Kunstmord. Petra A. Bauer
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Название: Kunstmord

Автор: Petra A. Bauer

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

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isbn: 9783897730106

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СКАЧАТЬ Gedanken gelesen, sagte er: «Nein, das ist wirklich wahr, ich bin Künstler, ich male. Ich möchte behaupten, dass ich mir auch schon einen Namen gemacht habe, auch wenn die Zeiten gerade schwierig sind. Wenn du willst, zeig ich dir meine Wirkungsstätte mal.»

      Victor konnte sich nicht erinnern, seinem Gegenüber das Du angeboten zu haben, aber so was passierte eben, wenn man sich in ein Gasthaus begab, anstatt sich in die Arbeit zu vertiefen. Er verfluchte seine Entscheidung, bis sein Gegenüber einen Zettel aus der Tasche zog und auseinanderfaltete.

      «Kleine Fingerübung von vorhin.» Er schob den Zettel zu Victor hinüber, und dieser hielt für einen Moment den Atem an. Alfons Lauterbach hatte mit wenigen genialen Strichen die Sacre Cœur skizziert.

      «Waren Sie schon am Montmartre?», wollte Victor wissen, bereute jedoch sofort seine Frage.

      «Sag doch Alfons! Unter Künstlern müssen wir doch nicht so förmlich sein.» Er lächelte. Der Steg zwischen seinen Nasenlöchern war wesentlich tiefer angesetzt als die Nasenflügel, was ihm ein leicht katzenhaftes Aussehen verlieh. «Aber um auf deine Frage zu antworten: Nein. Ich kenne Paris nur von Photos. Aber mir gefällt die Basilika, und deswegen zeichne ich sie immer mal wieder. Das erste Mal war ein Photo die Vorlage. Und wenn ich einmal etwas gesehen habe, das mich berührt hat, dann kann ich es jederzeit aus dem Gedächtnis malen.»

      Victor mochte es noch immer nicht, dass Alfons Lauterbach ihn behandelte, als wären sie schon ewig befreundet. Er wirkte sympathisch, abgesehen von seiner Angeberei mit dem photographischen Gedächtnis, doch es widersprach einfach Victors grundsätzlicher Skepsis anderen Menschen gegenüber, sich so rasch auf eine vertraute Ebene zu begeben. Distanz war wichtig für ihn, es war etwas, an dem er sich festhalten konnte, ein fester Rahmen, den er seinem Leben gab. Traue niemandem, dann bist du sicher! Zu oft war er enttäuscht worden. Sogar seine eigene Mutter war einfach gestorben, anstatt für ihn da zu sein. Worauf sollte man sich dann im Leben noch verlassen können?

      Trotz allem beschloss Victor, sich auf das Duzen einzulassen. Sich weiterhin stur zu stellen wäre ihm grob unhöflich vorgekommen. Außerdem schien dieser Alfons kein so übler Kerl zu sein. Wie hätte er das auch sein sollen, wo er doch Sacre Cœur mochte, auch wenn er die Basilika nur aus der Ferne kannte? Wer Victors Leidenschaft teilte, hatte sich einen kleinen Vertrauensvorschuss verdient, auch wenn es Victor schwerfiel. Außerdem war sein Interesse erwacht.

      «Zeichnen S … Zeichnest du nur, oder benutzt du auch andere Materialien?»

      «Ich male auch in Öl und Aquarell. Kleine Bilder, große Bilder, Häuser, Porträts – alles, was du willst. Und selber?»

      Victor biss sich auf die Zunge, damit er kein Wort über das Acryl verriet. «Im Grunde dasselbe. Bilder, Auftragsarbeiten, um den Lebensunterhalt zu finanzieren. Und wahre Kunst, um geistig zu überleben.»

      «Warst du schon mal im Romanischen Café? Da sitzen viele von uns.»

      Victor hatte sich bisher aus genau diesem Grund von dort ferngehalten, doch das wollte er seinem Tischkumpan nicht auf die Nase binden. «Ich gehe nicht viel aus», sagte er vage.

      «Solltest du aber! Das ist ungemein belebend für die kreative Energie. Glaub mir, ich weiß, wovon ich rede. Manchmal bin ich so ausgelaugt, dass mir kein einziger Pinselstrich mehr von der Hand gehen will. Keine Ideen, nur Stroh im Kopf. Dann muss ich mal lockerlassen und Blödsinn machen.» Alfons nahm sich einen Bierdeckel und legte ihn so auf den Tisch, dass er zur Hälfte über die Kante hinausragte. Als Victor sich noch fragte, was das sollte, hatte Alfons schon mit den Fingern von unten gegen den Bierdeckel geschnippt. Der Deckel vollführte eine Drehung, so schnell, dass man mit den Augen kaum folgen konnte, und Alfons hielt ihn in der Hand.

      «Kennst du das noch nicht?» Alfons hatte Victors irritierten Blick gesehen. «Schau, es ist ganz einfach: Hinlegen, schnippen, fangen.» Er wiederholte das Kunststück einige Male. «Probier es doch auch mal!»

      «Ich bin nicht so geschickt bei so was. Lass mal.»

      Die Wahrheit war, dass Victor unglaubliche Angst davor hatte, sich vor allen Leuten zu blamieren. Sicher hätte er den Bierdeckel durch das halbe Lokal geschnippt. Er wusste nicht, wie er damit hätte umgehen sollen. Er begab sich normalerweise nur in Situationen, auf die er gut vorbereitet war, und Bierdeckelschnippen gehörte nicht zu den Dingen, mit denen er heute gerechnet hatte.

      Alfons grinste.

      Victor konnte sich lebhaft vorstellen, was sein Gegenüber wohl denken mochte, aber das war ihm egal.

      «Solche Tricks lernt man eben, wenn man unter Menschen geht, die alle darauf aus sind, ihren Kopf wieder freizubekommen.» Und dann begann er, von den Treffen im Romanischen Café zu erzählen, von der Inspiration, die ihm der Austausch mit den Kollegen bescherte, und davon, wie schön das Leben als Künstler sei. Kein Wort von beschwerlichen Stunden, die Victor nur zu gut kannte, kein Wort von Zweifel und tiefer Traurigkeit. Alfons schien auf der Sonnenseite geboren zu sein. Er strahlte so viel Freude aus, dass Victor irgendwann dachte, etwas von dieser Energie könnte auf ihn abstrahlen, wenn er sich nur oft genug in Alfons’ Nähe aufhielt. Er hätte es nicht über sich gebracht zu fragen, doch Alfons nahm ihm diese Entscheidung ab.

      «Ich habe heute noch etwas vor, aber ich würde mich freuen, wenn wir uns wiedertreffen. Willst du dir meine Bilder mal ansehen?»

      Victor versicherte eifrig, aber nicht zu eifrig, dass er sich freuen würde.

      Sie verabredeten sich für die nächste Woche.

      An diesem Tag ging Victor Reimer ungewohnt frohgemut nach Hause.

      VICTOR war verwundert, als er in der Fürstenstraße ankam und in dem Haus, das Alfons ihm genannt hatte, auf dem Stummen Portier nach dem Namen Lauterbach suchte. Unterhalb der vorgesehenen Felder für die Namen der Hausbewohner klebte ein zusätzlicher Zettel mit Alfons’ Namen. Das ließ keinen anderen Schluss zu, als dass sich Alfons’ Wohnung im Keller befand – nicht gerade ideal für ein Künstleratelier.

      Muffiger Geruch nach alten Kartoffeln schlug ihm auf der Treppe nach unten entgegen, und es war nicht leicht, in der Dunkelheit überhaupt den Lichtschalter zu finden.

      Die Lampe erhellte nur schwach einen schmalen Gang. Die Mauern bestanden aus rotbraunen Steinen, in deren Fugen sich Staub angesammelt hatte. Türen, lose aus einfachen Holzlatten gezimmert, gingen rechts und links davon ab. Victor spähte durch die Lattenzwischenräume in einen Verschlag hinein. Bei der spärlichen Beleuchtung konnte er zwar kaum etwas erkennen, er vermutete aber, dass Kohlen darin lagerten.

      Eine Türöffnung auf der linken Seite des schmalen Ganges war mit andersfarbigen Steinen offenbar nachträglich zugemauert worden, und die nächste Tür sah anders aus als die anderen: keine einzelnen Holzlatten, sondern eine massive Holztür, die über und über mit geometrischen Formen bemalt war, in allen erdenklichen Farben. Auf Augenhöhe befand sich ein Schriftzug: A. Lauterbach – Künstler.

      Darunter war ein verschnörkelter Türklopfer angebracht, der aussah, als hätte er einmal an einem hochherrschaftlichen Haus als Ankündigungsmechanismus für Gäste gedient.

      Victor streckte die Hand danach aus, zog an dem Griff und ließ ihn wieder fallen. Ein lautes «Klong!» ertönte, und es dauerte eine Weile, bis Victor Schritte hinter der Tür vernahm.

      Alfons öffnete. Er sah Victor für einen Moment irritiert an, dann hellte sich seine Miene auf.

      «Stimmt, wir waren verabredet!» СКАЧАТЬ