Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

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СКАЧАТЬ auch un­ter der Fol­ter be­harr­te der An­ge­klag­te da­bei, dass nichts Straf­ba­res ge­sche­hen und dass er sei­ne Au­gen nie an­ders als mit der der Fürs­tin schul­di­gen Ehr­furcht auf Ju­lia­ne ge­rich­tet habe. Die­se leug­ne­te gleich­falls jede Schuld so­wie auch jede Nei­gung ab und ver­lang­te, dass Eckards­burg frei­ge­las­sen wer­de, da er nur einen Ver­leum­der zur Ret­tung ih­rer Ehre im Zwei­kampf ge­tö­tet, nicht ge­mor­det habe. Die Zwei­fel des Land­gra­fen wur­den nicht be­schwich­tigt, viel­mehr, wie we­nig er auch vor­her an die Mög­lich­keit ehe­bre­che­ri­scher Lie­be sei­ner Frau zu ei­nem an­de­ren Man­ne ge­dacht hat­te, so fest stand ihm jetzt, dass bei­de we­nigs­tens ge­gen­sei­ti­ger Zu­nei­gung schul­dig sei­en. Die Erin­ne­rung ver­gan­ge­ner Jah­re such­te ihn heim, als die jun­ge Frau des al­ten Land­gra­fen Lud­wig von Hes­sen ei­nes Lie­bes­ver­hält­nis­ses mit ei­nem ad­li­gen Herrn be­schul­digt wur­de und er mit rich­ten­dem Ei­fer die strengs­te Be­stra­fung der An­ge­klag­ten durch­zu­set­zen such­te. Un­ter Qua­len frag­te er sich, ob ihn da­mals noch ein be­son­de­rer Hass ge­gen die Mi­ter­bin des dem Tode na­hen al­ten Fürs­ten be­wegt habe? ob er ge­gen die ei­ge­ne Frau blind oder nach­sich­ti­ger sein dür­fe als da­mals ge­gen jene? oder ob die Wut sei­ner Ei­fer­sucht ihm einen Vor­wand, Stren­ge zu üben, zu­spie­len woll­te? Bald dach­te er die­sen schmach­vol­len Zu­stand da­durch zu über­win­den, dass er den Eckards­burg dem Mar­ter­to­de preis­gab, den das Ge­setz für sol­chen Fall vor­schrieb; bald wur­de er un­eins mit sich, wünsch­te an die Un­schuld sei­ner Frau zu glau­ben und for­der­te von sei­ner Ho­heit und Über­le­gen­heit Ver­zei­hen. Erst nach­dem die Geist­lich­keit ihm ver­si­chert hat­te, dass Eckards­burg dem Rech­te nach nicht an­ders als mit dem Tode zu be­stra­fen sei, und nach­dem auch die Rich­ter auf Be­fra­gen sich da­hin aus­ge­spro­chen hat­ten, es lie­ge kein An­lass, Gna­de zu üben, vor, un­ter­zeich­ne­te er das Ur­teil, nach wel­chem der Schul­di­ge ge­rä­dert wer­den soll­te.

      Die Land­grä­fin hat­te be­merkt, was im Her­zen ih­res Man­nes vor­ging, und auf­ge­hört, zu Eckards­burgs Guns­ten zu spre­chen; sie war schweig­sam und hielt sich in ih­ren Ge­mä­chern. Am Tage vor der Hin­rich­tung teil­te er ihr mit, dass das Ur­teil un­ter den Fens­tern des Schlos­ses, als auf dem Schau­plat­ze des Ver­bre­chens, voll­zo­gen wer­de und dass es sein Wil­le sei, sie sol­le der Exe­ku­ti­on mit ihm zu­schau­en zum Zei­chen für je­der­mann, dass sie bei­de an der Be­stra­fung ei­nes Mis­se­tä­ters, auch wenn er von ho­hem Ran­ge sei, ein Wohl­ge­fal­len hät­ten. Ju­lia­ne ent­schul­dig­te sich da­mit, dass ihr nicht wohl sei, wes­halb sie schon seit meh­re­ren Ta­gen das Zim­mer ge­hü­tet habe; doch da er, den Blick scharf auf sie rich­tend, sag­te, sie habe sich sonst wohl auf sei­nen Wunsch oder aus ei­ge­nem An­trieb zu be­herr­schen ge­wusst, ent­geg­ne­te sie nichts mehr und er­schi­en zur fest­ge­setz­ten Stun­de am Fens­ter. Sie hör­te dün­nes Ge­läut den lang­sa­men Zug ver­kün­den und sah den von zwei Geist­li­chen ge­lei­te­ten Ver­ur­teil­ten im lan­gen schwar­zen Ge­wan­de her­an­schrei­ten, das wei­che blon­de Haar sorg­fäl­tig ge­ord­net, hin­ter ihm rüs­ti­ge Hen­ker mit Keu­len in den mus­kel­star­ken Ar­men. Er zit­ter­te vor Furcht und heim­li­cher Hoff­nung; denn er konn­te es doch nicht glau­ben, dass er, der Schö­ne und Viel­ge­lieb­te, zu ei­nem so gräu­li­chen Tode be­stimmt sei. Als er das Rad auf­ge­rich­tet sah, auf dem er hin­ge­schlach­tet wer­den soll­te, schau­der­te er und blieb ge­lähmt ste­hen, in­dem er un­will­kür­lich fle­hend am Schlos­se hin­aufsah. Sein Auge be­geg­ne­te dem star­ren Blick der Land­grä­fin, in dem nichts von Gna­de zu le­sen war, und gleich­zei­tig stie­ßen ihn die Knech­te vor­wärts. Ju­lia­ne stand wäh­rend der gan­zen Zeit auf­recht ohne sich zu rüh­ren: ihre großen dunklen Au­gen sa­hen leer auf den men­schen­er­füll­ten Platz, und auf ih­ren schma­len Lip­pen saß ein schwa­ches Lä­cheln.

      Am Nach­mit­tage be­glei­te­te sie den Land­gra­fen auf die Jagd und gab sich wie sonst ih­rer Lust an wa­ge­hal­si­gem Rei­ten hin, eine Ver­än­de­rung in ih­rem We­sen höchs­tens in­so­fern zei­gend, als sie ih­rem Man­ne ge­gen­über schweig­sam und von ver­hal­te­ner Reiz­bar­keit war.

      Zur zwei­ten Frau sei­nes äl­tes­ten Soh­nes wähl­te Mo­ritz ein Mäd­chen aus der An­hal­ti­schen Fa­mi­lie, das sich be­son­ders durch Ver­nunft und Fröm­mig­keit emp­fahl und meh­re­re Jah­re äl­ter als Otto war. Die jun­ge Frau klag­te über nichts, son­dern äu­ßer­te sich dem Land­gra­fen ge­gen­über zu­frie­den. Ei­ni­ge Mo­na­te nach der Hoch­zeit je­doch wur­de Otto am Mor­gen er­schos­sen im Bet­te auf­ge­fun­den, wahr­schein­lich durch ei­ge­ne Hand ge­fal­len, je­den­falls als ein Op­fer sei­ner las­ter­haf­ten Ver­wil­de­rung.

      Nun war Wil­helm, der jüngs­te Sohn der schö­nen Ag­nes, Erbe des Lan­des. Er war, wenn auch hübsch und fein von Ge­sicht, ernst und flei­ßig, doch we­ni­ger glän­zend be­gabt als die Brü­der und war von sei­nem Va­ter stets et­was zu­rück­ge­setzt ge­we­sen, frei­lich ohne des­sen Wis­sen und Wil­len, der in der Be­hand­lung sei­ner Kin­der auf Ge­rech­tig­keit hielt. Wil­helm such­te die Lie­be des stren­gen Va­ters, dem er in be­schei­de­ner Zu­rück­hal­tung er­ge­ben war, durch Ar­beit­sam­keit und Pf­licht­ei­fer zu ge­win­nen. Sei­nen zar­ten Kör­per stähl­te er durch rit­ter­li­che Übun­gen und wur­de mehr in­fol­ge die­ser Wil­lens­kraft als aus na­tür­li­cher An­la­ge ein tüch­ti­ger Jä­ger und Sol­dat.

      Da­mals er­schi­en ein Buch, das dem Land­gra­fen An­re­gung ge­währ­te, es hat­te den Ti­tel ›Chy­mi­sche Hoch­zeit Chris­ti­an Ro­sen­creuz‹, gei­ßel­te mit Witz und Wär­me die Las­ter der Zeit und be­rich­te­te von ei­ner Ge­sell­schaft, die zum Zweck eine Re­form der Sit­ten, der Po­li­tik und der Kir­che, kurz, des gan­zen öf­fent­li­chen so­wie pri­va­ten Le­bens habe. Es be­gann mit ei­ner Er­zäh­lung, wie die Wei­ber ei­nes Fa­bel­lan­des sich im Rat­hau­se ver­sam­meln, um den herr­schen­den Übeln ab­zu­hel­fen, wie das Volk in Ehr­furcht war­tet, auf wel­che Wei­se es ge­bes­sert und be­glückt wer­den soll, wie end­lich die ge­hei­lig­te Pfor­te sich öff­net und den Har­ren­den das Er­geb­nis ver­kün­det wird, mit wel­chem der Wen­de­punkt ei­ner neu­en, schö­ne­ren Zeit be­gin­nen soll: eine neue Taxe auf Kraut, Rü­ben und Pe­ter­si­lie.

      Die Emp­feh­lung des Land­gra­fen ver­schaff­te dem Bu­che in Hes­sen vie­le Le­ser, aber auch in an­de­ren kal­vi­ni­schen Ge­gen­den er­reg­te es Bei­fall oder min­des­tens In­ter­es­se, wäh­rend es im All­ge­mei­nen als frech, auf­wieg­le­risch und voll von Ket­ze­rei­en ge­ta­delt und be­kämpft wur­de. Der un­ge­nann­te Ver­fas­ser, nach dem man ver­ge­bens fahn­de­te, war ein Schwa­be, der aus ei­ner Fa­mi­lie von Theo­lo­gen stamm­te, Jo­hann Va­len­tin An­dreae, ein rast­lo­ser Geist, des­sen Ver­stand eben­so durch­drin­gend und un­be­stech­lich wie sei­ne Fan­ta­sie leb­haft war, hei­ter, stolz, warm­her­zig und un­ter­neh­mend. Durch sei­ne Ab­kunft zur Theo­lo­gie be­stimmt, wid­me­te er sich doch zu­nächst aus Nei­gung der Ma­the­ma­tik und Mecha­nik, der Ma­le­rei, Mu­sik und Dich­tung, führ­te ein un­ge­bun­de­nes Rei­se­le­ben oder ver­dien­te sich sei­nen Un­ter­halt als Er­zie­her. Etwa im Jah­re 1613 war er mit zwei Freun­den, dem ös­ter­rei­chi­schen Edel­mann Abra­ham Ho­el­zel und dem schwä­bi­schen Ju­ris­ten Be­sold, sei­ner Ge­sund­heit we­gen im Bade Gries­bach, СКАЧАТЬ