Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater
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Название: Kultur unterm Hakenkreuz

Автор: Michael Kater

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242027

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СКАЧАТЬ Goebbels an einem umfassenderen Gesetz für das ganze Reich, das es den Behörden ermöglichen sollte, alle derartigen Werke ohne Entschädigung zu beschlagnahmen, seien sie in Privat- oder Staatsbesitz. Das Gesetz wurde, mit Rückendeckung Hitlers, am 31. Mai verkündet.186 Drei Jahre später verdoppelte Ziegler seine Bemühungen, gegen jeden vorzugehen, der »Werke der Verfallskunst erzeugt oder solche als Künstler oder Händler verbreitet«.187

      Was aber geschah mit all den beschlagnahmten Bildern, Skulpturen und Graphiken? Zumeist wurden sie ins Ausland verkauft, oftmals mit Gewinn für hochrangige Nazis wie Göring oder Hitler, und häufig genug erwarben Schweizer Kunsthändler Werke zu Niedrigpreisen – aus Motiven, die alles andere als altruistisch waren. Jedenfalls brachten sie so die ersehnten Devisen ins Reich. Göring, der aus einer Familie der oberen Mittelschicht mit entsprechendem Kunstgeschmack stammte, soll sich viele Stücke für den privaten Genuss gesichert haben, während er andere, die er nicht schätzte, verkaufte und das Geld in die eigene Tasche steckte. Unveräußerliche Stücke wurden – wie die Bücher ein paar Jahre zuvor – verbrannt. Was die Nationalsozialisten als Gewinn für das Reich ansahen, sollte sich als beklagenswerter Verlust für die zivilisierte Welt erweisen.188

      Die Ausstellung »Entartete Kunst« diente als direktes Vorbild für ein weiteres, vergleichbares Ereignis: Im Mai und Juni 1938 wurde in Düsseldorf, der Stadt Robert Schumanns (dessen gelegentliches Misstrauen gegenüber Juden die Nationalsozialisten gern für Propagandazwecke nutzten), eine Ausstellung »Entartete Musik« gezeigt.189 Mit Goebbels’ Zustimmung übernahmen zwei Männer aus seinem engeren Umfeld die Organisation: Hans Severus Ziegler und Heinz Drewes. Ziegler hatte bereits als Intendant des Nationaltheaters Weimar in Thüringen die NS-Kulturpolitik umgesetzt. Geboren 1893 in Eisenach als Sohn eines Bankiers mit internationalen Verbindungen, studierte er in Cambridge und an deutschen Universitäten. Den Doktorgrad erwarb er mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit. (Ironischerweise war Ziegler über seine Mutter mit der New Yorker Musikgesellschaft Schirmer verbunden, die nach Arnold Schönbergs erzwungener Emigration viele seiner Werke publizierte – während Ziegler nicht müde wurde, über den Komponisten und seine Musik herzuziehen.) Für Wilhelm Frick, damals nationalsozialistischer Innenminister in Thüringen, entwarf er den berüchtigten Text »Wider die Negerkultur«, der erahnen ließ, welche Einschränkungen drei Jahre später im ganzen Reich Realität werden sollten. Nach Hitlers Machtergreifung wurde Ziegler zum Staatskommissar für die thüringischen Landestheater ernannt. 1935 folgte eine zeitweilige Suspendierung; man verdächtigte ihn der Homosexualität. Er konnte sich reinwaschen, nur um danach umso eifriger ans Werk zu gehen. Er schloss sich nun eng an Goebbels an und wurde von diesem 1937 in den Reichskultursenat befördert.190

      Anfang 1938 tat Ziegler sich mit dem Dirigenten Heinz Drewes zusammen, der ebenfalls von Thüringen aus im NS-Kulturbetrieb Karriere machte. Drewes stammte aus Westdeutschland, war aber Kapellmeister in Altenburg geworden, was er dem zehn Jahre älteren Ziegler verdankte. 1930 hatte er eben dort eine Ortsgruppe des Kampfbunds für deutsche Kultur gegründet. 1937 war Drewes Generalintendant in Altenburg und wurde von Goebbels zum Leiter der neu gegründeten Abteilung für Musik im Propagandaministerium berufen, wo er die Aufgabe hatte, Kompositionen daraufhin zu überprüfen, ob sie »der deutschen Nation schaden könnten«.191

      Im Frühjahr 1938 organisierte Drewes im Auftrag des Propagandaministeriums die Reichsmusiktage in Düsseldorf. Es überrascht nicht, dass Ziegler mit seinem Ehrgeiz und ideologischen Eiferertum dieses Ereignis noch mit einer Ausstellung über »entartete Musik« ergänzte. Goebbels hatte nicht darum gebeten, die Veranstaltung aber auch nicht verboten; es solle jedoch kein Aufhebens davon gemacht werden.192 Ziegler hatte eine rigorose ideologische Ausbildung durchlaufen und seine Ansichten über Musik waren so fanatisch wie festgelegt. Der Verfasser verschiedener Traktate zum Thema Kultur hatte sich dem »völkischen« Charakter der Kunst verschrieben, den er im Februar 1937 in einer Rede in Danzig als das Gegengift zur Moderne schlechthin bezeichnete. Deutsche Volkslieder seien der Inbegriff von »Einfachheit und elementarer Größe in der Kunst«. Sie würden »allen intellektuellen Konstruktivismus« besiegen und die Spuren »letzter kulturbolschewistischer Reste, die gerade auf dem Gebiet der Musik und der bildenden Künste noch am deutlichsten spürbar sind«, beseitigen. »Tonal oder atonal bedeutet ›Sein oder Nichtsein‹ deutschen Musikwesens und ist eine Weltanschauungsfrage.« Die Einheit von Melodie, Harmonie und Rhythmus war für Ziegler das archetypische Wesenselement der Musik, wie sie im Volkslied und als »Künder deutscher Seele« erklinge. Die von Hindemith, Strawinsky und dieser ganzen Bewegung aufgeworfenen Probleme müssten ein für alle Mal gelöst werden, und Ziegler wusste, wie: »Eine Parallelausstellung zur Münchener Ausstellung ›Entartete Kunst‹ für alle musikalischen und Opern-Experimente der letzten drei Jahrzehnte, durch Schallplatten aller Art verlebendigt, würde vielen Augen und Ohren für die infernalischen bolschewistischen Versuche öffnen, Gemüt, Gefühl und Sinne des deutschen Menschen zu zerstören.«193

      Die Reichsmusiktage, das offizielle Hauptereignis in Düsseldorf, fanden vom 22. bis zum 29. Mai statt. Die Eröffnungsrede hielt mit dem Komponisten Paul Graener einer der stellvertretenden Präsidenten der Reichsmusikkammer. Da auf dem Musikfest die vom Regime nicht nur geduldete, sondern explizit erwünschte Musik präsentiert werden sollte, erlebte Graeners eigenes neues Werk – Feierliche Stunde – unter Leitung des Düsseldorfer Generalmusikdirektors Hugo Balzer seine Premiere als erstrangiges Beispiel für diese Musik. Erstrangig waren weder Komponist noch Dirigent, ihr Wirken allerdings brachte die spezifischen Qualitäten der zeitgenössischen Musik im NS-Staat zum Ausdruck. Objektiv gesehen war das Programm, abgesehen von Größen wie Beethoven, Richard Strauss und Hans Pfitzner, reines Mittelmaß, umrahmt und nahezu dominiert von randständigen Aufführungen: Militärmärsche wurden gespielt, der Reichsarbeitsdienst (RAD) brachte Marschmusik zu Gehör, das Reichssinfonieorchester gab Kostproben seines Könnens. Der NSDStB unterhielt ein Musikzeltlager, und die Hitlerjugend (HJ) sorgte für Frühstücksmusik. Offene Chöre wechselten sich ab mit Kammermusik und der Premiere der Ostmark-Ouverture von Otto Blesch, einem bis dato unbekannten Komponisten. (Seltsamerweise feierte auch das Stück Violinmusik des Dresdner Chorleiters Boris Blacher Premiere. Beeinflusst von Milhaud, Satie und Strawinsky, hatte Blacher Musik mit unkonventionellen Rhythmen und jazzigem Stil komponiert. Obwohl nach den Nürnberger Rassegesetzen von 1935 »Vierteljude«, durfte er noch komponieren und aufgeführt werden.) Politische Aktivitäten gab es auch: Am 26. Mai veranstaltete man um halb vier in der Früh einen Ehrenmarsch zum Schlageter-Denkmal – Schlageter war von den Franzosen in der nahe gelegenen Golzheimer Heide erschossen worden.194 Goebbels höchstselbst schloss die Veranstaltung mit einer weiteren politischen Erklärung: Die Musik, die »deutscheste« aller Künste, sei vom internationalen Judentum fast ausgerottet worden. Erst der Nationalsozialismus habe dies in den letzten Jahren grundlegend verändert, denn er »fegte die pathologischen Erscheinungen des musikalischen jüdischen Intellektualismus weg«.195

      Abgesehen von einer eher nebensächlichen musikologischen Tagung zum »Problem Musik und Rasse« bot die von Ziegler gestaltete Exposition, die den Besuchern am 24. Mai zugänglich gemacht wurde, eine willkommene Abwechslung von den langweiligen Darbietungen im Hauptprogramm.196 Viele dürften die von Ziegler aufgestellten Hörkabinen als Hauptattraktion betrachtet haben. Im Inneren der Kabinen konnte man einen Knopf drücken, um die Musik eines verfemten Komponisten – Weill, Schönberg, Krenek usw. – zu hören. Drückte man mehrere Knöpfe (bis zu acht waren möglich) gleichzeitig, erklang jene Kakophonie, die die Nationalsozialisten für typisch atonal hielten. Hätte man allerdings Mozart, Beethoven und Wagner simultan gespielt, wäre der Effekt kaum anders gewesen.197

      Der Nachkriegserinnerung des NS-Musikkritikers Karl Laux zufolge wurden überdies »Portraits, theoretische Schriften, Notenbeispiele und Libretti, Plakate und Bühnenbilder zu musikdramatischen Werken« ausgestellt.198 Auf Wandplakaten seien »grundsätzliche Anschauungen der neuen deutschen Musikpolitik« verkündet worden,199 von Postern hätten die Porträts verfemter Komponisten herabgeblickt, zumeist mit einer herabwürdigenden Legende versehen. Unter einem Gemälde, das den russischen Edelmann Igor Strawinsky zeigte, sei beispielsweise die »Rassereinheit« seines Stammbaums bezweifelt worden. Die Köpfe der jüdischen Operettenkomponisten Leo Fall und Oscar Straus wurden СКАЧАТЬ