Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

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СКАЧАТЬ des Rie­sen At­las auf der Schul­ter trug, und eine sil­ber­ne, mit Halbe­del­stei­nen reich be­setz­te, kunst­reich und ge­heim­nis­voll ver­schließ­ba­re Kas­set­te, in der hun­dert Gold­du­ka­ten wa­ren.

      Auf der Rück­fahrt durch die blau­grü­ne Luft, die fie­bernd über den fri­au­li­schen Sümp­fen zit­ter­te, saß Wal­len­stein in sei­nen Wa­gen zu­rück­ge­lehnt und ließ sich, die mü­den Au­gen halb schlie­ßend, vom mys­ti­schen Flim­mern der Zu­kunft um­we­ben. Er at­me­te das un­end­li­che Schwei­gen der un­be­wohn­ten Ebe­ne wie Weih­rauch der Erde ein, die sich un­ter ihm bück­te; jen­seit des Um­krei­ses, den die Ehr­furcht sei­ner Grö­ße ein­räum­te, moch­ten die zu­rück­ge­wi­che­nen Völ­ker kni­en und scheu das sen­gen­de Gestirn vor­über­rol­len se­hen.

      1 klei­nes Kind <<<

      Mo­ritz von Hes­sen hat­te Ur­sa­che, stolz auf sei­ne Kin­der zu sein; na­ment­lich war er es auf die an­mu­ti­ge und klu­ge Eli­sa­beth, die so be­schei­den zu­zu­hö­ren wuss­te, wenn ihr Va­ter sich mit ge­lehr­ten Män­nern un­ter­hielt, und so über­ra­schend ge­dan­ken­voll mit­zu­spre­chen, wenn sie dazu auf­ge­for­dert wur­de. Schö­ner wa­ren die Söh­ne, de­nen die früh­ver­stor­be­ne Mut­ter ih­ren viel­be­wun­der­ten Reiz zum Ge­dächt­nis ein­ge­prägt zu ha­ben schi­en: Otto, der äl­tes­te, mit dem vol­len grie­chi­schen Mun­de und dem run­den Kinn, und Mo­ritz mit den gold­strah­len­den Au­gen, dem brau­nen Ge­lock und der mäd­chen­haft leicht er­rö­ten­den zar­ten Haut. Die jun­ge Stief­mut­ter sah die wun­der­vol­le Blü­te der be­vor­zug­ten Nach­kom­men ih­res Man­nes nicht ohne Ei­fer­sucht, doch war sie zu ein­sich­tig, um es mer­ken zu las­sen, und das An­se­hen des Land­gra­fen in der Fa­mi­lie zu groß, als dass Streit und Miss­hel­lig­keit sich laut her­vor­ge­wagt hät­ten.

      Es war ein Au­gen­blick schö­ner Ge­nug­tu­ung für Mo­ritz, als sein Erst­ge­bo­re­ner im Jah­re 1612 den neu­ge­wähl­ten Kai­ser Matt­hi­as in Frank­furt in ei­ner zier­li­chen la­tei­ni­schen An­spra­che be­grüß­te und die Au­gen der Fürs­ten nei­disch oder wohl­wol­lend auf dem Acht­zehn­jäh­ri­gen ruh­ten, nicht we­ni­ge von dem Ge­dan­ken er­füllt, wie lieb­lich der Sa­tan sei­ne ge­fähr­li­chen Werk­zeu­ge aus­zu­zie­ren wis­se.

      Bald dar­auf traf den glück­li­chen Va­ter ein jä­her Schlag, in­dem der zwölf­jäh­ri­ge Mo­ritz er­krank­te und schon nach zwei Ta­gen, be­vor noch je­mand die Ge­fahr des Zu­stan­des er­kannt hat­te, starb. Da man nichts an­de­res an­nahm, als dass es sich um ein leich­tes Fie­ber hand­le, stell­te Mo­ritz, am Bet­te des Kna­ben sit­zend, ihm al­ler­lei Auf­ga­ben als Un­ter­hal­tung und Prü­fung. Er dis­pu­tier­te mit ihm über das Abend­mahl, in der Wei­se, dass er ab­wech­selnd die Rol­le ei­nes Luthe­r­a­ners und ei­nes Pa­pis­ten spiel­te und der Klei­ne die Auf­fas­sung der Re­for­mier­ten bei­den ge­gen­über ver­tei­di­gen und sie mit Bi­bel­stel­len er­här­ten muss­te. Dann ließ er ihn Sät­ze aus dem Deut­schen ins La­tei­ni­sche und Fran­zö­si­sche über­tra­gen, was al­les Mo­ritz zu­frie­den­stel­lend aus­führ­te, die bren­nen­den Au­gen eif­rig und ein we­nig angst­voll auf den Va­ter ge­rich­tet, des­sen Un­ge­duld beim Un­ter­richt ihm be­kannt war. In der Ma­the­ma­tik je­doch, die des Land­gra­fen Lieb­lings­fach war, wur­den die Ant­wor­ten des kran­ken Kin­des un­si­cher und blie­ben ei­ni­ge Male ganz aus, so­dass der Va­ter es scharf zur Auf­merk­sam­keit an­hielt. »Ich wer­de es gleich wis­sen, lie­ber Va­ter«, sag­te das Kind, er­schro­cken die Hän­de fal­tend, und ließ den Kopf in das Kis­sen zu­rück­fal­len, in­dem es stam­melnd um Was­ser bat. Wie der Land­graf das Ge­sicht sei­nes Soh­nes sich ver­fär­ben sah, sprang er auf, läu­te­te, rief nach Die­nern und Ärz­ten; eben hat­te er noch Zeit, den laut At­men­den in sei­ne Arme zu neh­men und ihm zu­zu­ru­fen: »Mein Sohn, mein Sohn, den­ke an Je­sus Chris­tus, der von den To­ten auf­er­stan­den ist!«, als die Au­gen, die ihn fle­hend an­sa­hen, bra­chen, und das ge­lieb­te Kin­des­haupt leb­los auf sei­ne Schul­ter fiel.

      Der Land­graf blieb lan­ge mit dem Leich­nam sei­nes Kna­ben al­lein und ließ sich wäh­rend meh­re­rer Tage nur we­nig vor an­de­ren se­hen; er­schi­en er aber, so war sein Be­neh­men si­cher und ge­bie­tend wie sonst und sprach er ru­hig von der Pf­licht des Chris­ten, sich dem Schmerz über den Ver­lust ge­lieb­ter Per­so­nen oder ir­di­scher Gü­ter nicht hin­zu­ge­ben, son­dern die Auf­ga­ben des Ta­ges zu er­fül­len. Sol­che Grund­sät­ze hat­te er na­ment­lich sei­nem äl­tes­ten Soh­ne Otto vor­zu­hal­ten, der sich um den Tod des jün­ge­ren Bru­ders lei­den­schaft­lich gräm­te und we­der durch Ar­beit noch durch Be­trach­tung oder Mu­sik zer­streu­en ließ. Plötz­lich aber war der Kum­mer ohne er­sicht­li­che Ur­sa­che ganz er­lo­schen; so fing sein We­sen im­mer ver­häng­nis­vol­ler an, von ei­ner Über­trei­bung zur an­de­ren zu schwan­ken. Das vä­ter­li­che Ge­bot der Mä­ßig­keit über­schrei­tend, be­trank er sich in lo­ser Ge­sell­schaft, knüpf­te ein Lie­bes­ver­hält­nis mit ei­ner äl­te­ren Frau an und ward ein­mal, aus ei­nem übel­be­rüch­tig­ten Hau­se heim­keh­rend, be­rauscht auf der Gas­se ge­fun­den. Der Zorn und Schmerz sei­nes Va­ters schmet­ter­te ihn zu tiefs­ter Zer­knir­schung nie­der, doch hin­der­te das nicht, dass er sich bald dar­auf neu­en Aus­schwei­fun­gen er­gab, was durch den Aus­bruch ei­ner Krank­heit an den Tag kam. Dem ver­zwei­fel­ten Land­gra­fen, der mit dem Ge­dan­ken um­ging, dem ent­ar­te­ten Soh­ne die Nach­fol­ge zu ent­zie­hen, rie­ten die Er­zie­her Ot­tos, er möch­te den nun­mehr Zwan­zig­jäh­ri­gen ver­hei­ra­ten und da­durch dem ge­ord­ne­ten Le­ben wie­der zu­füh­ren; und so wur­de denn die Ver­mäh­lung mit ei­ner ba­di­schen Prin­zes­sin so schnell wie mög­lich ein­ge­lei­tet und voll­zo­gen. Hoff­nungs­voll be­tei­lig­te sich Mo­ritz selbst an den Vor­be­rei­tun­gen zur Hoch­zeit, de­ren vor­nehms­te Un­ter­hal­tung ein Kampf­spiel der Ba­by­lo­nia und der Ek­kle­sia, ei­gent­lich der ba­by­lo­ni­schen Hure und der evan­ge­li­schen Kir­che war, die ein­an­der be­schimpf­ten und her­aus­for­der­ten. Mo­ritz selbst dich­te­te und kom­po­nier­te ein Hoch­zeits­lied, das mit den Wor­ten be­gann: ›Ve­nus, du und dein Sohn, der, dem ihr gnä­dig seid, Über der Sterb­li­chen Häup­ter schrei­tet er sorg­los, ein Got­t‹; und wi­der sei­nen Wil­len wur­den sei­ne Au­gen nass, als die erns­ten Töne sich in fei­er­li­chem Rhyth­mus über den jun­gen Ver­mähl­ten dreh­ten. Auf sei­nen Wunsch stell­te der Pfar­rer, der sie trau­te, ih­nen die Be­deu­tung und die Pf­lich­ten der Ehe ein­dring­lich vor und dass sie für einen Fürs­ten und Lan­des­be­herr­scher be­son­ders bin­dend sei­en, was auch Ein­druck auf Otto zu ma­chen schi­en. Als je­doch nach ei­nem Jah­re die jun­ge Frau im Wo­chen­bet­te starb, nahm er die an­stö­ßi­ge Le­bens­füh­rung al­len Er­mah­nun­gen und Dro­hun­gen zum Trotz wie­der auf. Zwi­schen den Für­bit­ten und Ratschlä­gen der Fa­mi­lie und der Räte be­schloss Mo­ritz schleu­ni­ge Wie­der­ver­hei­ra­tung, ob­wohl Otto selbst ihr wi­der­streb­te. Bald sag­te er trot­zig, dass er die auf­ge­drun­ge­ne Frau nicht wer­de lie­ben kön­nen, dann hat­te er An­wand­lun­gen, wo er stun­den­lang wein­te, sich an­klag­te und sag­te, man sol­le nichts mehr mit ihm ver­su­chen, es sei aus mit ihm, er müs­se doch zu­grun­de ge­hen.

      Im СКАЧАТЬ