montan-Mittel“ flossen in den heutigen südniedersächsischen Raum. Seit 1934 befanden sich heereseigene Betriebe in Bad Lauterberg [Metallwerk Odertal GmbH, bewirtschaftet durch Polte Magdeburg], in Göttingen [Feinmess- und Prüfgeräte GmbH, durch Carl Mahr, Esslingen], in Langelsheim [Chemische Werke Harz-Weser GmbH, durch Deutsche Aktiv-Kohle GmbH] sowie in Herzberg und in Clausthal-Zellerfeld [Dynamit AG] im Aufbau. Allein die Investitionen für den Bau des letztgenannten Sprengstoffwerkes „Tanne“ beliefen sich bis März 1936 auf über 12,4 Millionen RM und rangierten damit an Position vier aller 40 aus öffentlichen Mitteln finanzierten Vorhaben.28 Die Konzentration dieser Staatsbetriebe hatte nachhaltige Auswirkungen auf die bis dahin eher von kleineren und mittelständischen Unternehmen geprägte Wirtschaftsstruktur. Besonders die wenig erschlossenen Harzgemeinden zogen aus dieser Entwicklung Nutzen, einerseits durch Aufträge an die heimische Bauindustrie, andererseits durch die Heranziehung einheimischer Arbeitskräfte für den Produktionsbetrieb. Die wirtschaftliche Bedeutung der heereseigenen Betriebe für die Region zeigt sich namentlich daran, dass das Metallwerk Odertal sowie die beiden DAG-Werke in Clausthal-Zellerfeld und Herzberg 1943 mit zusammen über 8.000 Arbeitskräften zu den 20 größten Betrieben des Rüstungskommandos Hannover gehörten.29
Die Einbeziehung südniedersächsischer Firmen in die Rüstungsproduktion – ein Kurzüberblick
Die staatlich begünstigte Ansiedlung von Chemiebetrieben und Sprengstoffwerken
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