Kunstmord. Petra A. Bauer
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kunstmord - Petra A. Bauer страница 3

Название: Kunstmord

Автор: Petra A. Bauer

Издательство: Автор

Жанр: Зарубежные детективы

Серия:

isbn: 9783897730106

isbn:

СКАЧАТЬ was er konnte, hatte er sich selbst beigebracht. Sein Vater hatte ihn, als er nicht einmal sechzehn war, dazu gedrängt, eine Lehre als Lagerverwalter bei Opel in der Bessemerstraße zu machen, der Firma, in der er selbst als Einkäufer arbeitete. Victor wäre gerne weiter zur Schule gegangen, doch der Vater hatte darauf bestanden, dass er endlich Geld verdiente. Als Lehrling bekam er zwar nicht viel, aber doch genug, damit der Vater beruhigt war. Immerzu machte er sich Sorgen. Victor hatte ihn damals zu einem Freund sagen hören: «Was soll denn aus dem Jungen werden, wenn mir etwas zustößt? Sie schicken ihn ins Waisenhaus, wenn er nicht für sich selbst sorgen kann!»

      In ein Waisenhaus wollte er keinesfalls. Er hatte Oliver Twist gelesen, und die Vorstellung, für eine Woche in einen Kohlenkeller gesperrt zu werden, wenn man sich im Heim nicht den Anordnungen fügte, erfüllt ihn mit Angst. Also gab er widerwillig dem Drängen seines Vaters nach, verschob fortan Kisten und Kästen bei Opel und katalogisierte Waren.

      Er hasste diese Arbeit. Für körperliche Anstrengung war er nicht geschaffen. Schon als Kind war er dürr, blass und kränklich gewesen, und das hatte sich auch später nicht geändert.

      Andere Jungen in seinem Alter hatten schon früh richtige Muskeln. Berni von nebenan zum Beispiel. Der hatte Hände groß wie Teller, mit kräftigen Fingern. Victor war häufig damit in Berührung gekommen, denn Berni benötigte keinen Grund, um sich zu prügeln. Es genügte, wenn man schwach war und Victor Reimer hieß. Berni wäre hervorragend für das Kistenstapeln geeignet gewesen, zumal zu viel Hirn bei dieser Art von Arbeit eher hinderlich war.

      Victor aber litt unter der Anstrengung, und zusätzlich unterforderte das stupide Notieren der Warenein- und -ausgänge seinen Intellekt. So begann er immer häufiger, sich seinen Träumen vom Malen hinzugeben. Von seinem ersten Gehalt kaufte er sich einen Skizzenblock, einen Aquarellblock, gute Bleistifte, Pinsel und Aquarellfarben. Er war so lange glücklich, bis sein Vater die Sachen entdeckte. So wütend hatte er ihn noch nie erlebt.

      «Mit diesem Teufelszeug will ich dich nie wieder sehen!», hatte er gebrüllt und die Sachen vom Tisch auf den Boden gefegt.

      Victor war völlig verstört gewesen. Andere Väter regten sich weniger auf, wenn ihre Sprösslinge bei einer Straftat erwischt wurden oder wenn sie zur Unzeit ein Mädchen schwängerten. Doch Paul Reimer hatte Victor das Gefühl gegeben, eine Todsünde begangen zu haben.

      Immerhin hatte er ihm die Zeichenutensilien nicht weggenommen. Schließlich hatte Victor sie von seinem eigenen Geld gekauft. Doch was änderte das, wo er ihm das Malen doch verboten hatte? Victor verstand einfach nicht, was seinen Vater so sehr daran störte, und der ließ ihn im Unklaren darüber.

      So tat Victor zum ersten Mal in seinem Leben etwas gegen den Willen seines Vaters und malte nachts, wenn dieser schlief. Nacht für Nacht zeichnete er Gegenstände ab, so oft, bis sie perfekt aussahen, in verschiedenen Techniken und Stilen. Von Tag zu Tag war er unausgeschlafener und unkonzentrierter. Er trug die Waren in die falschen Spalten ein, und eines Tages brachte er einen großen Stapel Kartons zum Einsturz. Das war das Ende seiner Lehre. Ohnehin war er nur seines Vaters wegen eingestellt worden, und selbst das konnte ihn nun nicht mehr retten. Unter der Lawine der schweren Kartons wurde ein Arbeiter verletzt.

      Sein Vater konnte ihm das nicht verzeihen. Bisher war Paul Reimer bei Opel immer durch gute Leistungen aufgefallen. Jetzt war er nur noch der Mann mit dem unfähigen Sohn.

      Schließlich erwischte er Victor eines Nachts, als dieser gerade die Malutensilien unter dem Bett hervorholte. Dort befanden sich auch Victors Bilder. Paul Reimer zerriss sie in winzige Fetzen, weil ihm klar wurde, dass die heimliche nächtliche Malerei schuld daran war, dass Victor seine Aufgaben in der Firma nicht ordentlich erfüllt hatte.

      Schließlich sank sein Vater ermattet auf einen Stuhl und verfiel in Selbstmitleid. «Womit habe ich einen Sohn verdient, der zu nichts zu gebrauchen ist? Ich kann mich bei niemandem mehr für dich verwenden.»

      «Das habe ich auch nie von dir verlangt!»

      «Aber was soll nun aus dir werden? Du musst doch von etwas leben.» Hilflos hob er die Hände und sah Victor tief in die Augen.

      Dieser starrte trotzig zurück.

      «Tu mir einen Gefallen: Lass die Finger von den Farben. Das bringt nur Unglück!»

      Victor hatte seine Entscheidung längst getroffen. «Und wenn du jedes meiner Bilder zerstörst, du wirst mich niemals vom Malen abhalten!»

      Noch in derselben Nacht packte er seine Sachen und verließ das Haus seines Vaters.

      KOMMISSAR HERMANN KAPPE hielt sich die Hand vor den Mund und fluchte. Der Kaffee war noch viel zu heiß, doch er musste dringend los, wenn er nicht zu spät zum Dienst antreten wollte. Weiß der Himmel, weshalb sie heute alle verschlafen hatten. Das war ihm in all seinen Dienstjahren als Kriminaler noch nie passiert.

      «Möchtest du nicht vielleicht doch wieder näher ans Präsidium ziehen?», fragte Klara, die die Schulbrote für Gretchen und Hartmut bereitete.

      Kappe sah sie erstaunt an. Für Klara hatte er diese Wohnung in der Britzer Hufeisensiedlung ausgesucht, weil sie sich immer nach einer Wohnung im Grünen gesehnt hatte, vor allem der Kinder wegen. Er hatte die Wahl schon bald nach dem Einzug im März 1927 verflucht, als ihm bewusst wurde, wie früh er immer aufstehen musste, um zur Arbeit zu gelangen. Doch niemals hätte er vorgeschlagen, in Richtung Alexanderplatz zu ziehen, weil ihm Klaras Zufriedenheit sehr am Herzen lag. Nicht zuletzt seiner eigenen Nerven wegen, denn sie konnte schon sehr penetrant nachbohren, wenn sie etwas wollte, seine liebe Klara.

      Doch es blieb keine Zeit, sich weiter zu wundern – er musste wirklich los. Typisch, dass sie solche Fragen stellte, wenn er in Eile war!

      «Manchmal wünsche ich mir das schon», sagte er vorsichtig, denn bei Klara konnte man nie wissen, ob sie ihn mit einer solchen Frage nur auf die Probe stellen wollte, um das Gesagte hinterher gegen ihn zu verwenden und dann tagelang die Beleidigte spielen zu können. Frauen eben. Er schnappte seine Aktentasche, drückte Klara einen flüchtigen Kuss auf den Mund und hetzte im Laufschritt aus der Tür.

      Die volle Kaffeetasse und die ernst dreinblickende Klara blieben in der Küche zurück.

      «Wir fahren nach Paris!» Sein Vater hatte nicht gefragt, ob er mitkommen wolle auf diese Reise, mit Geschäften, von denen er, der Siebenjährige, nichts verstand. Er hatte es ihm mitgeteilt, so wie man seiner Frau sagt, dass am Abend noch überraschend Gäste zum Essen kämen und sie doch einen Teller mehr aufdecken möge. Was blieb auch als Alternative? Tante Gerda, die mit ihrem räudigen Hund in einem abbruchreifen Haus wohnte? Das war schon für einen Nachmittag kaum zu ertragen, für zwei ganze Wochen jedoch völlig inakzeptabel, und das wusste sein Vater glücklicherweise auch. Trotz allem hatte der kleine Victor sich vor der Reise gefürchtet, die so viele neue, unbekannte Eindrücke bringen sollte. Paris – das waren fünf aneinandergereihte Buchstaben für ihn. Wohl hatte ihm der Vater vom Eiffelturm berichtet, doch er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass Menschen imstande waren, einen solch hohen Turm zu bauen. Als er dann davorstand, wurde ihm klar, dass dieser stählerne Gigant schier unbeschreiblich war, und ihn wunderte nicht mehr, dass dies in seinen kleinen Kopf im fernen Berlin einfach nicht hatte hineinpassen wollen.

      Paris. Die fünf Buchstaben hatten in jenen Tagen einen anderen Klang für ihn bekommen und waren seither der Inbegriff für all seine Sehnsüchte. Nicht nur der Turm, nein, auch der Arc de Triomphe, die Tuileriengärten, die Seine und die Champs - Élysées hatten ihn tief berührt. Doch am stärksten hielt der Eindruck der Künstler vom Montmartre vor.

      Anfangs СКАЧАТЬ