Название: Der Dreißigjährige Krieg
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Sachbücher bei Null Papier
isbn: 9783962818555
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Die Landgräfin hatte bemerkt, was im Herzen ihres Mannes vorging, und aufgehört, zu Eckardsburgs Gunsten zu sprechen; sie war schweigsam und hielt sich in ihren Gemächern. Am Tage vor der Hinrichtung teilte er ihr mit, dass das Urteil unter den Fenstern des Schlosses, als auf dem Schauplatze des Verbrechens, vollzogen werde und dass es sein Wille sei, sie solle der Exekution mit ihm zuschauen zum Zeichen für jedermann, dass sie beide an der Bestrafung eines Missetäters, auch wenn er von hohem Range sei, ein Wohlgefallen hätten. Juliane entschuldigte sich damit, dass ihr nicht wohl sei, weshalb sie schon seit mehreren Tagen das Zimmer gehütet habe; doch da er, den Blick scharf auf sie richtend, sagte, sie habe sich sonst wohl auf seinen Wunsch oder aus eigenem Antrieb zu beherrschen gewusst, entgegnete sie nichts mehr und erschien zur festgesetzten Stunde am Fenster. Sie hörte dünnes Geläut den langsamen Zug verkünden und sah den von zwei Geistlichen geleiteten Verurteilten im langen schwarzen Gewande heranschreiten, das weiche blonde Haar sorgfältig geordnet, hinter ihm rüstige Henker mit Keulen in den muskelstarken Armen. Er zitterte vor Furcht und heimlicher Hoffnung; denn er konnte es doch nicht glauben, dass er, der Schöne und Vielgeliebte, zu einem so gräulichen Tode bestimmt sei. Als er das Rad aufgerichtet sah, auf dem er hingeschlachtet werden sollte, schauderte er und blieb gelähmt stehen, indem er unwillkürlich flehend am Schlosse hinaufsah. Sein Auge begegnete dem starren Blick der Landgräfin, in dem nichts von Gnade zu lesen war, und gleichzeitig stießen ihn die Knechte vorwärts. Juliane stand während der ganzen Zeit aufrecht ohne sich zu rühren: ihre großen dunklen Augen sahen leer auf den menschenerfüllten Platz, und auf ihren schmalen Lippen saß ein schwaches Lächeln.
Am Nachmittage begleitete sie den Landgrafen auf die Jagd und gab sich wie sonst ihrer Lust an wagehalsigem Reiten hin, eine Veränderung in ihrem Wesen höchstens insofern zeigend, als sie ihrem Manne gegenüber schweigsam und von verhaltener Reizbarkeit war.
Zur zweiten Frau seines ältesten Sohnes wählte Moritz ein Mädchen aus der Anhaltischen Familie, das sich besonders durch Vernunft und Frömmigkeit empfahl und mehrere Jahre älter als Otto war. Die junge Frau klagte über nichts, sondern äußerte sich dem Landgrafen gegenüber zufrieden. Einige Monate nach der Hochzeit jedoch wurde Otto am Morgen erschossen im Bette aufgefunden, wahrscheinlich durch eigene Hand gefallen, jedenfalls als ein Opfer seiner lasterhaften Verwilderung.
Nun war Wilhelm, der jüngste Sohn der schönen Agnes, Erbe des Landes. Er war, wenn auch hübsch und fein von Gesicht, ernst und fleißig, doch weniger glänzend begabt als die Brüder und war von seinem Vater stets etwas zurückgesetzt gewesen, freilich ohne dessen Wissen und Willen, der in der Behandlung seiner Kinder auf Gerechtigkeit hielt. Wilhelm suchte die Liebe des strengen Vaters, dem er in bescheidener Zurückhaltung ergeben war, durch Arbeitsamkeit und Pflichteifer zu gewinnen. Seinen zarten Körper stählte er durch ritterliche Übungen und wurde mehr infolge dieser Willenskraft als aus natürlicher Anlage ein tüchtiger Jäger und Soldat.
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Damals erschien ein Buch, das dem Landgrafen Anregung gewährte, es hatte den Titel ›Chymische Hochzeit Christian Rosencreuz‹, geißelte mit Witz und Wärme die Laster der Zeit und berichtete von einer Gesellschaft, die zum Zweck eine Reform der Sitten, der Politik und der Kirche, kurz, des ganzen öffentlichen sowie privaten Lebens habe. Es begann mit einer Erzählung, wie die Weiber eines Fabellandes sich im Rathause versammeln, um den herrschenden Übeln abzuhelfen, wie das Volk in Ehrfurcht wartet, auf welche Weise es gebessert und beglückt werden soll, wie endlich die geheiligte Pforte sich öffnet und den Harrenden das Ergebnis verkündet wird, mit welchem der Wendepunkt einer neuen, schöneren Zeit beginnen soll: eine neue Taxe auf Kraut, Rüben und Petersilie.
Die Empfehlung des Landgrafen verschaffte dem Buche in Hessen viele Leser, aber auch in anderen kalvinischen Gegenden erregte es Beifall oder mindestens Interesse, während es im Allgemeinen als frech, aufwieglerisch und voll von Ketzereien getadelt und bekämpft wurde. Der ungenannte Verfasser, nach dem man vergebens fahndete, war ein Schwabe, der aus einer Familie von Theologen stammte, Johann Valentin Andreae, ein rastloser Geist, dessen Verstand ebenso durchdringend und unbestechlich wie seine Fantasie lebhaft war, heiter, stolz, warmherzig und unternehmend. Durch seine Abkunft zur Theologie bestimmt, widmete er sich doch zunächst aus Neigung der Mathematik und Mechanik, der Malerei, Musik und Dichtung, führte ein ungebundenes Reiseleben oder verdiente sich seinen Unterhalt als Erzieher. Etwa im Jahre 1613 war er mit zwei Freunden, dem österreichischen Edelmann Abraham Hoelzel und dem schwäbischen Juristen Besold, seiner Gesundheit wegen im Bade Griesbach, СКАЧАТЬ