Название: Der Dreißigjährige Krieg
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Sachbücher bei Null Papier
isbn: 9783962818555
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Der kurfürstliche Wirt war in bester Laune, unermüdlich vortrinkend und laut schwörend, dass er beim Hause Österreich leben und sterben wolle. Hatte er in seiner Hauptstadt auch nicht viel Kunstwerke und Raritäten vorzuweisen, so entzückte er doch namentlich Ferdinand durch eine Sauhatz, die mitten in der Stadt auf dem Markte abgehalten wurde, wie auch ebenso durch die Musik, die zur Tafel aufspielte. Während der Kurfürst und sein Hof sich bei Tische nicht sonderlich um die Kapelle bekümmerten, horchten die Gäste zuweilen erstaunt und freudig auf, und Ferdinands Freund, Fürst Eggenberg, stand sogar mehrmals auf, brachte dem Kapellmeister ein Glas voll Wein, stieß mit ihm an und beglückwünschte ihn wegen der Kunst, mit der er die Kapelle leitete. Als der Kurfürst dies bemerkte, erzählte er lachend, dieser Kapellmeister, namens Heinrich Schütz, habe einen besonderen Wert für ihn, weil er ihn dem Landgrafen Moritz von Hessen-Kassel abgejagt habe. Dieser habe den Schütz als einen talentvollen Knaben entdeckt, ihn im Gesang unterrichten lassen und später an seinen Hof gezogen. Als er gehört habe, was für ein großes Wesen der Landgraf aus dem Schütz machte, habe er sich ihn einmal schicken lassen und ihn dann ganz für sich behalten wollen, was der Landgraf Moritz sehr ungern vernommen habe. Da aber der Schütz auf kursächsischem Gebiet geboren sei und da der Landgraf ihm wohl auch nicht dauernd habe zuwider sein mögen, sei der Handel zustande gekommen, was ihn besonders freue, weil Landgraf Moritz sich bekanntlich einbilde, mehr zu wissen und zu können als andere Leute und an seinem Hofe besonders gelehrt und neumodisch eingerichtet zu sein. Er bekomme zuletzt immer, was er wolle, sagte der Kurfürst behaglich, und zwar ohne sich zu rühren. Mit Fechten und Schwitzen könne jeder etwas ausrichten, aber mit Stillsitzen den Sieg davonzutragen, sei die wahre politische Kunst, auf die sich nicht jeder verstehe.
Als vornehmste Ergötzung wurde den Gästen eines Abends eine Komposition Schützens, nämlich ein musikalisches Gespräch zwischen Apollo und den Musen, vorgeführt. In einem Saale des Schlosses war eine kleine Bühne hergerichtet, auf welcher die Sänger auftraten, Apollo mit einem Lorbeerkranz in den blonden Locken, in goldgesticktem Wams und purpurnem Mantel, die Musen in altdeutschen Gewändern mit gepufften Ärmeln. Den Hintergrund bildeten, auf eine Wand gemalt, ein dunkelgrüner Hain und ein weißer Tempel auf sonnenbeschienenem Hügel. Zufrieden lächelnd, beobachtete Johann Georg das Erstaunen und die Bewunderung seiner Gäste während der Darstellung: Matthias und die Kaiserin weinten, Ferdinand wiegte seinen weichen Körper hin und her, und seine blauen Augen funkelten in feuchter Wonne, Fürst Eggenberg schien jeden Ton wie einen aus Wolken tauenden ambrosischen Tropfen aufzufangen und innig zu schlürfen. Am Schlusse des Spiels, das mit einer Huldigung für das Kaiserpaar endete, wurde Schütz vor die Majestäten befohlen, um ihr Lob in Empfang zu nehmen. Ferdinand klopfte ihm auf die Schulter und sagte gemütlich: »Er versteht seine Sache. Ich gebe zehn von meinen großmäuligen Standesherren um ein solches Ketzerle, wie Er ist.« Eggenberg nötigte den Kapellmeister, sich zu ihm in eine Ecke zu setzen, und fragte ihn über seine Komposition aus. Woher er das habe? Das sei etwas Neues und Gewaltsames, aber Wundervolles. Die Musik sei sonst eine überirdische Erscheinung unter den Menschen gewesen, vestalisch verhüllt und unnahbar; nun aber sei es ihm so gewesen, als hätte sie ihre Brust gleich einem Zauberspiegel entschleiert, und ein jeder hätte sich selbst darin erblickt, so wie Gott sich vorbehalten habe, sich zu erkennen, sodass es ihm fast verboten und schaurig vorgekommen sei. Da er nun das genossen habe, glaube er, es werde ihm kein Tonstück von der alten Art mehr schmecken.
Schütz erklärte, dass er derartige Musik in Venedig kennengelernt habe, wo er jahrelang bei dem berühmten Meister Gabrieli studiert habe, und dass er hoffe, mit der Zeit noch größere Vortrefflichkeit darin zu erreichen. Die Musik sei bisher in der babylonischen Gefangenschaft gewesen, und er möchte sie in ihre Heimat zurückführen. Das sei schwer zu erklären und schwer zu begreifen. Er wolle die alte Musik nicht herabsetzen, keineswegs, denn sie sei eine Offenbarung Gottes gewesen; nun aber müsse der Tönebrunnen aus der Menschen Herz ausfließen und künden, was darinnen sei.
»Mein Freund«, sagte Eggenberg, »Ihr seid nur ein bescheidener Kapellmeister, und doch seid Ihr mehr als irgendeiner von uns, wie mir scheint, den Göttern ähnlich. Ihr lasst Licht werden und zaubert tönende Geschöpfe aus dem Abgrund und verbindet die chaotischen Stimmen zu einer geregelten, in Vollkommenheit schwebenden Harmonie.«
Das feine, von heimlicher Träumerei umdunkelte Gesicht Schützens erhellte ein gütiges Lächeln. Sein Geschäft müsse doch um vieles leichter sein als das des Herrgotts, sagte er; denn dessen Kreaturen ständen trotz seiner Allmacht in lauter Hader und Disputieren, die Disharmonien lösten sich niemals auf, und es würde damit immer schlimmer statt besser.
»Ja, das sind Geheimnisse«, nickte Eggenberg ein wenig zurückhaltend. »Wir Menschen machen so viel Lärm auf der Erde, dass wir die Harmonie Gottes nicht vernehmen können.«
Khlesl hatte, auch abgesehen von dem Missglücken seines Heiratsplanes, manche Bitterkeit zu schlucken. Er hatte kraft seines Kardinalsranges das Recht, bei Tische zwischen den Erzherzögen zu sitzen; da diese aber mit Abreise drohten, wenn sie nicht über ihn gesetzt würden, was wiederum Khlesl sich nicht gefallen lassen wollte, schlug der bedrängte Hofmarschall vor, Khlesl möchte an einer anderen Tafel sitzen, wo er den unbestrittenen Ehrenplatz einnehmen würde. Hierauf ging Khlesl mit saurer Miene ein, obwohl er wusste, dass es ihm zu Despekt und Schimpf gereichen würde, und es entging ihm auch nicht, mit welcher Schadenfreude Maximilian ihn vom kaiserlichen Ehrentische aus beobachtete.
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Der Krieg zwischen Venedig und dem Kaiser lockte viele berühmte Feldherren und junge СКАЧАТЬ