Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
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Читать онлайн книгу Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch страница 47

Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

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      Um die noch nicht ge­re­gel­te Fra­ge der Nach­fol­ge im Rei­che zu ord­nen, be­raum­ten die Kur­fürs­ten auf Mi­chae­lis 1611 eine Ver­samm­lung in Nürn­berg an, auf wel­che die Stadt sich den Som­mer über in fröh­li­cher und sorg­li­cher Ge­schäf­tig­keit vor­be­rei­te­te. Es er­for­der­te reif­li­ches Be­den­ken, wo und wie ein je­der nach sei­ner Wür­de sol­le ein­quar­tiert wer­den, und wenn dies auch zum Teil dem Erb­mar­schall Pap­pen­heim, als dem Quar­tier­ma­cher, ob­lag, so ging der Ver­kehr mit die­sem we­gen der viel­fach sich kreu­zen­den Be­fug­nis­se nicht ohne Vor­sicht und Spitz­fin­dig­keit von­stat­ten. So wa­ren ei­ni­ge Män­ner auf den Ein­fall ge­kom­men, wäh­rend des Kur­fürs­ten­ta­ges einen Glücks­topf zu er­öff­nen, und hat­ten sich we­gen der Er­laub­nis an Pap­pen­heim ge­wen­det, die­sel­be auch er­hal­ten. Als sie dann den Rat in zwei­ter Stel­le an­gin­gen, er­teil­te ih­nen die­ser einen gänz­li­chen Ab­schlag und steck­te sie zum Bei­spiel und zur Leh­re, ob­wohl sie zu den ehr­ba­ren Bür­gern ge­hör­ten, für meh­re­re Tage ins Loch; denn bei den über­all aus­schlüp­fen­den Prä­ten­tio­nen der Fürs­ten und des Adels galt es von vorn­her­ein, den Un­ter­ta­nen die Ho­heit zu wei­sen.

      In der sich täg­lich mehr mit Frem­den fül­len­den Stadt muss­te streng auf Ord­nung ge­hal­ten wer­den. Da ka­men Pas­te­ten­bä­cker aus Loth­rin­gen, Spit­zen­ver­käu­fer aus Lyon und Per­len­händ­ler aus Mar­seil­le, und wenn das neu­gie­ri­ge Volk dar­an Er­göt­zen hat­te, so er­ei­fer­te sich das ein­hei­mi­sche Ge­wer­be, dem da­durch Scha­den droh­te. Die je­wei­li­gen Be­schwer­den woll­ten gründ­lich un­ter­sucht wer­den, wie denn die Kla­ge der Uhr­ma­cher, dass sie auf dem Reichs­ta­ge zu Augs­burg im Jah­re 1582 nicht zu­ge­las­sen wor­den wä­ren, rich­tig be­fun­den und die Augs­bur­ger Uhr­ma­cher dar­auf­hin füg­lich ab­ge­wie­sen wer­den konn­ten. Miss­hel­lig­kei­ten wa­ren vor al­len Din­gen in­fol­ge des Zu­sam­men­strö­mens ver­schie­de­ner Be­kennt­nis­se in der Stadt zu be­fürch­ten, und es wur­de des­halb der Geist­lich­keit mehr­fach und nach­drück­lich ein­ge­schärft, sich wäh­rend die­ser Zeit des über­flüs­si­gen Kri­ti­sie­rens und Fan­ta­sie­rens zu ent­hal­ten, viel­mehr be­schei­dent­lich bei der Aus­le­gung des Tex­tes zu blei­ben.

      Lus­ti­ge Tage wa­ren es, als un­ter hei­te­rem Spät­som­mer­him­mel die ho­hen Per­so­nen nach­ein­an­der mit ih­rem Ge­fol­ge ein­rück­ten. Den meis­ten Bei­fall fand beim Vol­ke Kur­fürst Schweik­hard von Mainz, des Rei­ches Erz­kanz­ler, der, auf­recht und fröh­lich im Wa­gen sit­zend, nach al­len Sei­ten grüß­te und seg­ne­te, wäh­rend der Kur­fürst Ernst von Köln, ab­ge­ma­gert und trüb­sin­nig, sich der Fest­freu­de nur wie ei­ner Müh­se­lig­keit zu un­ter­zie­hen schi­en. Am präch­tigs­ten her­ge­rich­tet war der von Tri­er aus dem rhei­ni­schen Ge­schlech­te der Met­ter­nich, ein schö­ner, blü­hen­der Mann mit krau­sem brau­nem Haar, schwung­vol­ler Nase und hell­glän­zen­den Au­gen, der sich wie ein Ka­va­lier hielt und den Zu­ruf der Men­ge mit er­ha­be­nem und her­ab­las­sen­dem Kopf­nei­gen er­wi­der­te. Von den welt­li­chen Kur­fürs­ten fehl­te der noch un­mün­di­ge Pfäl­zer, an des­sen Stel­le die strit­ti­gen Vor­mün­der, Her­zog Jo­hann von Pfalz-Zwei­brücken und Her­zog von Pfalz-Neu­burg, fer­ner Groß­hof­meis­ter Graf Solms und der Dok­tor Ca­me­ra­ri­us er­schie­nen. Für den Kur­fürs­ten Chris­ti­an von Sach­sen, des­sen Hän­den kürz­lich der vol­le Be­cher auf im­mer ent­fal­len war, kam sein Bru­der und Nach­fol­ger, Jo­hann Ge­org I., der froh war, bei die­sem An­lass sei­ne Wür­de zum ers­ten Mal in der Öf­fent­lich­keit zei­gen zu kön­nen.

      Sein Aus­se­hen war ein­neh­mend, sein Be­tra­gen bie­der und um­gäng­lich und sein Ver­hal­ten ge­gen die geist­li­chen Kur­fürs­ten, die dem mäch­tigs­ten un­ter den evan­ge­li­schen Fürs­ten über­aus wohl­wol­lend ent­ge­gen­ka­men, be­schei­den und fried­lie­bend. Ein un­be­lieb­ter Gast war Khlesl, der Bi­schof von Wien, der als Ver­tre­ter des Kö­nigs und Kur­fürs­ten von Böh­men in ei­nem an Pracht alle über­tref­fen­den Auf­zu­ge in Nürn­berg ein­fuhr. Es nahm die Stadt nicht we­nig wun­der, dass der Ver­fol­ger der Ket­zer, wenn er sich über­haupt in Nürn­berg zu zei­gen wag­te, nicht we­nigs­tens in der Stil­le und klein­laut auf­zog, an­statt dreist da­her­prun­kend alle Au­gen auf sich zu zie­hen. Wenn er über die Stra­ße ging, ha­ger, kno­chig und gelb, einen fet­ten Mönch zur Sei­te, pfleg­ten ihm die Bu­ben joh­lend und pfei­fend nach­zu­lau­fen, so­dass der Rat es für nö­tig hielt, die Leh­rer zu bes­se­rer Zucht ih­rer Schü­ler an­zu­wei­sen. Da aber ein Leh­rer den Bu­ben in der Schu­le an­sag­te, wenn sie etwa in die­ser Zeit einen Teu­fel sä­hen, der einen Esel zur Höl­le trie­be, wel­che An­spie­lung auf den Na­men des Bi­schofs von groß und klein ver­stan­den wur­de, soll­ten sie ihre Ver­wun­de­rung nicht laut äu­ßern, denn es ge­sch­ehe mit ob­rig­keit­li­cher Be­wil­li­gung, so wur­de das Ge­spött und Ge­läch­ter eher är­ger als zu­vor. Da dem Rate wohl­be­kannt war, wie un­gern Khlesl auch von den Fürs­ten ge­se­hen war, schritt er nicht schär­fer ein, son­dern ließ es bei den frucht­lo­sen Kla­gen des Bi­schofs be­wen­den.

      Nach­dem der ob­schwe­ben­de Streit zwi­schen Zwei­brücken und Neu­burg vor­läu­fig bei­ge­legt war, nah­men die Ver­hand­lun­gen in dem großen Saa­le des Rat­hau­ses ih­ren An­fang, der mit den Bild­nis­sen der Kai­ser und mit ei­ni­gen hoch­be­rühm­ten Kunst­wer­ken, näm­lich Dü­rers Adam und Eva und ei­ner lieb­li­chen Ma­don­na des Lu­kas Cra­nach, aus­ge­ziert war. Der Rat trug Sor­ge, dass auf dem Ti­sche stets eine Scha­le voll Kon­fekt und eine Kris­tall­fla­sche voll Mal­va­sier stand, da­mit sich die Rat­schla­gen­den un­ter der Ar­beit dar­an er­qui­cken könn­ten.

      Zwi­schen­hin­ein ga­ben die Fürs­ten Ban­ket­te, bei de­nen der eine den an­de­ren durch im­mer köst­li­che­re Lecker­bis­sen zu über­trump­fen such­te, wel­cher Wett­streit kei­ne Emp­find­lich­keit er­reg­te, viel­mehr den Witz und die Lau­ne reiz­te. Den größ­ten Er­folg er­ziel­te der Kur­fürst von Köln, der, seit er sich im Trin­ken mä­ßig ver­hal­ten muss­te, de­sto lie­ber mit Kon­fekt um­ging, durch kunst­vol­les Zucker­werk, das er aus Ams­ter­dam be­zo­gen hat­te. Es er­schi­en in Ge­stalt von Wurst, Schin­ken, Sem­meln, Kraut­köp­fen und an­de­ren Ess­wa­ren und ahm­te die­sel­ben in fri­scher, rich­ti­ger Fär­bung so gut nach, dass sich die Un­be­fan­ge­nen über sei­ne Na­tur täusch­ten. Na­ment­lich der Kur­fürst von Sach­sen konn­te nicht auf­hö­ren, die­se necki­sche Bä­cke­rei zu be­wun­dern, und schmei­chel­te dem Erz­bi­schof im­mer wie­der ab, ein neu­es Stück an­zu­schnei­den, da­mit er sich über­zeu­ge, ob es echt oder wirk­lich nur Kon­di­tor­werk sei. Es wur­de nicht ohne ver­stoh­le­ne Spä­ße be­merkt, dass der Erz­bi­schof, wel­cher als gei­zig be­kannt war, zwi­schen dem Ver­gnü­gen, sei­ne Lecker­bis­sen ge­wür­digt zu se­hen, und dem Un­mut, so viel da­von zu ver­lie­ren, schwank­te; auch wur­de er ge­se­hen, wie er ei­nem ab­tra­gen­den Die­ner, der von den Über­bleib­seln nasch­te, eine Maul­schel­le ver­setz­te und ihm be­fahl, sie sorg­sam zu ver­pa­cken und nach Köln in sei­ne Re­si­denz zu schi­cken.

      Bei den Tur­nie­ren trug zur Freu­de der Nürn­ber­ger der Pfäl­zer Oben­tra­ut die meis­ten Sie­ge da­von, ein fröh­li­cher СКАЧАТЬ