Название: Superhelden
Автор: Grant Morrison
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783854454199
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Auch Italien hatte einige so sexy wie brutale Antihelden zu bieten. 1962 kreierten die Schwestern Angela und Luciana Giussani Diabolik, einen umgekehrten Batman, der sich in Weiß kleidete. Er war die Art Held, die Batman gewesen wäre, wenn er sich entschieden hätte, auf das Gesetz zu scheißen. Diabolik war eine weitere Fantomas-Überarbeitung, ein Meisterdieb, attraktiv, intelligent und enorm wohlhabend. Er fuhr einen Jaguar, und seine ständige Begleiterin war eine umwerfend brillante Überfrau namens Eva Kant. Diese Charaktere wurden 1968 perfekt von John Phillip Law und Marisa Mell in der Verfilmung Diabolik dargestellt. Der Erfolg dieser Figur inspirierte darauf eine Vielzahl von Trittbrett fahrenden Antihelden und führte zum Aufstieg der umstrittenen Fumetti neri oder „schwarzen Comics“ in Italien. Figuren wie Kriminal, Satanik oder Sadistik entwickelten Diaboliks an Nietzsche angelehnte Amoralität zu neuen Extremen von Sadismus und sexueller Gewalt weiter, was Mitte der Sechziger sogar zu einem Verbot führte. Der monströse Kriminal wurde kastriert und gezwungen, als charmanter Gentleman-Dieb wiederzukehren, der allerdings wenig Anziehungskraft auf den Leser ausübte.
Die unbewusste Leichtigkeit, mit der die Superhelden eines jeden Landes fröhlich die stereotypen Eigenschaften ihrer jeweiligen Heimatländer verkörperten, war beinahe schon beschämend. Wie in der Musik spielten sie alle ihre eigene Version eines US-amerikanischen Sounds, aber nur Amerika hatte das einzig Wahre zu bieten – Pfadfinder in explosiven Kampfszenen, grelle Kostüme und seifiges Drama. Wenn sich Briten am feinen Sound der Superhelden versuchten, klang das wie das Geflirre von Indie-Rock, ein im Dauerregen perfektioniertes, nasales Geschluchze. Europäische Helden interpretierten die Superhelden in der Art von Gainsbourg mit einer schurkischen, zynischen und nonkonformistischen Sexualität. In Japan lief der futuristische Elektro-Sound von Maschinenmännern und mutierten Monstern, ein Echo der Atombombe.
Als amerikanische Comics sich dem Rest der Welt zu öffnen begannen, führten sie ihre eigenen Versionen von ausländischen Figuren ein, was sich zum Beispiel in Form des International Club of Heroes (1955), einer Gruppe von Batman-Entsprechungen aus verschiedenen Ländern, manifestierte. Es gab die nationalen Stereotypen: den als römischer Legionär verkleideten Verbrechensbekämpfer oder den Musketier, der die Pariser Unterwelt aufmischte. The Knight and the Squire waren ein aristokratisches Vater-Sohn-Gespann, das Ritterrüstungen trug und auf Motorrädern, die wie Schlachtrösser aussahen, über Pflastersteinstraßen brauste, wenn es gebraucht wurde.
Britische Vertreter hatten ihre Wurzeln generell im Bereich der Legenden und Geschichte. Als sich Marvel vorsichtig auf den britischen Markt wagte, indem es 1976 begann, Captain Britain als wöchentlichen Comic herauszubringen, wurde diese Aufgabe dem amerikanischen England-Liebhaber Chris Claremont übertragen, da er schon ein oder zweimal vor Ort gewesen war bzw. sich für Fernsehserien wie Mit Schirm, Charme und Melone begeistern konnte. Er wandte sich umgehend den Steinkreisen einer Pseudo-Artuslegende zu, durch die der Captain seine Kräfte erhielt. Merlin war natürlich auch mit von der Partie.
Wie Captain Britain eindrucksvoll demonstrierte, verließ man sich auf lokale Legenden, um Superhelden mit erstunken und erlogenen Background-Storys zu fabrizieren. So bekam Großbritannien auch noch Beefeater, Godiva, Union Jack, Spitfire, Black Knight, Jack O’Lantern und viele mehr zu sehen.
Die einfachste Option war, den Look des Helden an einer Landesfahne zu orientieren, wie etwa den kanadischen Superhelden Weapon Alpha, dessen ansonsten stimmigen Einteiler ein enormes Ahornblatt schmückte. Sein Teamkollege Wolverine hatte seine Existenz zwar ebenfalls als Resultat dieses kurzsichtigen Zugangs begonnen, konnte sich jedoch von seinen Ursprüngen befreien und zu einem ausgwogenen Charakter entwickeln, was ihn schließlich zu einem der beliebtesten Comic-Helden überhaupt heranreifen ließ.
Während des Zweiten Weltkriegs breitete sich das Konzept der Superhelden wie ein Flächenbrand aus, erlosch aber dann zusehends und auf so mysteriöse Art und Weise, wie es entflammt war. Das Interesse der breiten Masse nahm ab 1945 stetig ab. Superhelden-Comics wurde durch Genre-Bücher aus den Regalen verdrängt, welche die Auflage der Comics zwischen 1945 und 1954 um das Dreifache überstiegen. Horror, Western, Romantik und Krieg waren unter anderem die Genres, die aufblühten, während die Superhelden vor allem in Bezug auf die Umsätze nicht mehr mithalten konnten. Ohne verbliebene Helden, die in der Lage gewesen wären, sich gegen die Katastrophen zu stemmen, füllte sich die kollektive Imagination der Amerikaner mit Zombies, Junkies, radioaktiven Monstren und verschwitzten Revolverhelden. Was hatte die Superhelden zuerst so resonant und im Anschluss im gleichen Ausmaße irrelevant werden lassen? War es nur der Zweite Weltkrieg gewesen, der den Supermännern ihre Daseinsberechtigung verliehen hatte? Das Ende des Krieges brachte den Amerikanern ein neues Zeitalter des Überflusses und der Paranoia. Die USA hatten alles, aber sie besaßen, wie ihre neuen Erzfeinde, auch eine Superwaffe, die jede fröhliche Gartenparty am Stadtrand in eine verbrannte Einöde verwandeln konnte. Ist es da verwunderlich, dass in den Fünfzigern die Fantasie so vieler Menschen von düsterem Existenzialismus ergriffen wurde? Im Westen der Nachkriegsjahre war etwa der Röntgenblick von nun an ein Horrorfilm-Fluch.
Wir beenden das Goldene Zeitalter, wie es begonnen hat: mit Superman, einem der letzten Überlebenden der ursprünglichen Expansion und des abrupten Zusammenfalls des DC-Universums. Es war alles viel zu schnell für die Superhelden gegangen, aber obwohl einige für Jahrzehnte von der Bildfläche verschwinden sollten, sterben potenzielle Handelsmarken nie ganz. Die Superhelden – wie Kakerlaken oder Terminatoren – sind unmöglich zu töten. Aber 1954 versuchte ein sinistrer Wissenschaftler, der geradewegs aus einem Comic hätte entsprungen sein können, sie zu vernichten und wäre auch beinahe erfolgreich gewesen.
Als die Lichter des Goldenen Zeitalters langsam ausgingen, überlebten Charaktere wie Superman, Batman oder Wonder Woman, die durch Filmreihen und Merchandising größeren Bekanntheitsgrad erlangt hatten, die strenge Auslese. Dank ihres Status als Zugabe in Adventure Comics überstanden zweite Geigen wie Green Arrow oder Aquaman den Sturm – eventuell unverdienterweise. Aber nicht alle Überlebenden florierten in Folge auch.
Zum Beispiel die populäre Fernsehserie The Adventures of Superman (1953). Sie hatte Supermans Status als amerikanische Ikone zementiert, aber die budgetären Einschränkungen führten dazu, dass der Star, der sympathische, aber letztendlich von persönlichen Problemen heimgesuchte George Reeves, kaum im Flug gezeigt werden konnte. Bestenfalls sprang er in einem Winkel, der nicht gerade an einen Landeanflug, sondern eher an die Zuhilfenahme eines Trampolins erinnerte, durch ein Fenster. Die Storys drehten sich um niedrige kriminelle Aktivitäten in Metropolis und endeten damit, dass Superman wieder mal durch eine dünne Wand gebraust kam, um sich einer weiteren Bande Bankräuber oder Spione anzunehmen. Gefilmt wurde in Schwarzweiß, was dazu führte, dass Superman in Wirklichkeit ein graues Kostüm tragen musste, da Rot und Blau im Schwarzweiß-Fernsehen nicht gut rübergekommen wären.
Reeves gab, selbst beinahe 40, einen gesetzten Superman mit leichtem Grau um die Schläfen und einer Physis, die ebenso eher auf die mittleren Jahre als auf einen gestählten Waschbrettbauch hindeutete. Aber er passte in die Rolle einer etablierten Figur der Fünfziger: väterlich, konservativ und vertrauenswürdig. Supermans Probleme waren in den Comics offenkundiger: Sie begannen sich am Niveau der Fernsehserie zu orientieren, daher verschwendeten die Schreiber sein episches Potenzial an eine Ansammlung erbärmlicher Gangster, Scherzbolde und Taschendiebe.
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