Kultur unterm Hakenkreuz. Michael Kater
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Название: Kultur unterm Hakenkreuz

Автор: Michael Kater

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783806242027

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СКАЧАТЬ war ebenfalls kinointeressiert; in der Reichskanzlei wie in seinem privaten Landsitz, dem Berghof auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden, gab es Vorführräume. Häufig schaute er sich zusammen mit Goebbels Filme – nicht nur zu Prüfzwecken – an, gewöhnlich aber privatim in kleinem Kreis.102 Dabei entschied er sich auch zu Verboten: Weiße Sklaven (1936) mit Camilla Horn in der Hauptrolle etwa berührte das Thema Bolschewismus,103 Das Leben kann so schön sein (1938) konnte als Kritik an der Sozialpolitik des Regimes aufgefasst werden. Es ging um die Geschichte eines frisch verheirateten Paars, das allen Schwierigkeiten zum Trotz das Leben meistern will. Der junge Protagonist rennt sich die Hacken ab, um Versicherungen zu verkaufen, während seine schwangere Frau mit Heimarbeit das Einkommen aufzubessern sucht. Doch gelingt es ihnen in ihrer schäbigen Ein-Zimmer-Mietwohnung nicht, ihre Situation in den Griff zu bekommen. Die Botschaft des Films: Ein mittelloses junges Ehepaar kann sich ein Kind kaum leisten. Hitler begriff die Aussage sehr wohl, bekam einen Wutanfall und untersagte den Film. Für ein vermeintlich nach Lebensraum dürstendes Volk war schon aus demografischem Kalkül der Gedanke, Kinder seien unerwünscht, unmöglich.104

      Doch Hitlers eigentliches filmisches Interesse richtete sich auf die Wochenschauen. Sie verkörperten aus seiner Sicht den Wesenskern des Mediums: als ideales Instrument zu politischer Steuerung. Regelmäßig unterrichtete er Goebbels über seine Einschätzung, verfügte Schnitte oder Änderungen. Häufiger als bei Spielfilmen war Hitler dazu bereit, Entscheidungen von Goebbels zu revidieren. Schon lange vor Kriegsbeginn beharrte er darauf, die Wochenschau müsse das Heroische betonen, Marschkolonnen von Soldaten zeigen – ein sicheres Zeichen dafür, dass Hitler schon Jahre im Voraus wusste, wohin seine Politik führen sollte. Ziel war der Angriffskrieg, in dessen Verlauf auch die Kunst, die jetzt seiner Kontrolle unterstand, sich würde wandeln müssen.105

      Der Expressionismusstreit

      1912, im Alter von 26 Jahren, nahm Gottfried Benn, Sohn eines ostelbischen Geistlichen, seinen Abschied vom Militär. Der junge Arzt trat in Berlin eine Stelle als Pathologe an und veröffentlichte noch im selben Jahr sein erstes Buch, einen schmalen Gedichtband mit dem Titel Morgue – Eindrücke, die er bei seinen Autopsien gewonnen hatte. Der Umschlag zeigt ein Geige spielendes Skelett bei einem nackten Mädchen, das sich zurücklehnt. Das vierte Gedicht (mit dem Titel Negerbraut) beginnt: »Dann lag, auf Kissen dunklen Bluts gebettet/der blonde Nacken einer weißen Frau./Die Sonne wütete in ihrem Haar/und leckte ihr die hellen Schenkel lang/…/Ein Nigger neben ihr: durch Pferdehufschlag/Augen und Stirn zerfetzt. Der bohrte/zwei Zehen seines schmutzigen linken Fußes/ins Innere ihres kleinen weißen Ohrs./…«106 Das Buch mit dem Anspruch, »die Banalität der menschlichen Existenz und ihres körperlichen Verfalls« zu untersuchen, ging mit seiner neuartigen, direkten Sprache gleich in den Kanon des literarischen Expressionismus ein. Der folgende Band, Söhne, war der jüdischen Dichterin Else Lasker-Schüler gewidmet, mit der Benn ein Liebesverhältnis hatte.

      Im Ersten Weltkrieg trat Benn erneut in den Militärdienst ein und wurde in Brüssel als Feldarzt eingesetzt. Zu der Zeit entstanden seine sogenannten Rönne-Novellen, dessen sexbesessener Protagonist Rönne auf Benn selbst verweist. 1917 zurück in Berlin, ließ er sich als Hautarzt nieder. Er veröffentlichte die Prosasammlung Gehirne und den Gedichtband Fleisch. Beide spiegeln mit ihrer nihilistischen Menschheitsverachtung Benns Reaktion auf die Grausamkeiten des Krieges wider, darin den Bildern von Grosz und Dix ähnlich, die sich ebenfalls als zynische Antwort auf das Kriegsgeschehen und die Auswüchse nach dem Waffenstillstand vom November 1918 auffassen lassen. Für das weltliche Oratorium Das Unaufhörliche zu der Musik von Hindemith – einem Vertreter der Neuen Sachlichkeit – verfasste Benn den Text. Das 1931 uraufgeführte Werk galt allgemein als definitiv nihilistisch. 1932 wurde Benn in die Preußische Akademie der Künste aufgenommen und blieb, im Gegensatz zu Ricarda Huch und anderen, auch nach der Machtergreifung Mitglied. Im Februar 1933 übernahm er sogar kommissarisch den Vorsitz der Sektion der Dichtung.107

      Die Weimarer Republik, erklärte Benn im Frühjahr 1933 im Rundfunk, habe ihn enttäuscht, weil die Demokratie entartet sei und eine korrupte liberale Intelligenzia mehr Interesse an Grundstücken in Ascona gezeigt habe als daran, den heimischen Boden mit der eigenen Hände Arbeit zu bestellen. Im Gegensatz dazu sei die Jugend, die jetzt das neue Reich unterstütze, lebenskräftig, Vorläuferin einer neuen biologischen Rasse, einer »Herrenrasse«, die bereits Nietzsche vorhergesagt habe. Diese Jugend ziehe der Intellektualität der Stadt die organische Ordnung des Landes vor. Sie sei Beschützerin der weißen Rasse und verteidige ihre Werte gegen niedere Arten wie jene schwarzen Kolonialtruppen, die sich im Dienst der französischen Besatzungsarmee in Deutschland herumgetrieben hätten. Die neue Form der Herrschaft finde schon jetzt die Unterstützung der unteren Klassen und mache damit die Kommunisten und Sozialisten alten Schlages überflüssig. Hitlers populistische, direkte Demokratie verdiene daher, wie der neue Staat, den er aufbaue, Beistand.108

      Im November veröffentlichte Benn allerdings unter dem Titel »Bekenntnis zum Expressionismus« einen Artikel, in dem er die kritische Haltung des NS-Regimes gegenüber dieser Kunstform bedauerte und betonte, er selbst halte weiterhin daran fest. Der Expressionismus sei eine europäische Bewegung hauptsächlich der Jahre 1910 bis 1925 gewesen, der Spanier wie Pablo Picasso ebenso angehört hätten wie der Franzose Georges Braque, der Rumäne Constantin Brancusi und der Russe Wassily Kandinsky. In Deutschland sei Hindemith ihr Vertreter, in Italien seien es Gian Francesco Malipiero und Filippo Tommaso Marinetti, der Begründer des Futurismus, den Mussolini als Element des Faschismus akzeptiert habe. In der etwas ferneren Vergangenheit hätten Nietzsche, Hölderlin und Goethe zu den Vorläufern gehört und, nicht zuletzt, Richard Wagner. Der Expressionismus sei deshalb politisch von Bedeutung für das nationalsozialistische Zeitalter, weil ihm eine »anti-liberale Funktion des Geistes« eigen sei; eine »Verhöhnung des Volkes«, fügte Benn eilends hinzu, sei diese Kunstform keineswegs. Nach dem Ersten Weltkrieg habe ein »Destruktionismus« Fuß gefasst, dem der Expressionismus mit einem »jedes Chaos ausschließenden formalen Absolutismus« entgegentreten sei.109

      Benn bekannte sich also zum Faschismus und verteidigte zugleich eine Kunstrichtung, von der er wusste, dass die meisten NS-Größen sie ablehnten. Auf diese Weise versuchte er sich an der Quadratur des Kreises – was für ihn nicht gut ausgehen sollte. Sein furchtloser Hinweis auf die europäische Universalität des Expressionismus sowie die Erwähnung von Nicht-»Ariern« wie Sigmund Freud und Marcel Proust als dessen Verfechtern rief feindselige Reaktionen hervor. Man beschuldigte ihn, Jude zu sein – was er öffentlich dementierte. Ferner sang er in weiteren Artikeln das Loblied des neuen Regimes und scheute dabei auch vor rassistisch-eugenischen Begrifflichkeiten nicht zurück, deren Verwendung er als Arzt für legitim hielt. Aber als 1936 eine bis 1911 zurückreichende Sammlung seiner früheren Gedichte erschien, fuhr die SS-Zeitung Das Schwarze Korps schwere Geschütze gegen Benn auf und warf seinen Gedichten Obszönität vor. Benn, nunmehr Persona non grata, zog sich erneut in die Armee zurück und arbeitete wieder als Stabsarzt. Im März 1938 wurde er aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen.110 So hatte der Versuch eines Nationalsozialisten, den Expressionismus für das NS-Regime zu verwerten, ein unrühmliches Ende gefunden.111 Aber es war nicht der einzige Versuch dieser Art.

      Unter den Künstlern der expressionistischen Avantgarde nach dem Ersten Weltkrieg ragten neben Benn der Bildhauer Ernst Barlach und der Maler Emil Nolde hervor. Wie Benn galten sie den Nationalsozialisten als beispielhaft für die Moderne in der Kunst und damit als mögliche Zielscheibe der Verfolgung. Aber in ihren Haltungen und Lebenswegen unterschieden sie sich voneinander und von Benn; dasselbe gilt für ihr jeweiliges Schicksal.

      Barlach war 1870 als Sohn eines Landarztes in einer kleinen Stadt in Holstein geboren worden. Er studierte in Hamburg und Dresden, seit Mitte der 1890er Jahre in Paris. Auf einer Reise durch das zaristische Russland entwickelte er 1906 ein Talent für die Wahrnehmung menschlicher Ausdrucksformen, das zu seinem Markenzeichen werden sollte. Im Jahr darauf schloss er sich wie viele andere bildende Künstler in Deutschland der Berliner Secession an. Er heiratete nie, wurde aber 1906 Vater eines Sohnes. Die Mutter, Näherin, galt als eine Frau weit unter seinem Stand. СКАЧАТЬ