Superhelden. Grant Morrison
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Название: Superhelden

Автор: Grant Morrison

Издательство: Bookwire

Жанр: Зарубежная психология

Серия:

isbn: 9783854454199

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СКАЧАТЬ die Hauptstadt von Supermans Heimatwelt Krypton gewesen. Geschrumpft und gerettet durch den Schuft Brainiac, war Kandor nun eine winzige Stadt unter einer Glasglocke. Dieses lebende Diorama, diese Ameisenfarm mit Menschen, sprach gerade Kinder sehr an und trug zum Bild eines kindlichen Supermans in dieser Zeit bei. In Kandor waren verloren geglaubte Erinnerungen unter Glas konserviert – Superman konnte sich dorthin begeben, um eine Welt, die er zurücklassen musste, noch einmal zu erleben. Kandor stand für jede Schneekugel, jede Jukebox, jede bittersüße Erinnerung. Kandor war die klingende Stimme einer untergegangenen Welt, einer Vergangenheit, wie sie hätte sein sollen, unerreichbar. Kandor war das verkörperte Überlebenden-Syndrom.

      Der Superman der Fünfziger fand sich inmitten einer absonderlichen, nuklearen Familie bestehend aus Freunden, Widersachern und Verwandten wieder. Weisinger hatte von Captain Marvel und seiner Familie gelernt. Viele seiner Lieblingsschreiber, z. B. Otto Binder und Edmond Hamilton, hatten zum Mythos des Captain Marvel beigetragen und waren in der Lage, diesen Stil an eine neue Fantasiewelt, die pointierte, verwinkelter und paranoider war, anzupassen. Dies war die nukleare Familie, die da in der Finsternis vor sich hin glühte. Nicht länger der letzte Überlebende einer untergegangenen außerirdischen Zivilisation, bekam Superman Gesellschaft von einem ganzen Fotoalbum an neuen Superbegleitern. Er hatte bereits seinen eigenen Superhund Krypto und entdeckte nun überdies, dass er eine hübsche blonde Cousine namens Kara Zor-El besaß, die es ebenso geschafft hatte, die Zerstörung von Krypton zu überleben, und zwar gemeinsam mit einem Superaffen namens Beppo. Es gab Storys rund um Superman als Jungen (Superboy) und als ulkiges Kleinkind mit Superkräften (Superbaby). Lois Lane war auch populär genug, um ihren eigenen monatlich erscheinenden Comic zu bekommen. Genauso wie auch Supermans Kumpel Jimmy Olsen.

      Der junge Olsen hatte eben erst seinen eigenen Comic erhalten, da erlebte er auch schon eine Reihe von außergewöhnlichen körperlichen Veränderungen, die typisch für das Silberne Zeitalter waren. Eine Auswahl seiner Metamorphosen umfasst seine Verwandlungen in ein Stachelschwein, eine riesige Schildkröte, einen Wolfsmenschen, einen äußerst biegsamen Burschen und einen „menschlichen Wolkenkratzer“ – ohne jegliche Pause zur Selbstreflexion. Diese Transformationen hinterließen aber zum Glück nie irgendwelche bleibenden körperlichen Schäden oder Neurosen.

      Das Fantastische drang so tief in den Alltag der Welt Supermans ein, dass sogar Superboys alte Flamme aus der Kleinstadt, die rothaarige Lana Lang, ihr eigenes Doppelleben als insektoides Mädel erhielt. Sie benutzte einen „außerirdischen Ring“, um die schlanke Figur einer Schulballkönigin gegen das gewölbte Abdomen und die nervösen Fühler einer gigantischen Wespe oder Monstermotte zu tauschen, wobei sie aber ihren menschlichen Schädel und Oberkörper behielt, was das ganze zehnmal verstörender erscheinen ließ. Wie Jimmy erlitt Lana kein psychologisches Trauma, wenn sich ihre menschlichen Formen zu einem monströsen Spinnenbauch aufblähten, ihre aus Chitin bestehenden Vorderbeine gegeneinander klackten und superharte Seide aus der Spinndrüse schoss, die sich dort befand, wo eigentlich ihr Hintern hätte sein sollen. Wäre Franz Kafkas sanftmütiger Gregor Samsa im aufstrebenden DC-Universum zur Welt gekommen, hätte er wohl auch seine enormen neuen Kakerlaken-Kräfte für den Kampf gegen Verbrechen und Ungerechtigkeit eingesetzt. Innerhalb kurzer Zeit hätte man ihn eingeladen, sich der Gerechtigkeitsliga anzuschließen. Kafka kam es wahrscheinlich nicht in den Sinn, dass seine Verstoßenen auch heroisch wie die X-Men, auf abnorme Art glamourös wie Jimmy Olsen oder so hinreißende Trendsetterinnen wie die Pulitzer-Preisträgerin Lois Lane hätten sein können.

      Wenn er nicht gerade unter fremdem Einfluss stand, konnte Jimmy Olsen es nur kaum länger als für fünf Seiten aushalten, er selbst zu sein, und er verfügte deshalb auch über ein viel genutztes „Verkleidungs-Kit“ für Notfälle, um dem Abhilfe zu leisten. David Bowie und Lady Gaga vorwegnehmend, wurde sein Leben zu einer Parade aus dauernden Kostüm- und Identitätswechseln. Und lange bevor diese beiden Performer die Grenzen zwischen „maskulin“ und „feminin“ ausloteten, dekonstruierte Jimmy Olsen Macho-Stereotype in einer Abfolge von Softcore-Travestie-Abenteuern für Kinder, die kaum zu fassen sind, wenn man sie sich heute durchliest.

      Die drei unvergesslichen Travestie-Stories (u. a. „Miss Jimmy Olsen“) können durch den folgenden Text, der die Hauptstory in Jimmy Olsen #95 einleitet, zusammengefasst werden:

      „FALLS IHR EUCH JEMALS GEWUNDERT HABT, WAS JIMMY OLSEN ALLES FÜR EINE GUTE STORY TUN WÜRDE, DANN WARTET, BIS IHR JIMMY IN ACTION ALS VERTRETER DES SCHWACHEN GESCHLECHTS SEHT! JA, LIEBE LESER, SUPERMANS JUNGER KUMPEL UNTERZIEHT SICH EINER DRASTISCHEN TYPENVERÄNDERUNG UND LANDET ALS GANGSTERLIEBCHEN MIT SEINEN HOCHHACKIGEN SCHUHEN IN SCHWIERIGKEITEN.“

      Diese Worte werden von einer Illustration begleitet, die Jimmy zeigt, wie er gerade an einer Gruppe Männer vorbeiflaniert, die voller Anerkennung seinen Arsch bewundern.

      „HA! HA! DIESE WÖLFE WÜRDEN TOT UMFALLEN, WENN SIE WÜSSTEN, DASS HINTER DIESER WEIBLICHEN VERKLEIDUNG DAS ÜBERAUS MÄNNLICHE HERZ DES DAILY PLANET REPORTERS JIMMY OLSEN SCHLÄGT!“, konnte man in der Sprechblase über dem Kopf des grinsenden Transvestiten lesen.

      Die anzügliche, augenzwinkernde Phrasierung deutete auf eine einwandfreie Dekonstruktion des maskulinen Abenteuer-Genres hin, welche eine Wendung hin zu Showbiz, Identitätentausch und einer Sexualität, in der alles möglich war, bewirkte.

      Jimmy wurde eine Gangsterbraut und schloss sich sogar einer Revue an, in der er mit den Tanzeinlagen der besten Showgirls mithalten konnte. Ein Hauch von Sodomie hing in der Luft, als Jimmy gezwungen war, in einem aufgeladenen romantischen Moment, der sich in einem nur schwach ausgeleuchteten Apartment zutrug, seine Lippen durch die des sabbernden Schimpansen Dora auszutauschen. Der Gauner Big Monte McGraw hielt den fraglichen Affenmund für die wollüstigen, rot geschminkten Lippen von Jimmy Olsen und schmolz förmlich vor Leidenschaft dahin, während sich Jimmy zügig aus dem Staub machte. Das Durcheinander war an Absurdität kaum zu toppen. Dies waren Geschichten, die sich so nie in der realen Welt zutragen würden, sogar wenn es einen Superman gäbe. Dies war nun eine ganz eigene Welt, die wuchs, immer gewitzter und durchdachter wurde.

      Curt Swan zeichnete den jungen Reporter mit seinem Make-up und seiner Perücke als hinreißende Schönheit. Mit hohen Absätzen und Strümpfen sah Olsen aus, als ob er aus einem Video der Pussycat Dolls entsprungen wäre. Darüber hinaus gab es ein paar herrlich verwirrende Panelen, in denen Olsen, ohne Perücke, sich mit Superman unterhielt, während er immer noch zwanglos mit einem pinken Bademantel bekleidet war, flauschige Slipper trug und Filmstar-Make-up im Gesicht hatte. Und war das nicht auch okay, wenn es für Olsen okay war? Ich wuchs mit dem Konzept von Olsens verschiedenen Verkleidungen auf bzw. mit der Vorstellung, sowohl den Körper als auch die eigene Identität als eine Art Leinwand zu gebrauchen. Als ich mir den bisexuellen, chamäleonhaften Jerry Cornelius aus den Romanen Michael Moorcocks als Vorbild auserkor, wandelte ich auf den Spuren Jimmy Olsens. Olsen spielte in Bands, genau wie ich. Olsen war unbekümmert und unvoreingenommen, sogar in den Fünfzigern, und so war ich auch drauf. Wenn es für Supermans Kumpel passte, dann war es auch okay für mich. Klarerweise wurden diese Storys von verkommenen Perversen verfasst, die beabsichtigten die Jugend zu pervertieren. Ihr Erfolg dabei ist nicht von der Hand zu weisen.

      Die Geschichten des Olsen-Transvestiten scheinen tief in der Underground-Welt der Pornoheftchen und Bondage-Comics eines Ed Stanton verwurzelt zu sein, dessen Studio auch einen gewissen Joe Shuster, seines Zeichens Supermans Erfinder, beschäftigte. Ihre Sprache erinnerte an Geschichten wie Panty Raid und andere Transgender-Erzählungen aus den Fünfzigern, in denen stattliche junge Sportskanonen mehr erlebten als ihnen lieb war, und ein kleiner Ausflug in die Studentinnenverbindung mit einer unfreiwilligen Einführung in die Freuden von Mädchenunterwäsche und Make-up endete. Der Unterschied bestand darin, dass Olsen die Kontrolle über seine Verwandlungen behielt und nie länger als ein paar Seiten warten konnte, wieder damit loslegen zu dürfen.

      Zur selben Zeit wurde Supermans Verhalten gegenüber Lois immer gemeiner und misogyner, zeigte geradezu krankhaften Frauenhass, während sie im Gegenzug immer zänkischer und schnüfflerischer wurde. Es war schwierig, СКАЧАТЬ