Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

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СКАЧАТЬ Ehe­mann ge­we­sen, und rie­ten ihm, sich wie­der zu ver­hei­ra­ten, da­mit er eine rich­tig ge­ord­ne­te Häus­lich­keit hät­te. An­fäng­lich moch­te er nichts da­von wis­sen, und kei­ne leuch­te­te ihm ein, wie vie­le ihm auch vor­ge­schla­gen wur­den. Dann kam ihm in den Sinn, dass er durch die Hei­rat mit ei­ner Dame von Rang und Ver­mö­gen des elen­den Rin­gens und Quä­lens um das täg­li­che Brot über­ho­ben wer­den könn­te; von sei­nen schon ge­krümm­ten Schul­tern wür­de die häss­li­che Bür­de fal­len, frei wür­de er sich auf­rich­ten und mit leich­tem Schritt der Höhe des Le­bens zu­stre­ben kön­nen. Ja, das hät­te er kön­nen, wenn er al­lein ge­we­sen wäre; aber nun war er an die an­spruchs­vol­le frem­de Dame ge­bun­den, der er den Wohl­stand ver­dank­te und die pein­li­cher las­ten moch­te als die eins­ti­gen Sor­gen. Er konn­te sich sei­ne Frau nur als ein schlich­tes, lieb­li­ches Mäd­chen den­ken, ein sanf­tes, un­be­fan­ge­nes, hei­ter an­lä­cheln­des, sitt­sa­mes, und nach ei­nem sol­chen fing er all­mäh­lich an sich zu seh­nen. Da ihm von ei­ner be­rich­tet wur­de, näm­lich von der schö­nen Su­san­na Ret­tin­ger, ei­ner Schrei­ner­s­toch­ter, die eine vor­neh­me Dame hat­te er­zie­hen las­sen, ent­schloss er sich, sie zu hei­ra­ten und die Sor­ge für den Le­bens­un­ter­halt wei­ter zu tra­gen.

      Da Kai­ser Matt­hi­as ihm we­der den rück­stän­di­gen noch den lau­fen­den Sold aus­zah­len konn­te, nahm er eine Pro­fes­sur an dem Gym­na­si­um in Linz an, wo er un­ter den Her­ren von Adel An­hän­ger sei­ner Leh­re und Be­wun­de­rer sei­ner Schrif­ten hat­te und wo er ge­ehrt und fried­lich hät­te le­ben kön­nen, wenn ihm nicht von der Hei­mat aus Un­ru­he und Be­schwer­de wäre be­rei­tet wor­den. Es be­fand sich als Pre­di­ger in Linz sein Lands­mann Dok­tor Hiz­ler, mit dem er viel ver­kehr­te; denn Hiz­ler in­ter­es­sier­te sich für Astro­no­mie, Ma­the­ma­tik und Mecha­nik, war leb­haft, wiss­be­gie­rig und fröh­lich und ver­stand es, den schweig­sa­men und un­ge­sel­li­gen Kep­ler durch sei­ne Mun­ter­keit um­gäng­lich zu stim­men. Er hat­te klei­ne, lus­ti­ge, kind­li­che Au­gen, auf­wärts ge­sträub­tes Haar und einen spit­zen Bart, trank gern gu­ten Wein und hat­te meis­tens, das Theo­lo­gi­sche auf die Be­rufs­ge­schäf­te ein­schrän­kend, eine me­cha­ni­sche Spie­le­rei in Ar­beit; so fer­tig­te er da­mals ein von selbst lau­fen­des Wä­ge­lein an, auf dem ein trom­pe­ten­bla­sen­der und peit­schen­knal­len­der klei­ner Kut­scher saß.

      Ei­nes Ta­ges um Os­tern, als Kep­ler der Sit­te ge­mäß das Abend­mahl neh­men woll­te, fiel es Hiz­ler ein, zu fra­gen, ob Kep­ler die würt­tem­ber­gi­sche Kon­kor­di­en­for­mel un­ter­schrie­ben habe, was Kep­ler ver­nein­te, da er es über­haupt nicht für rich­tig hal­te, sei­nen Glau­ben auf For­meln zu zwin­gen, vollends aber je­ner nicht zu­stim­men kön­ne. Hiz­ler war er­staunt und böse und be­stand dar­auf, Kep­ler müs­se die For­mel un­ter­schrei­ben, die gut und löb­lich sei, sonst kön­ne er ihn zum Ge­nuss des Abend­mahls nicht zu­las­sen. Kep­ler ant­wor­te­te, we­gen des Dog­ma­ti­schen möch­te es sein, aber dazu kön­ne er sich nicht ent­schlie­ßen, die An­hän­ger Kal­vins zu ver­flu­chen, das sei ge­gen sei­ne Über­zeu­gung. Was? fuhr Hiz­ler auf, ob er etwa die ab­scheu­li­che Ket­ze­rei der Kal­vi­ner in Schutz neh­men wol­le? Ob er etwa be­haup­ten wol­le, dass ein Mann durch et­was an­de­res als den Glau­ben se­lig wer­den kön­ne? Ob er etwa der An­sicht sei, dass ein Un­ter­tan sich der von Gott ein­ge­setz­ten Ob­rig­keit wi­der­set­zen dür­fe? Ob er sich ein­bil­de, dass ein Laie zum Pre­di­gen be­ru­fen sein kön­ne? Ob der Teu­fel ihm ein­ge­bla­sen habe, dass das Brot nicht der Leib Chris­ti sei?

      Da­bei blick­te er, die Hän­de auf den Tisch ge­stützt und weit über­ge­beugt, Kep­ler aus klei­nen, fun­keln­den Au­gen dro­hend an.

      Da­rauf wol­le er sich nicht ein­las­sen, ant­wor­te­te Kep­ler; er habe im Sinn, bei der lu­the­ri­schen Leh­re zu blei­ben, auf die er ge­tauft sei; es möch­te auch sein, dass die Leh­re Kal­vins Irr­tü­mer ein­schlie­ße, nur kön­ne und wol­le er nicht ein­se­hen, warum man sie des­halb ver­flu­chen müs­se.

      So? rief Hiz­ler hohn­la­chend, den Grund wol­le er wis­sen, warum man sie ver­flu­chen sol­le? Kep­ler möch­te doch ihm den Grund sa­gen, warum man sie nicht ver­flu­chen sol­le, die der Wahr­heit ins Ge­sicht lö­gen und wi­der die Recht­gläu­big­keit an­bell­ten!

      So möch­ten er und an­de­re sie im­mer­hin ver­flu­chen, sag­te Kep­ler, nur er kön­ne es durch­aus nicht tun, weil er kei­ner­lei Hass oder Ab­nei­gung ge­gen sie habe.

      Da­bei be­ru­hig­te sich Hiz­ler aber kei­nes­wegs, son­dern kam an den fol­gen­den Ta­gen wie­der, um Kep­ler ab­wech­selnd zu be­dro­hen und zu be­schwö­ren, dass er die Kon­kor­di­en­for­mel un­ter­schrei­be. »Lie­ber«, rief er fast wei­nend, »was ge­hen dich die Erz­schel­me und Teu­fels­kin­der von Kal­vi­nis­ten an? Ach Lie­ber, ver­flu­che sie doch! Ver­flu­che sie in Got­tes Na­men! Ver­flu­che sie we­nigs­tens mit der Zun­ge, wenn auch dein Herz nicht da­bei ist!« In­des­sen trotz sei­ner Ver­träg­lich­keit tat ihm Kep­ler den Wil­len nicht, wor­auf Hiz­ler ihn, wie er ge­droht hat­te, vom Abend­mahl aus­schloss. Dies glaub­te Kep­ler als einen gro­ben Schimpf sich nicht bie­ten las­sen zu sol­len und wen­de­te sich kla­gend an das Kon­sis­to­ri­um in Stutt­gart. We­gen sei­ner Par­tei­nah­me für den Gre­go­ria­ni­schen Ka­len­der schon vor­dem ge­gen ihn ein­ge­nom­men, ent­schied das­sel­be da­hin, Kep­ler sei ein Schwin­del­hirn­lein, das sich all­zu sehr auf­bla­se, wenn er glau­be, in theo­lo­gi­schen Fra­gen an­de­re meis­tern zu kön­nen; er sol­le rich­ti­ge Ka­len­der ma­chen und flei­ßig in sei­nem Be­ru­fe sein, in der Theo­lo­gie aber sich von de­nen zu­recht­wei­sen las­sen, die dazu be­fugt sei­en.

      Seit­dem blie­ben die bei­den Lands­leu­te ver­fein­det; Hiz­ler such­te Kep­ler, wo er ihn traf, durch in­grim­mi­ge Bli­cke und vor sich hin ge­mur­mel­te Schelt­wor­te aus dem Gleich­ge­wicht zu brin­gen. Un­ter die­sen Wi­der­wär­tig­kei­ten litt Kep­ler umso mehr, als er neu­er­dings durch Nach­rich­ten aus der Hei­mat emp­find­lich be­un­ru­higt wur­de; sei­ne Mut­ter näm­lich, die in Güg­lin­gen leb­te, war der Zau­be­rei ver­däch­tigt wor­den.

      Ka­tha­ri­na Kep­ler, eine klei­ne, brau­ne, durch vie­ler­lei Müh­se­lig­kei­ten früh ge­beug­te Frau, die aber mun­te­ren und be­weg­li­chen Geis­tes war, leb­te, seit ihre hüb­sche sanf­te Toch­ter Mar­ga­re­te sich mit dem Pfar­rer Bin­der ver­hei­ra­tet hat­te, ganz al­lein in leid­li­chen Ver­hält­nis­sen. Ihr Mann war vor vie­len Jah­ren, des häus­li­chen Le­bens müde, in den Tür­ken­krieg ge­zo­gen und dort ver­schol­len; ihre Söh­ne wa­ren, bis auf Jo­han­nes, ohne hö­he­re Bil­dung auf­ge­wach­sen, ei­ner war, wie einst sein Va­ter, als Söld­ner dem Krie­ge nach­ge­zo­gen und kam mit Frau und Kin­dern bet­tel­arm zu­rück, nach­dem er in der Frem­de ka­tho­lisch ge­wor­den war. Ent­rüs­tet wies ihn die Mut­ter, bei der er jetzt un­ter­schlüp­fen zu kön­nen hoff­te, von ih­rem Ti­sche. In ih­rer Ein­sam­keit ver­trieb sie sich die Zeit, die sie sich durch Le­sen nicht ver­kür­zen konn­te, denn das ver­stand sie nicht, mit wun­der­li­chen Träu­me­rei­en oder da­durch, dass sie Be­su­che aus der Nach­bar­schaft emp­fing, mit de­nen sie bei ei­nem Gla­se Würzwein plau­der­te. Ir­gend­wie verd­arb sie es mit man­chen von die­sen Be­kann­ten, viel­leicht weil ihre Au­gen, ob­wohl sie fern an den Leu­ten СКАЧАТЬ