Название: Der Dreißigjährige Krieg
Автор: Ricarda Huch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Sachbücher bei Null Papier
isbn: 9783962818555
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Während der protestantische Adel Böhmens noch in kriegerischer Stimmung auf dem Rathause zu Prag versammelt war, eilte Christian von Anhalt hin, um auf den Sturz des Kaisers zu dringen und einen Anschluss an die Union zu vereinbaren. Wie sehr er jedoch seine Reise beschleunigte, kam er erst an, als Rudolf schon den Majestätsbrief unterzeichnet und dadurch eine Versöhnung herbeigeführt hatte. Anhalt war enttäuscht und entrüstet, dass man sich so hatte einfangen, vom abgefeimtesten der Lügner hatte hinters Licht führen lassen. Nie mehr, und wenn er seine Seele zum Pfände setze, würde er Rudolf trauen; er hätte keine, seine Brust sei leer wie ein hohler Baum, in dem die Fäulnis leuchtete. So arg sei es doch wohl nicht, meinte Wilhelm von Lobkowitz, und man vermeide doch lieber die Extremitäten, wogegen andere sagten, sie trauten Rudolf keineswegs, einstweilen hätten sie ihm aber die Hände gebunden, das Weitere müsse man abwarten. Graf Thum war unzufrieden und teilte Anhalts Meinung, man hätte den mürben Strick nicht noch einmal anknoten sollen; nun aber, sagte er auch, müsse man sich damit weiterhelfen, solange er hielte. Vergebens malte Anhalt die Gunst der Umstände: überall recke die Freiheit das Haupt, Venedig sei im Kampfe mit dem Papst Sieger geblieben, man könne keine kühnere Sprache führen als der Doge und jener vom kalvinischen Geiste beseelte Mönch Paolo Sarpi. Was für Veränderungen, wenn die weltliche Herrschaft des Papstes stürzte, das tönerne Haupt des großen Tieres zerschellte! Wenn Genf, die Keusche, ihren Fuß auf den Nacken der römischen Hure setzte! Vergeblich mahnte er zum Eintritt in die Union und bot ihre Hilfe an: insgeheim fürchteten die böhmischen Herren für ihre Selbstständigkeit und hüteten sich, Verpflichtungen gegen die deutschen Fürsten auf sich zu laden.
In Wahrheit waren die Kräfte und Mittel der Union weniger glänzend, als Anhalt sie darstellte. Keiner von den Fürsten hatte Geld genug, um sein Heer lange Zeit im Felde zu halten, oder Lust, das etwa vorhandene daranzuwagen. Nur die Städte hatten einen vollen Beutel, zogen ihn aber nicht auf, außer wenn es ihnen wirklich und erweislich unmittelbar zugute kam. Wir möchten sie so markten, sagte dann wohl Anhalt ungeduldig, wenn es sich um die Freiheit der Gewissen handele! Wollten sie stillsitzen, wenn nun die Horden der Jesuiten und Kapuziner näherrückten, um die dem reinen Gottesdienst geweihten Kirchen mit ihrem Baalsdienst zu besudeln?
Sie würden sich wehren, erwiderten die Städte, wenn die Widersacher ihnen zu Leibe rückten; aber davon wären noch keine Anzeichen vorhanden. Wenn in ihrem Gebiet ein Päpstlicher sich unbescheiden aufführte, so hätten sie Mittel, ihn zu strafen trotz Kaiser und Papst. Bisher hätte der Kaiser sie bei ihren Rechten und Gewohnheiten belassen, wie sie ihm wiederum ihre Schuldigkeit geleistet hätten.
Sie hätten keinen Gemeinsinn, warf ihnen Anhalt vor.
Ob die Fürsten nicht auch zuerst ihre Selbsterhaltung bedächten, entgegneten die Städte. Es wäre bisher so gewesen, dass sie vom Kaiser ihren Lebensfaden angesponnen und dass die Fürsten ihn abzuschneiden getrachtet hätten; sollten sie sich nun gegen den Kaiser zu den Fürsten stellen? Man sehe jetzt wieder, wie der Herzog von Wolfenbüttel der Stadt Braunschweig nachstellte und sie zu einer gemeinen Landstadt herunterdrücken wollte.
Ja, und der Kaiser hätte sie nicht beschützt, sagte Anhalt triumphierend, ebensowenig wie die Reichsstadt Donauwörth, die er vielmehr aus Glaubenshass dem jesuitischen Herzog von Bayern preisgegeben hätte.
Wäre die Stadt vorsichtig gewesen und hätte dem Pöbel nicht zu viel nachgegeben, antworteten wiederum die Städte, möchte es nicht so weit gekommen sein. Übrigens wüssten sie wohl, dass die gegenwärtigen Läufte gefährlich und besonders für die Städte verdächtig wären; sie müssten mühselig zwischen Scyllam und Charybdim hindurchsteuern, wollten sie die heile Haut davontragen.
Als Christen sollten sie nicht an ihre Haut denken, sagte Anhalt, sondern an ihren Gott. Worauf der nürnbergische Abgesandte einmal entgegnete: »Euer Liebden reden viel von Gott, wenn Sie zu uns sprechen. Sprechen Sie aber zu Ihresgleichen, so reden Sie von der Libertät, welches so viel heißt, als dass die Fürsten dem Kaiser nicht Untertan sein wollen.«
Was ferner den Städten durchaus nicht eingehen wollte, war die Verbindung mit dem König von Frankreich als mit einem ausländischen Fürsten. In der guten alten Zeit würde man dergleichen als Hochverrat angesehen haben, und es könne nichts Gutes aus solchem Bündnis kommen. Noch dazu sei der König von Frankreich ein Apostat, habe seinen Glauben abgeschworen, seine Glaubensbrüder verraten und bekämpfe sie jetzt. Wie reime sich das damit, dass er den Protestanten im Nachbarlande beistehen wolle? Dabei sei kein Treu und Glauben, und es möchte den guten Deutschen ergehen wie dem Bären oder Hasen, als er mit dem Fuchs gemeinsame Sache machte.
1 Exkommunikation ist der zeitlich begrenzte oder auch permanente Ausschluss aus einer religiösen Gemeinschaft oder von bestimmten Aktivitäten in einer religiösen Gemeinschaft. <<<
11.
Auf der Straße, die durch die Berge der Eifel nach Düren führte, überholte ein Trupp Mansfeldischer Reiter einige Landleute, die eine Hochzeit zu vollziehen sich in das nächste Kirchdorf begaben. Es waren das Brautpaar, dessen Eltern und die Verwandtschaft mit ihren Kindern, alle sauber gekleidet, die Braut mit Bändern und einer turmartigen Krone geschmückt, unter der ihr junger Kopf sich ernst und schamhaft beugte. Beim Anblick der Reiter erschraken die Leute, beruhigten sich aber, als einer derselben, ihren Dialekt komisch nachahmend, sie freundlich ansprach, nach dem Wege fragte und versicherte, dass sie nichts Feindliches im Sinne hätten, vielmehr selbst der Hilfe bedürftig wären. Die vom Schreck befreiten Bauern gaben Bescheid, worauf die Reiter sich ihnen anschlossen und unter dem mühselig geführten Gespräch zur Hochzeit einluden, da sie noch nichts im Leibe hätten, auch Genügsamkeit gelobten, als die Leute auf das geringe Maß der im Dorfe vorhandenen Vorräte hinwiesen. Es war Anfang Januar, und nach langen Regentagen setzte scharfe Kälte ein; СКАЧАТЬ