Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater
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Название: Kultur unterm Hakenkreuz

Автор: Michael Kater

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242027

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СКАЧАТЬ Hindemith hatte jüdische Verwandte, war in der Vergangenheit mit prominenten jüdischen Musikern wie dem Cellisten Emanuel Feuermann aufgetreten und hatte Musik an der Grenze zur Avantgarde komponiert. Damit hatte er sich die Ablehnung Hitlers und die Feindschaft von Rosenbergs Kohorten eingehandelt. Dabei war Hindemith anfänglich von der Möglichkeit, im Dritten Reich Neues zu wagen, durchaus angetan, und Sympathisanten aus Goebbels’ Umkreis sahen ihn, ungeachtet seiner Nähe zur Moderne, in der Rolle eines nationalen Erneuerers. So wurde er im Februar 1934 eingeladen, in den Präsidialrat der Reichsmusikkammer (RMK) einzutreten. Seine Entscheidung wurde ihm durch die Tatsache erleichtert, dass Richard Strauss bereits das Präsidentenamt der RMK und der Dirigent Wilhelm Furtwängler das seines Stellvertreters übernommen hatten. Im März 1934 führte Hindemith eine sinfonische Version seiner im Entstehen begriffenen Oper Mathis der Maler auf; Furtwängler stand am Dirigentenpult. Das Ereignis wurde auch in NS-Kreisen positiv aufgenommen. Aber Rosenberg und Hitler blieben bei ihrer Gegnerschaft, die sich nun insbesondere gegen die geplante Premiere der Oper richtete. Um Hindemith beizustehen, veröffentlichte Furtwängler einen lobenden Artikel, in dem er dessen frühere Nähe zur Avantgarde zu entschuldigen und ihn als unpolitisch darzustellen suchte. Das fasste Goebbels, der Präsident der übergeordneten Reichskulturkammer, als Störfeuer auf und wandte sich nun offen gegen Furtwängler und Hindemith, die daraufhin von ihren Posten an der Berliner Hochschule für Musik zurücktraten. Zudem verloren sie ihre Stellung in der RMK; Furtwängler war zeitweilig dem NS-Regime entfremdet. Ohne offizielle Anbindung an die RKK sah die Zukunft für die beiden Musiker düster aus.92

      Neben der Reichskulturkammer bediente sich das Regime der Berufsverbände, um die Künstler auf Linie zu bringen. Der Reichsverband der Deutschen Presse (RDP) beispielsweise übte die berufsspezifische Rechtsprechung für alle im Zeitungsbereich Tätigen aus (die Mitgliedschaft war verpflichtend). Die quasi-rechtliche Basis dafür bot das Schriftleitergesetz vom Oktober 1933. Im Rahmen dieser Zuständigkeit konnte der Verband einen Journalisten vor ein Berufstribunal zitieren, wenn die Annahme bestand, er habe sich gegen die ästhetischen oder politischen Richtlinien des Regimes vergangen. Wie ein Fall in Franken aus dem Jahr 1936 zeigt, konnten verdächtigte Journalisten auf diese Weise monatelang von launenhaften Vorgesetzten in Schach gehalten werden.93

      Außerdem wurden einige Sektoren ständig und engmaschig überwacht. Das passierte indirekt bei der Filmproduktion und direkt bei Presse und Rundfunk, galten diese beiden doch als entscheidend für die öffentliche Meinungsbildung und insofern als politisch besonders bedeutsam. Das Rundfunkprogramm wurde wöchentlich, mitunter täglich umgebaut.94 Für die Presse hatte Goebbels regelmäßige Konferenzen in Berlin angesetzt, an denen Vertreter der wichtigsten deutschen Zeitungen teilzunehmen hatten. Goebbels’ Helfershelfer verordneten der Presse Richtlinien, die von den Herausgebern aufs Wort befolgt und geheim gehalten werden mussten. So erhielten sie im Dezember 1935 die Weisung, bei der Zubereitung von Weihnachtsgebäck das Wort Butter nicht zu erwähnen, um nicht den Eindruck landwirtschaftlicher Produktionsfülle hervorzurufen. Ebenfalls in diesem Dezember sollte die Aufmerksamkeit der Leserschaft auf eine von Goebbels gerade veröffentlichte Sammlung seiner Reden gelenkt werden. Im September 1936 musste der 60. Geburtstag des NS-Komponisten Georg Vollerthun verschwiegen werden, weil er des Vergehens der Homosexualität beschuldigt wurde. Diese und alle anderen Informationen oblagen der Geheimhaltung; bei Verstößen drohten schwere Strafen. Als herauskam, dass der junge Journalist Walter Schwerdtfeger solche Instruktionen mehrere Monate lang an ausländische Kollegen weitergeleitet hatte, wurde er 1935 angeklagt und zu einer langen Zuchthausstrafe verurteilt.95

      Der Regierungsstil aus Gesetzgebung und willkürlichen Entscheidungen hoch- und höchstrangiger politischer Führungsebenen, der das sogenannte Dritte Reich prägte, führte zu einer oft undurchsichtigen Mischung aus amtlichen Verordnungen und privaten Anweisungen von Staats- und Parteigranden. Mit Blick auf die Kultur war die eigenmächtige persönliche Anordnung während der ganzen Dauer der Diktatur maßgeblicher als das geschriebene Gesetz, was die Freiheit der Künstler ebenso einschränkte wie die Qualität ihrer Werke. Bisweilen hing die Existenz eines solchen Werkes von der Laune eines selbst ernannten Zensors oder einem in der Regulierung von Einzelfällen sich ergehenden Hitler ab.

      Diese Zensoren konnten sich durch Anhäufung von Macht zu kleinen Potentaten mausern. Der Langweiler Rosenberg brachte es indes lediglich zum Reichsleiter in der Partei und war demzufolge jenen Parteifunktionären unterlegen, die zusätzlich Regierungsämter innehatten, sei es im Reich oder auf regionaler Ebene. So war Hermann Göring beispielsweise Ministerpräsident von Preußen, Reichsminister für Luftfahrt und Beauftragter für den Vierjahresplan, Goebbels Propagandaminister und Gauleiter von Berlin. Dennoch gelang es Rosenberg hier und da, unter Ausnutzung diverser Möglichkeiten seines Parteiamts, als Zensor sogar Goebbels auszustechen. So vermochte er Rudolf Wagner-Régenys Oper Die Bürger von Calais, die unter der musikalischen Leitung Herbert von Karajans an der Berliner Staatsoper aufgeführt wurde, vom Spielplan zu verbannen, obwohl die Spielstätte zu Görings Machtbereich zählte. Grund dafür war ein Libretto des aus Weimarer Zeiten bekannten Caspar Neher, demzufolge es in der Bürgerschaft von Calais eine »unterdrückte Gruppe von Menschen« gab, »die verzweifelt um Frieden verhandeln«. Hinzu kam Nehers düsteres Bühnenbild. Beides ließ sich im Januar 1939, als NS-Deutschland sich auf den Krieg vorbereitete, als schlechtes Vorzeichen werten. Außerdem beruhte das Libretto auf einem Stück von Georg Kaiser, und die Musik erinnerte an die von Kurt Weill.96

      Nicht nur ein Reichsleiter konnte sich derart einmischen, auch einem Gauleiter mochte dies gelingen. So verbot der Münchner Gauleiter Adolf Wagner, der schon mehrfach in den städtischen Kunstbetrieb eingegriffen hatte, am Karfreitag 1940 eine Aufführung von Schillers Drama Maria Stuart mit der abstrusen Begründung, dass ein pro-katholisches Stück die Gefühle der Protestanten verletzen würde. »Der nationalsozialistische Staat ist an den kirchlichen Dingen beider Konfessionen desinteressiert.« Tatsächlich hatte Wagner seinen persönlichen Geschmack durchsetzen und Schillers Klassiker ein für alle Mal von der Bühne verjagen wollen. Immerhin setzte sich Wagner in diesem Fall über Goebbels’ Reichsdramaturgen Schlösser hinweg.97

      Normalerweise hatte Göring in seinem preußischen Machtbereich mehr zu sagen als Rosenberg und konnte es sogar mit Gauleiter Goebbels aufnehmen. Als 1939 eine Berliner Bühnenproduktion von Shakespeares Richard II. für die Reichstheaterwoche in Wien vorgesehen war, was das Propagandaministerium verhindern wollte, legte er denn auch erfolgreich Protest ein. Die Aufführung war von seinen Schützlingen am Staatstheater, Gustaf Gründgens und Jürgen Fehling, auf die Bühne gebracht worden, Gründgens sollte die Hauptrolle spielen, und Görings Frau, die ehemalige Schauspielerin Emmy Sonnemann, setzte sich dafür ein. Goebbels unternahm nichts weiter.98 Ein anderer Fall aus dem Jahr 1939 wendete sich zu Goebbels’ Gunsten. Göring beschwerte sich bei Hitler über Werner Egks Oper Peer Gynt – vielleicht sah er sich als fetten Troll karikiert, vermutlich gefiel ihm auch die grellfarbene Musik nicht. Hitler aber war von der Oper hingerissen, verwarf die Beschwerde und setzte sich persönlich für Egks Fortkommen ein; er verschaffte ihm sogar eine Stellung als Abteilungsleiter in Goebbels’ Reichsmusikkammer.99

      Im Juni 1933 hatte Hitler dem Propagandaministerium über die normalen Regularien hinaus Aufsichtsbefugnisse aus anderen Ministerien übertragen. Bestimmte Prärogativen zur Kunst übernahm Goebbels vom Außenministerium und die Überwachung von Rundfunk und Presse vom Innenministerium.100 Derart gerüstet, konnte sich der Propagandaminister bei Bedarf über das Regelwerk hinwegsetzen und die Kulturproduktion in jeglicher Form und auf jegliche Manier nach Lust und Laune überwachen. Für gewöhnlich konzentrierte er sich auf die Beurteilung von Filmen; er besaß Vorführräume in seinem Büro und seinen zwei Wohnsitzen. Gern erörterte er Filmprojekte bereits im Vorfeld mit Regisseuren und Schauspielern, etwa mit Jenny Jugo im März 1935, als es um die Verfilmung von Shaws Pygmalion ging. Hoffte er auf substanzielle Verbesserungen, legte er einen Film mitunter für einige Zeit auf Eis wie im Fall von Land der Liebe. Von April bis Juni 1937 mussten die Produzenten auf das Placet warten. Wie viele Filme Goebbels – jenseits des üblichen Prozederes – persönlich einer Prüfung unterzog, ist nicht bekannt; Experten schätzen, dass bis 1942/43 etwa zwei Drittel der gesamten Filmproduktion von ihm gesichtet wurde, danach weniger als die Hälfte. СКАЧАТЬ