Название: Kultur unterm Hakenkreuz
Автор: Michael Kater
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242027
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1935 musste Kunst der Nation das Erscheinen einstellen. Weidemanns Mitstreiter Otto Andreas Schreiber und Fritz Hippler waren bereits aus dem NSDStB geworfen worden und suchten nun im sich stetig weiter verzweigenden Netzwerk der Goebbels’schen Operationen eine Stellung. Dessen vergleichsweise fortschrittlichen Bestrebungen wurde zwar sowohl von Hitlers ästhetischem Traditionalismus als auch von Rosenbergs Ehrgeiz Einhalt geboten. Aber Goebbels’ Machtbefugnisse erweiterten sich mit dem Ausbau der ihm unterstehenden Institutionen: des Propagandaministeriums und der (nominell zum Ministerium gehörenden) Reichskulturkammer mit ihren vielen Unterkammern. Damit konnte er Rosenbergs neue Dienststelle ausstechen; dessen Kampfbund jedenfalls verschwand in der Versenkung, und die Nachfolgeorganisation namens Nationalsozialistische Kulturgemeinde (NSKG) verlor ihre Macht, als sie in den Umkreis von Robert Leys Deutscher Arbeitsfront (DAF) geriet, der übergreifenden NS-Organisation, die nach der Machtergreifung die unabhängigen Gewerkschaften ersetzen sollte.144 Im Mai hielt Goebbels in Weimar eine Rede, in der er sich einerseits gegen ehrgeizige Reaktionäre wandte (und so indirekt die Avantgarde zu schützen schien), andererseits »kulturbolschewistische Versuche, die sich des Nationalsozialismus bedienen«, um öffentliche Anerkennung zu gewinnen, aufs Korn nahm (womit er den Traditionalisten entgegenkam).145
Es folgten weitere Polemiken, in denen die Antimodernisten die Zähne zeigten.146 Am 18. Juli 1937 schließlich führte Hitler selbst den entscheidenden Schlag, als er in einer Rede zur Eröffnung der Großen Deutschen Kunstausstellung der Avantgarde den Todesstoß versetzte: »Bis zum Machtantritt des Nationalsozialismus hat es in Deutschland eine sogenannte ›moderne‹ Kunst gegeben, d. h. also, wie es schon im Wesen dieses Wortes liegt, fast jedes Jahr eine andere. Das nationalsozialistische Deutschland aber will wieder eine ›deutsche Kunst‹, und diese soll und wird wie alle schöpferischen Werte eines Volkes eine ewige sein.«147
Die Protagonisten des Expressionismus kämpften um ihr künstlerisches oder gar physisches Überleben. Ihre angeblich subversive Kunst indes offenbarte sich hier und da bis 1937 und sogar darüber hinaus. Bereits 1933 hatte sich Schreiber, mit Goebbels’ Billigung, bei Robert Ley in Sicherheit gebracht. Der Führer der DAF war ideologisch weniger festgelegt als Goebbels oder Rosenberg. Er baute gerade seine Organisation Kraft durch Freude (KdF) auf, und dort richtete Schreiber eine Abteilung für Bildende Kunst ein. In den folgenden zehn Jahren sorgte sie dafür, dass die Arbeiten von Expressionisten wie Pechstein, Marc und Schmitt-Rottluff landesweit in Fabriken gezeigt wurden, bis die Niederlage von Stalingrad im Winter 1942/43 alles veränderte.148
Ebenfalls 1933 erblickten wenigstens zwei den Nationalsozialismus verherrlichende Kunstwerke das Licht der Öffentlichkeit, die den Stempel des Expressionismus trugen. Da war zum einen das Bühnenstück Schlageter von Hanns Johst, das am 20. April, Hitlers Geburtstag, in Berlin Premiere feierte. Johst war schon seit dem Ersten Weltkrieg als Expressionist hervorgetreten; er kannte und bewunderte Gottfried Benn. Den Text seines Dramas schrieb er gegen Ende der Weimarer Republik. Das Modernistische zeigte sich besonders am Ende des Stücks, als der nationalistische Märtyrer Albert Leo Schlageter, angeklagt und verurteilt wegen Sabotage, Aug in Aug mit dem französischen Hinrichtungskommando ausruft: »Ein letztes Wort! Ein Wunsch! Befehl! Deutschland!!! Erwache! Entflamme!! Entbrenne! Brenn ungeheuer!!«149
Zum anderen gab es den Film Hitlerjunge Quex, vielleicht der nationalsozialistischste Film überhaupt. Er feierte den Märtyrertod von Herbert Norkus, der im Januar 1932 von kommunistischen Jugendlichen umgebracht worden war. Ironischerweise zeigte er sich Filmen aus der Weimarer Zeit verpflichtet. Ein aufmerksamer Beobachter musste vor allem Anklänge an Kuhle Wampe (1932), Die Dreigroschenoper (1931) und Mutter Krausens Fahrt ins Glück (1929) bemerken.150 Alle spektakulären Stücke – insbesondere die vom NS geförderten Thingspiele –, die zwischen 1933 und 1936 ihre Blütezeit erlebten, wiesen Ähnlichkeiten mit expressionistischen Bühnenwerken und den Arbeiterdramen auf, ein Faktor, der später zu ihrem Niedergang beitrug.151
1937 sorgte Hitler höchstpersönlich für einen grundlegenden Wandel in der deutschen Kunstwelt. Aber das Gebäude, in dem er diesen Wandel verkündete, das neue, monumentale, neo-klassizistische Haus der Deutschen Kunst in München, hatte ein Flachdach und war von schlichter, funktionaler Bauweise, die Beobachter an das Bauhaus erinnerte. Die Historikerin Barbara Miller Lane bemerkt: »Das massiv Blockförmige und die glatten Oberflächen, die frei sind von allen Verzierungen mit Ausnahme minimaler Vorsprünge an Basis und Gesims sowie die horizontale Ausrichtung des Gebäudes künden von den Anleihen bei den Radikalen der zwanziger Jahre.« Und in der von Hitler nach der Rede eröffneten Großen Deutschen Kunstausstellung fanden sich objets d’art, die von eben jenem modernen Stil beeinflusst waren, den Hitler jetzt verächtlich machte.152 Ebenfalls 1937 führte der Regisseur Jürgen Fehling (nach NS-Terminologie ein »Vierteljude«) im Preußischen Staatstheater in Berlin Shakespeares Richard III. auf. Fehling, der Barlach bewunderte und selbst durch die Schule des Expressionismus gegangen war, wies Werner Krauß, der den Tyrannen spielte, an, sich dem Charakter Joseph Goebbels’ anzuverwandeln – düster, bedrohlich ruhig und mit Hinkefuß. Das Bühnenbild war karg und gleichfalls düster, mit kaum mehr ausgestattet als mit den an das Bauhaus erinnernden Sitzmöbeln aus Stahlrohr.153 Fehling wagte einen Drahtseilakt, blieb aber unbehelligt.
»Entartete« Kunst und Musik werden ausgestellt
In der Ausstellung »Entartete Kunst«, die am 19. Juli 1937 in München eröffnet wurde, war Emil Nolde mit mehr als 50 Arbeiten vertreten, Ernst Ludwig Kirchner mit 32, nachdem bereits mehr als 600 seiner Gemälde aus öffentlichen Museen entfernt und beschlagnahmt worden waren. Von Barlach waren die Bronzeplastik Die Wiedervereinigung und das verbotene Buch mit Zeichnungen zu sehen, ausgestellt in einem Glaskasten mit anderen verbotenen Objekten und etikettiert als »Kulturschänder«. Barlach beschwerte sich darüber, dass aus dem Buch einige Seiten herausgeschnitten und separat zur Schau gestellt worden waren – das hielt er für unfair, weil sie nicht das ganze Buch repräsentierten.154
Die treibende Kraft hinter dieser Ausstellung war Joseph Goebbels, der schon seit einiger Zeit hatte erkennen müssen, dass Rosenberg mit seinen erzreaktionären, modernefeindlichen Ideen ihn in Hitlers Anwesenheit ausstach. Was die Kunst anbetraf, stimmte Hitler mit Rosenbergs Vorstellungen überein, auch wenn er dessen pompöses Gehabe verachtet haben mochte. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, musste Goebbels zumindest den Eindruck erwecken, diesen kulturpolitischen Kurs mitzumachen, während er zugleich seine eigenen, viel wirksameren administrativen Instrumente in Stellung brachte. So riss er in der ersten Hälfte des Jahres 1937 die Initiative wieder an sich und ließ sich von Hitler dazu autorisieren, eine Ausstellung mit »entarteter Kunst« auf den Weg zu bringen. Vorbilder waren die früheren Schandschauen in Karlsruhe, Stuttgart und Nürnberg. Goebbels sah in dem Projekt ein geeignetes politisches Manöver, um Rosenberg kaltzustellen. Am 30. Juni gab er Adolf Ziegler, dem Präsidenten der Reichskammer der bildenden Künste in der – sicher beim Propagandaministerium angesiedelten – RKK, den Auftrag, entsprechende Objekte zusammenzustellen.155
In seiner Eröffnungsrede zur Ausstellung bekannte Ziegler, dass das eine Mammutaufgabe gewesen sei, weil er dazu »fast sämtliche deutsche Museen« habe besuchen müssen.156 Zur Unterstützung hatte er eine aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission gebildet, der außer ihm selbst unter anderen der ehrgeizige Graf Baudissin vom Essener Folkwang-Museum und der Kunstpolitiker Wolfgang Willrich angehörten. Letzterer hatte mit Säuberung des deutschen Kunsttempels gerade erst eine giftige Hetzschrift verfasst. Angeblich in Hitlers Auftrag wollte СКАЧАТЬ