Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

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СКАЧАТЬ un­ge­wöhn­li­chen Vol­ti­gie­ren habe se­hen las­sen; er, Ho­el­zel, habe dar­auf An­dreaes Ta­len­te und Fer­tig­kei­ten ge­rühmt, und sie sei­en be­gie­rig, sei­ne Be­kannt­schaft zu ma­chen. Er sol­le sich be­reit hal­ten, viel­leicht blü­he ihm hier das Glück. In kur­z­er Zeit hat­te er wirk­lich meh­re­re jun­ge Edel­leu­te zu Schü­lern im Fech­ten und Vol­ti­gie­ren, die üb­ri­gens gute Ge­sell­schaf­ter wa­ren. War er mit Ho­el­zel und Be­sold al­lein, so diente es ih­nen zu großer Be­lus­ti­gung, dass An­dreae nun end­lich das Ge­biet ge­fun­den habe, auf wel­chem er Ehre und Vor­teil er­rin­gen kön­ne; kärg­lich sei es ihm er­gan­gen, so­lan­ge er sich der Welt­weis­heit, Kunst und Got­tes­ge­lehrt­heit be­flei­ßigt habe, als Fecht­meis­ter wer­de er zu Ruhm und An­se­hen kom­men. Üb­ri­gens be­schloss er so­gleich, un­ver­merkt auf das In­ne­re der jun­gen Män­ner zu wir­ken, die ihn mit der Aus­bil­dung ih­res Kör­pers be­traut hat­ten, und als ein an­de­rer Mer­kur ihre See­len zu Gott zu füh­ren. Bei dem häu­fi­gen Zu­sam­men­sein fand er Ge­le­gen­heit, sei­ne Kennt­nis­se in der Ma­the­ma­tik zu zei­gen und sie so für die­se Wis­sen­schaft zu in­ter­es­sie­ren, dass sie sich alle et­was da­von an­zu­eig­nen wünsch­ten und ihn um Un­ter­wei­sung ba­ten. Ka­men sie dann auf theo­lo­gi­sche Fra­gen, so lob­te Be­sold wohl die Schrif­ten des Mys­ti­kers Va­len­tin Wei­gel, wäh­rend ihn we­der Luthers noch Kal­vins Leh­re ganz be­frie­di­ge. Sie wä­ren, sag­te er, of­fen­bar von den Men­schen auf­stei­gend zu Gott ge­kom­men, wäh­rend man doch, um zu Gott zu kom­men, sich so weit wie mög­lich von den Men­schen ent­fer­nen müs­se. Die An­schau­ung un­se­res Le­bens müs­se man ver­las­sen, wenn man Gott fin­den wol­le; denn Gott wis­se nichts von uns, Gott wis­se nur von sich, dar­um müs­se, wer zu ihm wol­le, die fes­te Erde von sich sto­ßend einen Sturz in den bo­den­lo­sen Ab­grund wa­gen, der für un­se­re ir­di­schen Sin­ne die Nacht und das Nichts sei.

      Die­se Auf­fas­sung be­kämpf­te An­dreae als schwär­me­risch und ge­fähr­lich. Gott, des­sen We­sen Licht sei, sei nur durch das Licht zu er­rei­chen. Es sei viel Wahr­heit in dem, was Be­sold sage, aber das Gan­ze sei un­wahr. Man dür­fe nicht ver­ges­sen, dass die Welt, wel­chen An­teil auch das Böse an ihr habe, doch von Gott er­schaf­fen, von sei­nem Sa­men und Blut sei. Es kom­me nicht so sehr dar­auf an, dass der ein­zel­ne im Glau­ben Be­frie­di­gung fin­de und Gott nä­her­kom­me, wie dass die Ge­sell­schaft, die kleins­te wie die um­fas­sends­te, eine har­mo­ni­sche Ord­nung dar­stel­le. Luther sei kein Gott, also nicht un­fehl­bar, wenn auch gött­li­chen Geis­tes voll ge­we­sen; aber wel­cher an­de­re Mensch sei das? Wo­hin wür­de man ge­ra­ten, wenn ein je­der die Macht ha­ben soll­te, den ei­ge­nen Träu­men über die höchs­ten Din­ge nach­zu­ge­hen, sich ei­ge­ne Wege zur Se­lig­keit zu gra­ben? Sie wüss­ten wohl alle, dass das Wort Re­li­gi­on von Bin­den kom­me, und sie sol­le in der Tat ein hei­li­ges Band um alle Men­schen, ja um alle Welt schlin­gen. Das möch­te ih­nen ka­tho­lisch klin­gen; aber Luther habe ja auch die ka­tho­li­sche Kir­che nicht ab­schaf­fen, nur rei­ni­gen wol­len. Einst wer­de ge­wiss die Kup­pel der al­lesum­fas­sen­den Kir­che mit dem Ge­wöl­be des Kos­mos sich de­cken und ein Got­tes­haus für alle sein. Das Grü­beln, Schwär­men und Dis­pu­tie­ren müs­se ein­mal auf­hö­ren, je­der sol­le sich auf dem fes­ten Bo­den ge­mein­sa­men Glau­bens ei­nem tä­ti­gen tu­gend­haf­ten Le­ben wid­men. Was für eine wun­der­vol­le Har­mo­nie habe er in den Städ­ten Ba­sel, Zü­rich und Genf ge­se­hen! Die gli­chen licht­brin­gen­den Ster­nen, die sich streng, voll Ruhe und fast gleich­gül­tig auf re­gel­mä­ßi­ger Bahn be­weg­ten.

      Er er­zähl­te mit Vor­lie­be von dem Le­ben in den eid­ge­nös­si­schen Städ­ten, von der Tüch­tig­keit und Ver­nünf­tig­keit ih­rer Be­woh­ner, wie sie ih­rer Ar­beit flei­ßig nach­gin­gen, ein je­der tue, was ihm ob­lie­ge, die Vor­neh­men stolz auf ihre Pf­lich­ten, auch die Ge­rin­ge­ren auf die ih­rem Stan­de ei­gen­tüm­li­che Wür­de. Feh­le es auch nicht ganz an Fle­cken und Ab­wei­chun­gen, so wür­den sie doch aus­ge­gli­chen durch die Re­gel­mä­ßig­keit der Be­we­gung und die Fül­le des Lich­tes im Gan­zen. Frei­lich wä­ren die Theo­lo­gen dort auch an­ders ge­ar­tet als die im Reich und lei­der nicht zum we­nigs­ten in Schwa­ben; sie lehr­ten, pre­dig­ten, wal­te­ten in der Ge­mein­de, tä­ten ihr Ta­ge­werk, an­statt al­ber­ne Spitz­fin­dig­kei­ten aus­zu­boh­ren und sich her­nach dar­über zu zan­ken und zu ver­flu­chen.

      Da­mals wa­ren die lu­the­ri­schen Theo­lo­gen über zwei Streit­fra­gen ge­spal­ten, de­ren eine die Al­lent­hal­ben­heit oder Ubi­qui­tät Chris­ti ge­nannt wur­de. Ei­ni­ge sag­ten, dass, da Chris­ti Leib beim Abend­mahl im Bro­te sei, und zwar ohne dass, wie die Ka­tho­li­schen fälsch­lich lehr­ten, eine Ver­wand­lung vor sich gehe, dies so er­klärt wer­den müs­se, dass er eben al­lent­hal­ben sei; wäh­rend die an­de­ren ent­ge­gen­hiel­ten, die Welt sei voll Un­rat, und es sei un­ziem­lich, an­zu­neh­men, Chris­tus sei im Dreck ent­hal­ten. Fer­ner nah­men die Theo­lo­gen der Uni­ver­si­tät Gie­ßen, die zu Hes­sen-Darm­stadt ge­hör­te, als Dog­ma an, dass Chris­tus wäh­rend sei­nes Wan­dels auf Er­den im Voll­be­sitz sei­ner gött­li­chen Na­tur ge­we­sen sei und sich nur schein­bar der Leib­lich­keit mit ih­ren Ge­bre­chen un­ter­wor­fen habe, um sei­ne Auf­ga­be voll­füh­ren zu kön­nen. Dies ver­warf das Haupt der würt­tem­ber­gi­schen Theo­lo­gen, Osi­an­der, gänz­lich, da, wenn Chris­tus nicht wirk­lich ein Mensch ge­we­sen sei, sein Tun und Lei­den auf Er­den be­deu­tungs­los und ge­wis­ser­ma­ßen Spie­gel­fech­te­rei ge­nannt wer­den müs­se. Er habe sich vor der Men­sch­wer­dung sei­ner gött­li­chen Ei­gen­schaf­ten ent­äu­ßert, und es be­ste­he das gan­ze Ge­heim­nis in sei­ner Gott­mensch­heit, wie aus vie­len Bi­bel­stel­len zu er­här­ten sei. Eben­so stütz­ten die Geg­ner ihre un­wi­der­leg­li­che Be­weis­füh­rung mit großer Ge­lehr­sam­keit auf Bi­bel­sprü­che.

      Un­ter dem Druck der schwä­bi­schen Theo­lo­gen­herr­schaft hat­te auch Jo­han­nes Kep­ler zu lei­den, der ja im Würt­tem­ber­gi­schen ge­bo­ren war. Eine An­stel­lung in sei­ner Hei­mat für ihn zu er­wir­ken, war sei­nen Freun­den nicht mög­lich; frei­lich hat­ten sie auch nicht den Mut, sich um sei­net­wil­len sehr aus­zu­set­zen. Sei­ne Frau war bald nach dem epi­lep­ti­schen An­fall, den sie beim Ein­bruch der Pas­sau­er in Prag er­lit­ten hat­te, ge­stor­ben, und schon vor­her hat­te er das klei­ne Mäd­chen, sei­nen Lieb­ling, ver­lo­ren; noch im sel­ben Jah­re folg­ten die­sen bei­den zwei an­de­re Kin­der. Er ar­bei­te­te da­mals an­ge­streng­ter als je, zwi­schen­durch aber kämpf­te er mit trau­ri­gen und pein­vol­len Ge­dan­ken. Wenn er sein Ehe­le­ben, das nun ab­ge­schlos­sen und un­wie­der­bring­lich hin­ter ihm lag, über­blick­te, karg an Glück, reich an Ent­beh­rung, Streit und Miss­hel­lig­keit, so schi­en es ihm jetzt nicht mehr, als fie­le die Schuld dar­an auf sei­ne arme tote Frau, son­dern als hät­te er es an­ders ge­stal­ten kön­nen. Sie war wohl oft un­zu­frie­den, ängst­lich auf den Er­werb und die Not­durft be­dacht, bit­ter und gräm­lich ge­we­sen; aber wie hat­te er sei­ne Pf­licht er­füllt? War er der Stab ge­we­sen, an dem sie sich auf­rich­ten, der Quell, aus dem sie Er­fri­schung schöp­fen konn­te? Sei­ne schö­nen, über­schweng­li­chen Stun­den hat­te er bei der Ar­beit ge­habt; für sie war Mü­dig­keit und Un­ge­duld üb­rig­ge­blie­ben. Er ent­sann sich der hold­se­li­gen kind­li­chen Wit­we, als die er sie ken­nen­lern­te, СКАЧАТЬ