Der Dreißigjährige Krieg. Ricarda Huch
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Dreißigjährige Krieg - Ricarda Huch страница 45

Название: Der Dreißigjährige Krieg

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962818555

isbn:

СКАЧАТЬ Hier­über lach­te er laut und herz­lich, dass sein um­fang­rei­cher Leib schüt­ter­te, und noch wäh­rend er die Trep­pe hin­un­ter­ging, hör­te man sein Ge­läch­ter. Kep­ler herz­te sein Kind und trug es in sein Bett zu den Ge­schwis­tern, wor­auf er wie­der zu sei­ner Frau zu­rück­kehr­te. Er woll­te noch in die Dach­kam­mer ge­hen, um die Ster­ne zu be­ob­ach­ten, sag­te er, weil die Nacht so klar sei; sie sol­le un­ter­des­sen die Magd her­ein­ru­fen, da­mit ihr die Wei­le nicht lang wer­de. Ob er denn durch­aus hin­auf­ge­hen müs­se? sag­te sie schüch­tern. Er möge ihr nur zu­vor sa­gen, ob die Stel­le aus der Of­fen­ba­rung auf die Pas­sau­er zu deu­ten sei: ›Und die Zahl des rei­si­gen Zeu­ges war viel­tau­send­mal tau­send; und ich hö­re­te ihre Zahl. Und also sah ich die Ros­se im Ge­sicht, und die dar­auf sa­ßen, dass sie hat­ten feu­ri­ge und gel­be und schwe­fe­lich­te Pan­zer, und die Häup­ter der Ros­se wie die Häup­ter der Lö­wen, und aus ih­rem Mun­de ging Feu­er und Rauch und Schwe­fel.‹

      Nicht doch, sag­te Kep­ler un­ge­dul­dig, das be­zie­he sich auf längst­ver­gan­ge­ne Zei­ten; aber Ros­se mit Lö­wen­köp­fen hät­te es nach sei­ner Mei­nung selbst da­mals nicht ge­ge­ben, das wer­de wohl ein Sym­bol oder ein Ge­f­lun­ker sein. Sie sol­le sich doch mit dem vie­len Bi­bel­le­sen die Ge­dan­ken nicht schwer ma­chen.

      »Was soll­te ich wohl sonst tun?« sag­te sie trau­rig, in­dem sie ihn aus ih­ren dunklen Au­gen an­sah. Ein pein­li­ches Ge­fühl zog sein Herz zu­sam­men; sie sol­le jetzt ein we­nig mit der Magd plau­dern, sag­te er, er kom­me bald wie­der und blei­be dann bei ihr. Da­mit ging er schnell aus der Tür und stieg die schma­le Trep­pe zu dem Dach­stüb­chen hin­auf, wo er zu ar­bei­ten pfleg­te und wo ein Sche­mel an dem nied­ri­gen Fens­ter stand. Da das Haus hoch lag, konn­te er die Alte und die Neue Stadt jen­seit der Moldau über­bli­cken: wie eine ge­ängs­te­te, in die Hür­de zu­sam­men­ge­dräng­te Her­de schie­nen die Häu­ser sich eins am an­de­ren ver­ber­gen zu wol­len. Dicht über dem Ho­ri­zon­te, der Erde zu­ge­hö­rig, hing der ab­neh­men­de Mond, eine trü­be La­ter­ne am Sta­be ei­nes ar­men Hir­ten; aber hoch oben be­gan­nen die Ster­ne aus schwar­zen Schluch­ten an ihre Stel­le zu tre­ten. Wie Kep­ler den Blick hin­auf­rich­te­te und die ver­trau­ten Er­schei­nun­gen auf­such­te, fie­len die Sor­gen, die ihn noch eben be­drückt hat­ten, von ihm ab; er ging den­sel­ben Weg und trank die­sel­be Luft wie die Dä­mo­nen des Him­mels, ver­nahm nichts mehr als die la­by­rin­thi­sche Fuge ih­rer dia­man­te­nen Bahn. Ja, von al­len Sterb­li­chen war er es, der ihre un­be­rühr­ba­ren Spu­ren ge­fun­den, ihre ge­heim­nis­vol­len Ver­schlin­gun­gen ent­wirrt hat­te. Wie hät­te er das ver­mocht, wenn nicht von dem schaf­fen­den Geist eine Feu­er­flo­cke sei­ne See­le ent­zün­det hät­te, dass sie, göt­ter­haft be­flü­gelt, sich über die Erde auf­schwin­gen konn­te! Er hat­te den To­dess­prung in den Raum ge­wagt, und an­statt dass er an der Fes­te zer­schmet­ter­te, ris­sen ge­schmie­de­te Ket­ten und öff­ne­ten sich ver­schlos­se­ne Pfor­ten, durch die die Unend­lich­keit wie Früh­ling her­ein­quoll und ihn trug. Ihn, das dürf­ti­ge Tier der Erde, hat­te die Welt als ih­ren Bür­ger emp­fan­gen, da er sie durch­dacht und ent­deckt hat­te. Er stand auf, öff­ne­te das Fens­ter, durch das die kal­te Win­ter­luft ein­drang, und beug­te sich hin­aus; eine mäch­ti­ge Trun­ken­heit schi­en ihn in den mit Gött­lich­keit er­füll­ten Ab­grund hin­ab­zu­schleu­dern, dem er sich gleich fühl­te, er, auch bo­den­los und von gött­li­chen Ge­dan­ken über­flie­ßend. Wie er sich um Wel­ten schwang, durch­ström­ten ihn Wel­ten; an dem win­zi­gen Fens­ter ei­nes zer­brech­li­chen Hau­ses stand er und lenk­te sie an dem un­ent­rinn­ba­ren Ban­de sei­nes Geis­tes.

      Aus die­sem Tau­mel schreck­te ihn plötz­lich ver­wor­re­ner Lärm, der, wie er glaub­te, aus der Rich­tung des Süd­to­res her­kam. Er horch­te einen Au­gen­blick hin­aus, schloss das Fens­ter und lief die Trep­pe so has­tig hin­un­ter, dass er stol­per­te. Als er in das Wohn­zim­mer trat, warf sich sei­ne Frau an sei­nen Hals; die Magd lief be­tend und jam­mernd hier­hin und dort­hin. »Siehst du«, sag­te die Frau, »es kommt doch so, wie es von den Rei­si­gen ge­schrie­ben steht: ›und von die­sen ward er­tö­tet das drit­te Teil der Men­schen‹.« Kep­ler sag­te be­ru­hi­gend, so groß sei die Ge­fahr nicht, die Stän­de hät­ten auch Trup­pen und wür­den die Stadt wohl ver­tei­di­gen. Sie könn­ten auch auf die Burg flüch­ten, dort wä­ren sie ganz si­cher, der Kai­ser wür­de ih­nen ein Ob­dach nicht ver­sa­gen. Vom Kai­ser, rief sie ent­setzt, gehe ja das Mor­den aus, er wer­de sie so we­nig spa­ren, wie Karl IX. sei­nen Ad­mi­ral Co­li­gny ge­schont hät­te. Lie­ber wol­le sie ihre Kin­der von den Sol­da­ten auf­ge­spießt se­hen, als sie dem al­ten Sa­tan auf der Burg aus­lie­fern. In­dem sie so sprach, öff­ne­te sich lei­se die Tür, und das klei­ne Mäd­chen trip­pel­te auf blo­ßen Fü­ßen im lan­gen Nacht­kit­tel her­ein und sag­te mit hel­ler Stim­me, die El­tern soll­ten da­blei­ben, da­mit sie mit­ein­an­der in den Him­mel gin­gen. »Ist Herr Altman­s­tet­ter nicht da?« frag­te es, in­dem es neu­gie­rig um sich blick­te; »ich möch­te ihn gern zur Höl­le fah­ren se­hen.« Kep­ler raff­te das klei­ne Mäd­chen an sich und wi­ckel­te es in ein Tuch; um die an­de­ren Kin­der nicht zu we­cken und da­durch die Un­ru­he zu ver­meh­ren, trug er es nicht in die Schlaf­kam­mer zu­rück.

      In­des­sen war der Lärm nä­her­ge­kom­men, man hör­te Ge­schrei und das Kra­chen von Schüs­sen. Wäh­rend die Magd be­te­te, flüs­ter­te Kep­lers Frau, angst­voll in einen Win­kel stie­rend: »Ich höre das Blut durch die Gas­se rin­nen, ich höre es von den Dä­chern trop­fen, ich höre es über die Stie­ge hin­un­ter­flie­ßen«, und wie­der von vor­ne und wei­ter. Plötz­lich er­dröhn­ten Fuß­trit­te dicht un­ter den Fens­tern, und gleich dar­auf krach­te eine Tür, wie wenn mit Keu­len da­ge­gen ge­schla­gen wür­de. Es sei im Nach­bar­hau­se, sag­te Kep­ler, der, das Kind auf dem Arme, am Fens­ter stand, hat­te aber noch nicht aus­ge­spro­chen, als gel­len­des Ge­schrei er­tön­te, aus­ge­sto­ßen von auf der Stra­ße oder im Ne­ben­hau­se Über­fal­le­nen. Im glei­chen Au­gen­blick schrie auch die Magd auf, die bis da­hin laut ge­be­tet hat­te, und wie Kep­ler sich um­dreh­te, sah er sei­ne Frau mit den Ar­men in die Luft grei­fen und dann in ei­nem Kramp­fe be­wusst­los zu Bo­den stür­zen.

      Wäh­rend Kep­ler sich um Frau und Kind be­müh­te, wälz­te sich die Schar der Söld­ner wei­ter, an­ge­führt vom Erz­her­zog Leo­pold und be­kämpft von den stän­di­schen Trup­pen, de­ren je­doch zu we­ni­ge wa­ren, um sie zu­rück­zu­wer­fen. Ei­ner klei­nen Ab­tei­lung ge­lang es, über die Moldau­brücke in die Alt­stadt zu drin­gen, dort aber wur­den sie bis auf we­ni­ge ge­tö­tet; denn die Bür­ger­schaft hat­te Zeit ge­habt, sich zu be­waff­nen, und wehr­te sich in­grim­mig. Nach­dem die Ein­dring­lin­ge über­wäl­tigt wa­ren, warf sich die ent­fes­sel­te Kampf­lust auf die in der Stadt be­find­li­chen Geg­ner, Klös­ter von Je­sui­ten und Ka­pu­zi­nern, die, von nie­man­dem ver­tei­digt, gräu­el­voll aus­ge­mor­det wur­den. In der Klein­sei­te quar­tier­ten sich die Pas­sau­er ein und wirt­schaf­te­ten ge­walt­tä­tig; aus Angst vor Mar­ter und Mord ver­lie­ßen vie­le Be­woh­ner ihre Häu­ser und irr­ten auf der Stra­ße um­her, bis die Sor­ge um ihre Hab­se­lig­kei­ten sie wie­der zu­rück­trieb.

      Ei­nen wich­ti­gen Fang hat­ten die Söld­ner mit den Per­so­nen der Gra­fen Thurn, Wen­zel, Kins­ky und Fels von Co­lon­na ge­tan, die, zum Teil ver­wun­det, vom Erz­her­zo­ge ge­fan­gen­ge­hal­ten wur­den. СКАЧАТЬ