Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater
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Название: Kultur unterm Hakenkreuz

Автор: Michael Kater

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242027

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СКАЧАТЬ Hatte sich der geistreiche Propagandaminister im alltäglichen Umgang mit dem geistlosen Parteiphilosophen Rosenberg zwischen 1925 und 1938 nicht immer als deutlich überlegen erwiesen? Bei näherer Betrachtung entdeckt man, dass in beiden Fällen Hitler selbst den Ausschlag gab – zugunsten Rosenbergs. Das verweist auf Besonderheiten in den Führungsmustern des Regimes, die der genaueren Untersuchung bedürfen.

      Kapitel 2

       Nationalsozialistische Vorkriegskultur

      B evor wir das Wesen der NS-Kultur vor dem Krieg bestimmen, müssen einige Fragen hinsichtlich der Natur des Dritten Reiches geklärt werden. Zum einen sollten die Regierungs- und Verwaltungsstrukturen klarer definiert werden, innerhalb derer die Nationalsozialisten in die Kultur eingriffen, indem sie entweder ästhetische Maßstäbe wiederbelebten oder neue einführten. Zum anderen wäre es von Nutzen, mehr über Hitlers eigene Rolle zu wissen: Wie interessiert war er an kulturellen Angelegenheiten, und wie groß war sein Einfluss auf Veränderungen?

      Die internationale Debatte um die Struktur des sogenannten Dritten Reichs und Hitlers Rolle darin begann vor gut 50 Jahren und ist als gedankliche Grundierung bis heute von Bedeutung. In den sechziger Jahren kennzeichnete Karl Dietrich Bracher den nationalsozialistischen Staat als autoritäres System; Partei und Staat seien Instrumente der »totalitären Herrschaft« gewesen, die Hitler aus einer Position der »Allmacht« heraus miteinander verbunden habe. »Die nationalsozialistische Doktrin«, schrieb Bracher, »bemächtigte sich der Kultur und der Werte der deutschen Gesellschaft.«1 Diese Theorie der Alleinherrschaft fand Unterstützung durch Eberhard Jäckel, der Hitler als die zentrale, treibende Kraft in der Diktatur ansah, deren Verwirklichung sich logisch aus zwei starken persönlichen Impulsen Hitlers im Gefolge des Jahres 1919 ergeben habe: dem Wunsch nach Eroberung von »Lebensraum« für die »Volksgenossen« (nach der notwendigen Revision des Versailler Vertrags) und nach physischer Vernichtung der Juden.2

      Gegen diese monolithischen Ansätze entwickelte Hans Mommsen in den siebziger Jahren eine differenziertere Interpretation, die soziale, wirtschaftliche und psychologische Faktoren, ja, sogar den Zufall für die Entstehung der Diktatur berücksichtigte. Bereits Mitte der sechziger Jahre hatte Mommsen Hitler als »schwachen Diktator« bezeichnet, was er in den frühen achtziger Jahren durch den Aufweis divergierender Strukturen ausführte: Es gab Rivalitäten zwischen Staatsapparat und Partei, bei denen Ämter einander auszustechen suchten und Beamte alle möglichen Anstrengungen unternahmen, um Konkurrenten aus dem Felde zu schlagen.3 Mommsen schilderte miteinander konkurrierende Führungsstrukturen auf unterschiedlichen Ebenen ohne klare hierarchische Abgrenzungen, mangelhafte bis fehlende Koordination und Situationen der Entscheidungslosigkeit, in denen es Hitler nicht gelang, seine Machtbefugnisse als »Führer« durchzusetzen. Es gab, so Mommsen, eine »Polykratie der Ressorts«, die für ein regierungseigenes Chaos sorgte, verschärft noch durch Hitler, der gewöhnlich keine endgültigen Entscheidungen fällte. Dieses System reproduzierte sich, bis es einen Punkt kumulativer Radikalisierung überschritten hatte. Wenn Hitler überhaupt einmal in regierungs- oder verwaltungsbezogene Vorgänge eingriff, schrieb Mommsen, ging es ihm in der Regel darum, Einhalt zu gebieten. Allerdings konnte er auch Initiativen in Gang setzen, um dann zu beobachten, wie das Chaos sich entwickelte. Seine eigene Position indes durfte dadurch nicht gefährdet werden.4 Wie aber konnte, fragte der Bracher-Schüler Manfred Funke, in einem derart selbstzerstörerischen System die »politische Energie« gewonnen und bewahrt werden, die notwendig war, um die Nation voranzubringen?5

      In jüngerer Zeit hat Ian Kershaw eine Synthese zwischen dem »intentionalistischen« Ansatz von Bracher und Jäckel und der »funktionalistischen« Schule von Mommsen entwickelt. In seiner früheren Forschung hatte Kershaw sich auf den von ihm so genannten Hitler-Mythos konzentriert und war zu der Auffassung gelangt, dass die führenden Nationalsozialisten im Staats- und Parteiapparat ihre Arbeit so einrichteten, dass dem Anschein nach jeder, gleichgültig welcher Agenda er folgte, »dem Führer entgegen arbeitete«. In einem 1987 erschienenen Buch erklärte Kershaw den Führermythos zu einem funktionalen Herrschaftselement, vergleichbar einer Aura, die Hitler »zu den beschränkten selbstsüchtigen und materiellen Interessen auf Distanz hielt«, die für die Staatsbeamten und Parteifunktionäre typisch waren und von Mommsen bereits geschildert worden waren. Diese Aura, die insbesondere Goebbels im Rahmen seiner Propagandaarbeit fabrizierte, habe mit ihrer radikalisierenden Dynamik bis weit in den Krieg hinein aufrechterhalten werden können. Und so habe Hitler, keineswegs ein »schwacher Diktator«, um 1935 in seinem Reich als starker Mann gegolten, der die Wirtschaft wieder in Schwung und die unbeherrschte SA unter Kontrolle gebracht, die geheiligten Traditionen der beiden christlichen Kirchen geschützt, in der Außenpolitik deutsche Rechte verteidigt, militärische Führungskraft gezeigt und sich nicht zuletzt gegen die vermeintliche Bedrohung durch Juden und Kommunisten behauptet habe. Korruption und Amtsvergehen in der Staats- und Parteibürokratie seien in der Bevölkerung als etwas betrachtet worden, das Hitler, hätte er davon gewusst, unterbunden hätte. Hitlers mutmaßliche Stärke, argumentierte Kershaw, wurde angesichts der relativen Schwäche seiner Untergebenen von den gewöhnlichen Deutschen akzeptiert, da viele noch glaubten, dass rein theoretisch ein persönlicher Appell an den Führer außerhalb der vorgeschriebenen Dienstwege möglich wäre. Eine solche Interpretation der NS-Herrschaft zeichnete also das Bild eines starken Diktators, der zumindest bei jener Mehrheit als stark galt, die Goebbels zum Glauben an den »Hitlermythos« hatte bewegen können. Zusätzliche Stärke gewann Hitler, indem er am Mythenbau mitwirkte. »In dem von ihm gezeichneten öffentlichen Bild konnte sich Hitler im Dritten Reich in einer positiven Rolle darstellen, indem er beschränkte Interessen und Beschwerden durch das alles überwölbende Ideal nationaler Einheit transzendierte. Ermöglicht wurde dies durch die notwendige Distanz zum ›Konfliktbereich‹ der Tagespolitik, so dass er von den unpopuläreren Aspekten des Nationalsozialismus unberührt blieb.«6

      In seiner beeindruckenden zweibändigen Hitler-Biographie arbeitete Kershaw Ende der neunziger Jahre den »Führermythos« und seine Funktionen noch weiter aus. Die Choreographie in Hitlers Führerstaat sah vor, dass die Akteure, die schon Mommsen und seine Vorgänger erkannt hatten – Regierungsbeamte, Parteifunktionäre und Hitler selbst – nach einem einmal erprobten und dann beliebig oft wiederholten Muster zusammenwirkten. Kershaw erklärt: »Hitlers personalisierte Herrschaftsform ermutigte seine Anhänger zu radikalen Initiativen von unten und bot solchen Initiativen Rückendeckung, solange sie mit seinen grob definierten Zielen auf einer Linie lagen. Dadurch wurde auf allen Ebenen des Regimes eine scharfe Konkurrenz gefördert – zwischen verschiedenen Ämtern ebenso wie zwischen einzelnen Beamten oder Funktionären innerhalb dieser Ämter. Wer im darwinistischen Dschungel des Dritten Reiches befördert werden und zu einer Machtposition gelangen wollte, mußte den ›Führerwillen‹ erahnen und, ohne auf Anweisungen zu warten, die Initiative ergreifen, um das voranzutreiben, was den Zielen und Wünschen Hitlers dienlich erschien.« In einem derart personalisierten, auf Hitler zugeschnittenen Herrschaftssystem, erreichte derjenige am ehesten sein Ziel, der den sichersten und direktesten Zugang zum »Führer« hatte.7 So ließ sich auch ein privates Vorgehen gewöhnlicher »Volksgenossen«, etwa eine Denunziation bei der Gestapo, ungeachtet der Motive der Denunzianten als vorauseilender Gehorsam verstehen.8 »Sie halfen dadurch, eine unaufhaltbare Radikalisierung voranzutreiben, die zur allmählichen Herausbildung konkreter, in der ›Mission‹ des Führers verkörperter, politischer Ziele führte.«9 (Diese Radikalisierung zeigte sich im Krieg in verschiedenen Extremen: in den frühen Blitzsiegen, der von den Nazis gewollten Grausamkeit des Ostfeldzugs, Hitlers erratischen Entscheidungen als oberster Befehlshaber, der widerwärtigen Brutalität im Umgang mit sowjetischen Kriegsgefangenen, dem zunehmenden Terror im Justiz- und KZ-System und vor allem in der Verfolgung der Juden.) Kershaw gelang die Synthese: Er berücksichtigte das Umfeld und die Akteure unterhalb der Führungsspitze, setzte aber Hitler erneut in den Mittelpunkt des Narrativs über das politische Handeln im Dritten Reich. In letzter Instanz, so bekräftigte auch Volker Ullrich in seiner Hitler-Biographie, beanspruchte der Führer das »alleinige Recht« der Entscheidung bei »grundlegenden Problemen«.10

      Anhand von Kershaws Modell kann die СКАЧАТЬ