Название: Kultur unterm Hakenkreuz
Автор: Michael Kater
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783806242027
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Nach der Machtergreifung geriet Barlach durch Rosenberg-Anhänger unter Beschuss: Seine Skulpturen verströmten grüblerischen Individualismus, so der Vorwurf, wohingegen die deutschen Männer und Frauen im Dienst für »Führer« und Vaterland aufgingen.113 Als der Kunsthändler Alfred Flechtheim seine Düsseldorfer Galerie im März an die Nationalsozialisten abtreten musste, verlor Barlach auch noch seinen derzeitigen Agenten. Er verkaufte weniger, Verträge wurden nicht eingehalten und man schuldete ihm Geld. Schon bald war er in finanziellen Schwierigkeiten, geriet mit Steuer- und Hypothekenzahlungen in Rückstand. Wie Benn wurde er bezichtigt, Jude zu sein, sah sich aber, anders als der Dichter, außerstande, öffentlich dagegen vorzugehen. Er wusste, dass unorthodoxe radikale Studenten vom NS-Studentenbund (NSDStB) sich für ihn aussprachen, maß dem aber realistischerweise keine Bedeutung bei.114
Im Februar 1934 griff Heinrich Hildebrandt, der Gauleiter von Mecklenburg, Barlach in einer Rede heftig an. Der Mann sei zwar vielleicht ein Künstler, aber dem deutschen Wesen fremd. »Der Künstlerstand hat die Pflicht, den deutschen Menschen zu verstehen in seiner einfachen Echtheit, so, wie er von Gott geschaffen ist … Der deutsche Mensch kennt nicht den Bauern als einen faul auf die Erde gestreckten Menschen, sondern als den harten, selbstbewussten Mann, der gewillt ist, alle Schwierigkeiten zu überwinden, der mit brutaler Faust, mit dem Schwert in der Hand sich den Weg bahnt.«115 Nur noch wenige Nationalsozialisten waren bereit, ihn zu unterstützen, und Rosenberg krakeelte lautstark wie eh und je gegen ihn. Mit Barlachs Gesundheit ging es bergab.116 In der Hoffnung auf Nachsicht seitens der Herrschenden unterschrieb er zusammen mit weiteren Künstlern und Intellektuellen im Sommer einen »Aufruf der Kulturschaffenden«, Hitler die Loyalität zu bekunden. Halbherzig schrieb er im September an einen Freund, er rate allen jungen Menschen, sich der NSDAP anzuschließen, weil dafür nur »das beste Blut, die besten Charaktereigenschaften gut genug« seien.117 Im März 1935 war er auch als Dramatiker nicht mehr gefragt.118
1936 stellte sich Goebbels – einst ein Bewunderer – offen gegen Barlach, nachdem Rosenberg, wie es schien, den Expressionismusstreit in ideologischer Hinsicht für sich entschieden hatte. Als die bayerische Polizei im März ein Buch mit Zeichnungen des Künstlers verbot und 3149 bereits gedruckte Exemplare im Lager von Barlachs Verleger Reinhard Piper in München beschlagnahmte, schrieb Barlach an Goebbels und bat ihn zu intervenieren: »Der künstlerische Wert oder Unwert meiner Arbeiten steht außerhalb der von der politischen Polizei zu treffenden Entscheidungen.« Goebbels tat nichts, sondern vermerkte, höchstwahrscheinlich in einem Akt des Selbstbetrugs, in seinem Tagebuch: »Das ist keine Kunst mehr. Das ist Destruktion, ungekonnte Mache. Scheußlich! Dieses Gift darf nicht ins Volk hinein.«119
In den folgenden Monaten wurden Werke Barlachs aus laufenden Ausstellungen entfernt, er selbst schuf weniger, verkaufte weniger und versank in der Güstrower Einsamkeit. Als Freunde waren ihm nur noch seine Lebensgefährtin Marga Böhmer und gelegentlich deren Ex-Gatte, der Kunsthändler Bernhard Böhmer, geblieben. Der stand zwar dem Nationalsozialismus nahe, tat aber sein Bestes, um Barlach im Umgang mit der Obrigkeit beizustehen. Obwohl die Nationalsozialisten gegen seine Kunstwerke vorgingen und er an Ausstellungen nicht mehr teilnehmen durfte, wurde ihm doch nie, wovor er sich fürchtete, seine Berufstätigkeit als Künstler untersagt. Aber er verbitterte und wollte auch keine Besucher mehr empfangen. Dann wurde das bedeutende Ehrenmal aus dem Magdeburger Dom entfernt, der Auftakt zu einer Reihe weiterer derartiger Aktionen – allein im Jahr 1937 wurden 317 seiner Skulpturen beschlagnahmt. Darüber hinaus sollte die deutsche Öffentlichkeit anlässlich der Ausstellung »Entartete Kunst« die Ablehnung seiner Werke bekunden. Einsam und verlassen, starb Ernst Barlach am 24. Oktober 1938 im Alter von 68 Jahren.120
Ähnlich wie Barlach wurde Emil Nolde nach 1945 zum Opfer nationalsozialistischer Kulturpolitik erklärt. Aber Barlach hatte der Politik – ob in Kaiserreich, Weimarer Republik oder Drittem Reich – immer gleichgültig gegenübergestanden, während Nolde sich wie Benn schon früh als Nazi verstand, auch wenn es später Schwierigkeiten gab. Es war daher unangemessen, ihn als den unerschrockenen Widerstandskämpfer Max Ludwig Nansen aus Rugbüll darzustellen, wie es Siegfried Lenz in seinem 1968 erschienenen Roman Deutschstunde tat. (Auch andere Autoren vertraten die Legende vom verfolgten Künstler.) Nicht zuletzt Noldes autobiographische Schriften haben solchen Entstellungen den Weg geebnet.121
Nolde bewegte sich im Dritten Reich zwischen Beifallsbekundungen und Niederlagen, wobei Letztere langsam, aber sicher die Oberhand gewannen. Geboren wurde der Maler 1867 als Hans Emil Hansen im schleswigschen Dorf Nolde; die Eltern waren Bauern. Als Kind eines Deutschen und einer Dänin gehörte er zur dänischen Minderheit, die für die Zugehörigkeit zum Deutschen Reich eintrat. Nolde wurde zunächst Schnitzer und Zeichner. 1892 begann er in der Schweiz mit der Darstellung von Bergmotiven in Aquarelltechnik. 1899 wies Franz von Stuck seine Bewerbung für die Münchener Kunstakademie ab (acht Jahre später sollte Adolf Hitler von der Wiener Akademie eine Abfuhr erhalten). Nun ging Nolde nach Paris, um an der privaten Académie Julian in Paris zu studieren, die den traditionellen Stil lehrte und den Impressionismus ablehnte. 1901 wurde er Mitglied der Berliner Secession und gewann damit Anschluss an die Moderne. Zwei Jahre später war sein Malstil durch leuchtende Farben und große Intensität geprägt. Bei einer Ausstellung in Dresden lernte Emil Nolde (wie er sich jetzt nannte) 1906 Künstler der Vereinigung Die Brücke kennen, was seinen Stil noch einmal grundlegend veränderte: hin zum Expressiven, zu einfachen Umrissen und einer Betonung der Form. 1911 lehnte die Secession Noldes Bilder ab, die mittlerweile vielfach biblische Motive zeigten. Das führte zu einer Auseinandersetzung mit Max Liebermann, Deutschlands führendem Impressionisten, und zu Noldes Ausschluss aus der Secession. Der Streit mit Liebermann, der damals die Secession leitete, wie auch mit dem Kunsthändler Paul Cassirer – beides Juden – war sehr wahrscheinlich der Grund für Noldes folgenden Judenhass sowie für seine endgültige Ablehnung des Impressionismus, den er als französisch und entartet bezeichnete. Womöglich aus dieser Gefühlslage heraus wurde Nolde schon 1920 Sympathisant und bald Mitglied der antisemitischen und fremdenfeindlichen NSDAP. 1926 zog er ins nordfriesische Seebüll, 1931 wurde er Mitglied der Preußischen Akademie der Künste. Die Machtergreifung begrüßte er mit Begeisterung.122
Zu Beginn der NS-Herrschaft wollte Goebbels Nolde als Vertreter einer Kunstrichtung, in der viele einen »Nordischen Expressionismus« erblickten, zum Direktor einer Berliner Kunstakademie machen. Aber Hitler hatte in Goebbels’ Räumlichkeiten ein Gemälde von Nolde entdeckt und ihm befohlen, es zu entfernen. Hitlers künstlerische Auffassung war rein traditionalistisch; er hasste Nolde wegen der Konzentration auf neutestamentliche Themen und der Verzerrungen von Form und Farbe in seinem Werk.123 Nolde aber sprach sich bei jeder Gelegenheit, bei der er im Propagandaministerium zu der neuen Position befragt wurde, für eine Neuordnung der deutschen Kunstwelt aus und denunzierte seinen Konkurrenten um die Stelle, den einstigen Mitstreiter von der Brücke Max Pechstein, als »Juden« – eine falsche Anschuldigung.124 In den folgenden Monaten und Jahren kämpfte Nolde, sehr wahrscheinlich in Kenntnis von Hitlers Ablehnung und Goebbels’ Schwanken, hart für seine Anerkennung in der NS-Bewegung. Von früher her gab es immer noch Menschen, die ihn unterstützten, so etwa Erna Hanfstaengl aus der einflussreichen Kunstverlegerfamilie, die Hitler gleich nach dem fehlgeschlagenen Putschversuch von 1923 geschützt hatte. In ihrer privaten Galerie am Münchner Karlsplatz stellte Erna Hanfstaengl diverse Gemälde von Nolde aus, denn theoretisch kämen dort alle СКАЧАТЬ