Название: Superhelden
Автор: Grant Morrison
Издательство: Bookwire
Жанр: Зарубежная психология
isbn: 9783854454199
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Tatsächlich war Shazam ja ein Akronym. Captain Marvels Kräfte leiteten sich von sechs Gottheiten und legendären Helden ab. Er war ausgestattet mit der Weisheit von König Salomon, der physischen Stärke von Herkules, der Ausdauer des Atlas, der Macht des Zeus, dem Mut des Achills und der Geschwindigkeit des Merkurs. Merkur war im ganzen Konzept allgegenwärtig, vom knallgelben Motiv des Blitzes auf des Captains Kostüm bis hin zu den Wortspielen und der Präsenz des alten Zauberers, der Billy mit seinem Zauberwort ausgestattet hatte. Dieser arbeitete als Junior-Reporter für den Radiosender WHIZ, womit er in den Fußspuren des Zeitungsmannes Clark Kent wandelte. Der prestigeträchtige Job eines jugendlichen Radioreporters scheint ein so perfekter Job für einen jungen Hermes, dass es schon fast nicht mehr außergewöhnlich oder auch nur erwähnenswert wirkt.
Dies alles machte den ersten okkulten – oder vielleicht passender: hermetischen – Superhelden aus: Marvel war ein Magier in Strumpfhosen, ermächtigt durch höhere Mächte und das Göttliche. Wo Supermans Kräfte auf pseudowissenschaftliche Art und Weise erklärt wurden, öffneten die Abenteuer Captain Marvels die Türen zu einer Welt voller magischer Selbstüberzeugung und Verwandlungsgabe. Da, wo Superman die Zähne zusammenbeißen musste, um die Übel der Welt überwinden zu können, lächelte Marvel bloß und hatte Zeit, seine liebenswerte, warme und gut ausgeprägte Persönlichkeit zu zeigen. Während Supermans Cape schlicht und einfach nur mit seinem „S“ verziert war, war Marvels Umhang extravagant mit einer goldenen Verzierung und bourbonischen Lilien dekoriert. Er trug die militärische Uniform der Männer und Frauen der Zukunft.
Marvel führte noch eine weitere Neuerung ein. Superhelden waren bis dahin Einzelgänger gewesen. 1940 hatte Batman gerade erst Robin angelernt und das Zeitalter der jungenhaften Sidekicks noch nicht ernsthaft begonnen, da hatte Captain Marvel bereits eine Familie um sich geschart. Eine Superhelden-Familie! Zuerst, im Jahr 1942, schloss sich ihm seine Cousine Mary Batson an – sie musste bloß den Namen ihres Helden, „Captain Marvel“, aussprechen, um sich in die weise und gute Mary Marvel zu verwandeln, die ein Gebäude zu Staub zertrümmern konnte, wenn es nötig war. Das dritte Mitglied ihres Teams war der umwerfende Captain Marvel Jr., der sein Debüt in Whiz Comics #25 (1942) feierte.
In einer Ära, in der ein großer Teil des Artworks noch wohlwollend als „robust-primitiv“ bezeichnet werden konnte, waren die Arbeiten von Mac Raboy für diese Strips von einer zeichnerischen Feinheit und einem Verständnis von Anatomie und Bewegung geprägt, die sie einzigartig machten. Sein von ihm gestalteter Captain Marvel Jr. war ein geschmeidiger Engel, der mühelos und besser als jeder andere Superheld die Freiheit des blauen Himmels und die jugendliche Energie einfing. Mit einem solch fähigen Partner wie Raboy im Studio, entwickelte Becks eine glatte und professionelle Linienführung. Die Verkaufszahlen von Captain Marvel erreichten ungeahnte Höhen und übertrafen sogar die des mächtigen Superman. Die Hintergründe erschienen solider in den Geschichten der Familie Marvel, die Schatten waren schwärzer und deutlicher, der Fokus und die Tiefe irgendwie schärfer, und die Comics entwickelten einen edlen Look, der an Disney-Animation oder die besten Zeitungsstrips erinnerte.
Captain Marvel inspirierte sogar seine eigenen Epigonen, z. B. den britischen Marvelman – eine Figur, der ich meinen ersten persönlichen Kontakt mit Superhelden verdanke: Ich war gerade drei Jahre alt und traf auf ihn, als ich durch ein bizarres Abenteuer mit dem Titel Marvelman Meets Baron Munchausen blätterte. Marvelman war eher ein Produkt der Notwendigkeit als der Inspiration. Als DC 1954 erfolgreich Fawcett Comics, den Verleger der Captain-Marvel-Comics verklagte, und Captain Marvel nicht länger erscheinen durfte, musste ein hastig kreierter Ersatz-Superheld dessen Platz in den britischen Veröffentlichungen einnehmen. Editor Mick Anglo rekonfigurierte das zugrunde liegende Konzept der Marvel Family und arbeitete die Figur um, indem er ihre Haare blond färbte und sie in ein blaues Kostüm ohne Cape und ohne außen getragene Unterhosen steckte. Billy und Mary wurden durch Young Marvelman und Kid Marvelman ersetzt. Und doch, als ob Rechtsstreitigkeiten zur Grundstruktur des Konzepts des Comics gehören würden, wurde Marvelman selbst Gegenstand eines erbittert geführten Gerichtsprozesses, der sich über Jahrzehnte erstrecken und große Namen der Industrie wie Alan Moore, Neil Gaiman oder Todd McFarlane mithineinziehen sollte. Captain Marvel und seine geklonten Abkömmlinge fanden sich verstrickt in Statuten, so als hätte sie das Gesetz, Prometheus gleich, gefesselt. DC sollte Fawcett vor Gericht schließlich komplett zerstören, aber der Name Marvel selbst sollte zurückkehren, um DC Comics heimzusuchen.
Den rechtlichen Streitigkeiten, der Verbannung und der Entmachtung des ursprünglichen Captain Marvel zum Trotz, haben er und seine Familie kulturelle Spuren hinterlassen. Elvis Presleys erste Single erschien drei Jahre, nachdem DC die Klage, die das Universum der Marvel Family zu Fall bringen sollte, eingereicht hatte, doch der King of Rock’n’Roll identifizierte sich so stark mit dem geschmeidigen Superjungen aus der Feder Mac Raboys, dass er zu einem Zeitpunkt, als seine Figur schon nicht mehr ganz schlank war, sich seine Kostüme nach dem Vorbild von Captain Marvel Jr. schneidern ließ. Man denke nur an die kurzen Capes und die hohen Kragen, die Elvis in seinen späteren Jahren trug. Oder aber auch an den zerzausten tiefschwarzen Haarschopf, den der King auf seinem Kopf trug. Sogar das blitzförmige Logo am Heck seines Privatjets leitete sich von Captain Marvels Brustverzierung ab, was allerdings nur den Anfang einer fortwährenden Phase der gegenseitigen kreativen Befruchtung zwischen Comics und Popmusik, zweier gleichermaßen verachteter Kunstformen Mitte des 20. Jahrhunderts, darstellte.
Es ist daher kaum überraschend, dass Captain Marvel auch Ken Keseys liebster Superheld war. 1959 hatte sich Kesey freiwillig zu einer klinischen Testreihe von LSD-Experimenten gemeldet, was ihn dazu inspirieren sollte, seinen Roman Einer flog über das Kuckucksnest zu schreiben. Kesey und ein paar seiner jungen Anhänger bemalten auch einen Schulbus mit Neonfarben und machten sich auf den Weg, eine Armee von Rebellen zu rekrutieren und eine alternative Gesellschaft befreiter übermenschlicher Wesen zu begründen.
Die Geschichte von Kesey und den Pranksters mit ihren Superhelden-Alter-Egos – Mountain Girl, Black Maria, Doris Delay – sowie ihr Traum von einer neuen Gesellschaft wurde von Tom Wolfe in seinem Buch Unter Strom verewigt. Darin erzählt Wolfe von Keseys Trip in die Berge, wo er ein Gewitter beschwören und einen Blitz losschicken will, um die Spießer zu blenden, die Bigotten taub zu machen und die Welt für immer zu verändern.
Der Geist des Captain Marvel lebte weiter.
Zwei Monate vor dem 7. Dezember 1941, dem Datum der japanischen Attacke auf Pearl Harbor, erschien die Story „Wie Superman den Krieg beenden würde“ im Magazin Look. Sie zeigte, wie Superman in den Bunker des Führers eindringen, den wimmernden Diktator an der Gurgel packen und auf diese Weise die Wünsche so vieler Leser erfüllen würde: „ICH WÜRDE DIR GERNE EINE ABSOLUT UN-ARISCHE SOCKE ÜBERS GESICHT ZIEHEN; ABER DAFÜR IST JETZT KEINE ZEIT! DU KOMMST MIT MIR MIT, WÄHREND ICH EINEN GEWISSEN KUMPEL VON DIR BESUCHE.“ Der „Kumpel“ stellte sich als Josef Stalin heraus. Superman entführte beide Männer und brachte sie zum Sitz des Völkerbundes in Genf, wo die beiden Despoten schmollten wie zwei Kinder. Ein schulmeisterlich wirkender Mann mit Richterhammer verlas das Urteil: „ADOLF HITLER UND JOSEF STALIN – WIR FINDEN EUCH SCHULDIG DES GRÖSSTEN VERBRECHENS UNSERER ZEIT: GRUNDLOSE ANGRIFFE AUF WEHRLOSE STAATEN.“ Das war die Art und Weise, wie Superman СКАЧАТЬ