Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater
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Название: Kultur unterm Hakenkreuz

Автор: Michael Kater

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242027

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СКАЧАТЬ Arnold Schönberg übertroffen. Webern war vertreten, obwohl er nach dem sogenannten Anschluss Österreichs seine Tochter zur Hitlerjugend geschickt hatte, wo sie einen österreichischen SA-Mann kennenlernte, den sie dann heiratete.201 Auch den Schriften von Komponisten spielte Ziegler übel mit. Schönbergs 1910 erschienene Harmonielehre wurde als Grundlage der Zwölftonmusik verurteilt, obwohl er diese erst danach entwickelte.202 Und Hindemiths erst kurz zuvor (1937) erschienener Unterweisung im Tonsatz wurde eine gleichermaßen schädliche Funktion zugeschrieben.203 Unter einer Porträtfotografie von Schönberg aus dem Jahre 1924 las man einen angeblich von einem jüdischen Musikkritiker stammenden Slogan, dem zufolge Schönberg ein Meister der Hysterie und Schöpfer eines »Heers der Krämpfe« sei. Hindemith war auf einem Foto mit seiner Frau zu sehen, »einer Tochter des jüdischen Frankfurter Opernkapellmeisters Ludwig Rottenberg«; dass ihre Mutter nicht jüdisch war, blieb unerwähnt. Überzeugender wurde der Eindruck vermittelt, durch den Ziegler überhaupt erst motiviert worden war, dass nämlich »entartete Musik« und »entartete Kunst« zwei Seiten einer Medaille seien: Paul Klees Bild Musikalische Komödie war ebenso zu sehen wie, noch plausibler für den behaupteten Zusammenhang, Karl Hofers Jazzband.204

      Der Erfolg der Musik-Ausstellung, die vorzeitig bereits am 14. Juni schloss, blieb weit hinter dem der Münchner Kunst-Ausstellung vom Vorjahr zurück, obwohl Ziegler einen sorgfältig gestalteten Führer herausgegeben hatte.205 Darin waren seine Eröffnungsrede abgedruckt, außerdem einige der prominenteren Exponate wie etwa Schönbergs Porträt, aber auch Bilder von Kurt Weill, Ernst Toch und Franz Schreker – sämtlich bekannte, zumeist jüdische moderne Komponisten. In seinem Artikel wiederholte Ziegler die Hauptthemen früherer Arbeiten und bläute seiner Leserschaft erneut ein, dass die Juden aus der deutschen Kultur entfernt werden müssten und »Kunstbolschewismus« die beispielhafte Verkörperung musikalischer Geistesgestörtheit sei. Ziegler hatte sich bei seinen Weimarer Musikerkumpeln Rat geholt und gab sich nun als beschlagener Musikologe, wenn er behauptete, die Qualität einer Opernmusik lasse sich anhand des Librettos beurteilen – ein offensichtlicher Angriff auf die Dreigroschenoper von Brecht und Weill, die ebenfalls in der Ausstellung verunglimpft wurde. Dann gab Ziegler eine Definition von Musik mittels eines organischen Gesetzes, das angeblich dem Dreiklang zugrunde liege: »Das Geheimnis aller Erkenntnis liegt ja schließlich in der Einfachheit: wenn die größten Meister der Musik und aus dem ganz offenbar germanischen Element des Dreiklangs empfunden und geschaffen haben, dann haben wir ein Recht, diejenigen als Dilettanten und Scharlatane zu brandmarken, die diese Klanggrundsätze über den Haufen schmeißen und durch irgendwelche Klangkombinationen verbessern oder erweitern, in Wirklichkeit entwerten wollen.« Er ereiferte sich über Schönbergs »Atonalität« im Gegensatz zur »Reinheit des deutschen Genies Beethoven« und monierte »die Entartung nach dem Einbruch des brutalen Jazz-Rhythmus und Jazz-Klanges in die germanische Musikwelt«. Man könne nicht, schloss er, die große tonale Entwicklung von eintausend Jahren für einen Irrtum halten, sondern müsse die Meisterwerke dieser wunderbaren Epoche einschließlich der letzten Jahrzehnte als Krönung des abendländischen Geistes betrachten. Wer also »die Grenzen in der Klangkombination dauernd verschieben will, löst unsere arische Tonordnung auf«.206

      Da die Ausstellung in Düsseldorf nur wenig Begeisterung ausgelöst hatte, wurde sie zunächst auf Eis gelegt. Erst im Frühjahr 1939 ging sie nach Weimar, für Ziegler eine Art Heimspiel, und wurde dort im Landesmuseum mit der »Entarteten Kunst« zusammen gezeigt. Ziegler sorgte auch für eine Aufführung von Franz Lehárs Das Land des Lächelns, um die »Entartung« dieser Operette im Besonderen und des Genres im Allgemeinen zu demonstrieren. (Zu ebenjener Zeit vegetierte der jüdische Librettist Fritz Löhner-Beda im nahe gelegenen KZ Buchenwald dahin, wo er bald darauf ermordet wurde.) Ziegler war allerdings entgangen, dass Hitler Léhars Werke mochte – alle. Derartiger Dilettantismus trug vielleicht dazu bei, dass Ziegler aus der Ausstellung keine Dauereinrichtung machen konnte. Immerhin wurde sie im Mai noch in Wien gezeigt. Weitere Präsentationen verhinderte der Krieg.207

      Goebbels’ Reichsmusiktage sollten indes noch nicht in der Versenkung verschwinden. Mochte die Qualität des ersten Versuchs auch bedenklich sein, so fühlten sich 1938 Musiker aller Couleur doch inspiriert genug, um für das Folgejahr Vorschläge einzusenden. 1121 Partituren gingen bei den Organisatoren ein, darunter 36 Opern, 431 Sinfonien, Werke für Chor und instrumentelle Begleitung, außerdem eine erkleckliche Anzahl von Kammermusikstücken.208 Waren die Bewerber alle mittelmäßig? Natürlich gab es unter ihnen keine Juden, und niemand hatte Werke im Zwölfton- oder Jazz-Stil vorgeschlagen. So gesehen, dürfte die Ausstellung »Entartete Musik« Früchte getragen haben. Aber abgesehen von derart begrenzten Zwecken ist sie deshalb in die Geschichte eingegangen, weil sie jeglicher Debatte über Moderne in der Kunst im Reich ein Ende bereitete.

      Die Kunst- wie die Musik-Ausstellung stehen für Versuche der NS-Institutionen, die Moderne auszuradieren, sofern es ihren Vertretern nicht gelungen war, sich in das Dritte Reich zu integrieren. Mit Hitlers Rede, in der er im Juli 1937, dem Eröffnungsmonat der Ausstellung »Entartete Kunst«, allen seiner Ansicht nach ästhetischen Verirrungen endgültig eine Absage erteilt hatte, war die Moderne ganz offiziell beendet. Die Musik-Ausstellung diente der Bestätigung dieser Entscheidung, auch wenn die Bewegung in bestimmten Ausprägungen isoliert und häufig unter der Hand trotzdem weitergehen sollte – denn kein von menschlicher Regung motivierter Trend lässt sich einfach auslöschen, nicht einmal in einer höchst repressiven Diktatur.209

      Die Beseitigung jener ästhetischen Wertesysteme, die als Kennzeichen der Weimarer Republik galten, betraf Formen und Gestalten, Farben und Klänge, Experimente, Freiheit und Toleranz – alles Merkmale einer offenen, auf Inklusion bedachten Gesellschaft im Gegensatz zu den Beschränkungen der auf Ausschluss gerichteten faschistischen Gemeinschaft mit ihren kleinkarierten, vorurteilsbeladenen Vorstellungen. Es gibt eindeutige Parallelen zwischen dem politischen Aufstieg der Nationalsozialisten und der Zunahme ihrer modernefeindlichen Gesinnung: Mit ihrem Stimmenzuwachs bei den Reichstagswahlen vom September 1930 nahm ihre Kampagne gegen republikanische moderne Künstler an Fahrt auf – zu deren Schaden. Nach der Machtergreifung fielen alle Schranken. Die Gewalt, die die SA auf der Straße entfachte, wurde mit fragwürdigen Gesetzeswerken verschränkt, was die zerstörerische Dynamik beschleunigte. Und so wurde das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 schon früh auch gegen Künstler der Moderne in Anschlag gebracht, sei es, um sie mundtot zu machen, sei es, um sie und ihre Werke gänzlich aus Meisterklassen und Kunstakademien zu verbannen. Ergänzend sorgten neue Statuten für die Einführung von Zensur (mit Selbstzensur im Gefolge), etwa Goebbels’ Verbot der Kunstkritik im November 1936. Zwei Jahre später ließ er das Gesetz zur entschädigungslosen Beschlagnahmung von Kunstwerken aus privatem wie staatlichem Besitz folgen. In eben diesem Jahr starb Barlach an gebrochenem Herzen. Zu dieser Zeit hatte das sogenannte Dritte Reich als politisches Konstrukt den Zenit seines Erfolgs erreicht. Es verfügte über die uneingeschränkte Macht, jedes Hindernis auf dem Weg zu »rassischer« Konsolidierung und kriegerischer Aggression zu beseitigen. In diesem Jahr – 1938 – zeigte das Regime, wozu es fähig war, als es, genau zwei Wochen nach Barlachs Tod, Synagogen niederbrannte, jüdische Männer und Frauen gnadenlos verfolgte und zu Tausenden in die KZs schickte, Hunderte von ihnen tötete. Saßen 1933 etwa 4000 Personen – Juden und Nicht-Juden – in deutschen Lagern, waren es Ende 1938 bereits 54 000.210 Es dürfte kein Zufall sein, dass Juden in der Zeit vor der Machtergreifung großen Anteil am Aufstieg der Moderne gehabt hatten.

      Bei der Zerschlagung des Bestehenden und der folgenden Einführung von Ersatzkonstruktionen sind die nationalsozialistischen Führer häufig scheinbar widersprüchlichen Impulsen gefolgt, die heute Fragen aufwerfen. Wie lässt sich beispielsweise die Sympathie verstehen, die 1933 Ernst Barlach von NSDStB-Studenten entgegengebracht wurde, wenn im selben Jahr Studenten einer anderen Gruppierung die landesweite Bücherverbrennung organisierten?211 Beide Gruppen waren durch und durch nazifiziert, und doch begegnete die eine der Moderne mit Wohlwollen, die andere mit Feindschaft. Und in beiden Gruppen gab es Mitglieder, die zu einer Zeit Verständnis für die Moderne zeigten und sie zu einer anderen verdammten. Rätsel geben auch die Beziehungen zwischen NS-Größen in ihrer Einstellung zur Moderne – pro oder contra – auf, wobei eine Fraktion den Sieg davontrug: die Rosenberg’sche über die Goebbels’sche. Obwohl СКАЧАТЬ